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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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möglich noch die von seinem Bruder incmgurirten Herrscherprinzipien; ließ er
doch, um nur ein Beispiel anzuführen1838 den Boersanführer P. Relief
mit einem Gefolge von 615 Angehörigen, nachdem er ihn durch anfangs freund¬
liches Entgegenkommen sicher gemacht hatte, in der blutigsten Weise am Tugela-
flusse ermorden. Aber diese fürchterliche That sollte für ihn selbst zugleich zur
Katastrophe werden. Die Boers vertrieben ihn aus Natal weiter uach Norden,
wo er von einem seiner Offiziere meuchlings getödtet wurde. Sein Bruder
Panda aber, ein friedlicher Charakter, stellte sich unter die Protektion der
Boers. Er für seine Person führte ein ruhiges, unblutiges Regiment, aber da
er seine Söhne am Leben ließ, so entstanden unter diesen, sobald sie herange¬
wachsen waren, Eifersüchteleien und Streitigkeiten wegen der eventuellen Nach¬
folge, die sich bald zu blutigen Kämpfen, ja zu einem Vernichtungskriege unter
den Zulu steigerten.

Panda, der seinen Söhnen gegenüber zu wenig väterliche Autorität besaß,
es aber auch nicht mit ansehen konnte, wie sein Volk in fürchterlichem Gemetzel
sich selbst zerfleischte, wendete sich in dieser Verlegenheit an die englische
Kolonialregierung mit der Bitte um Abhilfe, und diese ließ die Gelegenheit sich
einzumischen nicht unbenutzt vorübergehen. Der damalige Koloniegouverneur
von Natal, Herr Shepstone, begab sich 1861 in das Zululand und schlichtete
die Thonstreitigkeiten in der Weise, daß er Ketschwayo zum Thronerben er¬
nannte. Die Folge dieses Einschreitens war, daß das Zululand bis zum
Ableben Panda's 1872 ruhig verblieb, und daß es den Anschein gewann, als
habe sich das friedliche Wesen Panda's auch seinen Unterthanen mitgetheilt,
ein Umstand, der allerdings zu der Ansicht von der Ungefährlichkeit der Zulu
führen konnte, um so mehr, als Ketschwayo vor seiner Thronbesteigung den
damaligen Gouverneur von Natal bat, ihn im Namen der Königin von Eng¬
land als König der Zulu-Nation zu installiren. Herr Shepstone folgte dieser
Aufforderung, und unter Vorführung eines geschickt arrangirten Schauspiels
wurde Ketschwayo gekrönt. Der Gouverneur hielt nicht nur selbst eine Rede
in der Zulusprache an das versammelte Volk, worin er den von der Königin
von England bestätigten König den Zulu übergab, sondern ließ auch dem
ganzen Lande gewisse mit Ketschwayo vereinbarte Regierungsprinzipien feierlich
proklamiren. Danach sollte im Zululande alles unnöthige Blutvergießen auf¬
hören, kein Zulu sollte ohne öffentliche Gerichtsverhandlung und öffentliches
Verhör vor Zeugen für und wider ihn verurtheilt werden, und verurtheilt,
sollte er an den König appelliren dürfen. Ohne Kenntnißnahme und Geneh¬
migung des Königs sollte keine Todesstrafe verhängt werden, vor allem aber
sollte nicht wie früher bei jeder Kleinigkeit die Todesstrafe, sondern dafür theilweise
oder gänzliche Vermögensentziehung eintreten. Mit einigen schönen Elephanten-


möglich noch die von seinem Bruder incmgurirten Herrscherprinzipien; ließ er
doch, um nur ein Beispiel anzuführen1838 den Boersanführer P. Relief
mit einem Gefolge von 615 Angehörigen, nachdem er ihn durch anfangs freund¬
liches Entgegenkommen sicher gemacht hatte, in der blutigsten Weise am Tugela-
flusse ermorden. Aber diese fürchterliche That sollte für ihn selbst zugleich zur
Katastrophe werden. Die Boers vertrieben ihn aus Natal weiter uach Norden,
wo er von einem seiner Offiziere meuchlings getödtet wurde. Sein Bruder
Panda aber, ein friedlicher Charakter, stellte sich unter die Protektion der
Boers. Er für seine Person führte ein ruhiges, unblutiges Regiment, aber da
er seine Söhne am Leben ließ, so entstanden unter diesen, sobald sie herange¬
wachsen waren, Eifersüchteleien und Streitigkeiten wegen der eventuellen Nach¬
folge, die sich bald zu blutigen Kämpfen, ja zu einem Vernichtungskriege unter
den Zulu steigerten.

Panda, der seinen Söhnen gegenüber zu wenig väterliche Autorität besaß,
es aber auch nicht mit ansehen konnte, wie sein Volk in fürchterlichem Gemetzel
sich selbst zerfleischte, wendete sich in dieser Verlegenheit an die englische
Kolonialregierung mit der Bitte um Abhilfe, und diese ließ die Gelegenheit sich
einzumischen nicht unbenutzt vorübergehen. Der damalige Koloniegouverneur
von Natal, Herr Shepstone, begab sich 1861 in das Zululand und schlichtete
die Thonstreitigkeiten in der Weise, daß er Ketschwayo zum Thronerben er¬
nannte. Die Folge dieses Einschreitens war, daß das Zululand bis zum
Ableben Panda's 1872 ruhig verblieb, und daß es den Anschein gewann, als
habe sich das friedliche Wesen Panda's auch seinen Unterthanen mitgetheilt,
ein Umstand, der allerdings zu der Ansicht von der Ungefährlichkeit der Zulu
führen konnte, um so mehr, als Ketschwayo vor seiner Thronbesteigung den
damaligen Gouverneur von Natal bat, ihn im Namen der Königin von Eng¬
land als König der Zulu-Nation zu installiren. Herr Shepstone folgte dieser
Aufforderung, und unter Vorführung eines geschickt arrangirten Schauspiels
wurde Ketschwayo gekrönt. Der Gouverneur hielt nicht nur selbst eine Rede
in der Zulusprache an das versammelte Volk, worin er den von der Königin
von England bestätigten König den Zulu übergab, sondern ließ auch dem
ganzen Lande gewisse mit Ketschwayo vereinbarte Regierungsprinzipien feierlich
proklamiren. Danach sollte im Zululande alles unnöthige Blutvergießen auf¬
hören, kein Zulu sollte ohne öffentliche Gerichtsverhandlung und öffentliches
Verhör vor Zeugen für und wider ihn verurtheilt werden, und verurtheilt,
sollte er an den König appelliren dürfen. Ohne Kenntnißnahme und Geneh¬
migung des Königs sollte keine Todesstrafe verhängt werden, vor allem aber
sollte nicht wie früher bei jeder Kleinigkeit die Todesstrafe, sondern dafür theilweise
oder gänzliche Vermögensentziehung eintreten. Mit einigen schönen Elephanten-


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[0345] möglich noch die von seinem Bruder incmgurirten Herrscherprinzipien; ließ er doch, um nur ein Beispiel anzuführen1838 den Boersanführer P. Relief mit einem Gefolge von 615 Angehörigen, nachdem er ihn durch anfangs freund¬ liches Entgegenkommen sicher gemacht hatte, in der blutigsten Weise am Tugela- flusse ermorden. Aber diese fürchterliche That sollte für ihn selbst zugleich zur Katastrophe werden. Die Boers vertrieben ihn aus Natal weiter uach Norden, wo er von einem seiner Offiziere meuchlings getödtet wurde. Sein Bruder Panda aber, ein friedlicher Charakter, stellte sich unter die Protektion der Boers. Er für seine Person führte ein ruhiges, unblutiges Regiment, aber da er seine Söhne am Leben ließ, so entstanden unter diesen, sobald sie herange¬ wachsen waren, Eifersüchteleien und Streitigkeiten wegen der eventuellen Nach¬ folge, die sich bald zu blutigen Kämpfen, ja zu einem Vernichtungskriege unter den Zulu steigerten. Panda, der seinen Söhnen gegenüber zu wenig väterliche Autorität besaß, es aber auch nicht mit ansehen konnte, wie sein Volk in fürchterlichem Gemetzel sich selbst zerfleischte, wendete sich in dieser Verlegenheit an die englische Kolonialregierung mit der Bitte um Abhilfe, und diese ließ die Gelegenheit sich einzumischen nicht unbenutzt vorübergehen. Der damalige Koloniegouverneur von Natal, Herr Shepstone, begab sich 1861 in das Zululand und schlichtete die Thonstreitigkeiten in der Weise, daß er Ketschwayo zum Thronerben er¬ nannte. Die Folge dieses Einschreitens war, daß das Zululand bis zum Ableben Panda's 1872 ruhig verblieb, und daß es den Anschein gewann, als habe sich das friedliche Wesen Panda's auch seinen Unterthanen mitgetheilt, ein Umstand, der allerdings zu der Ansicht von der Ungefährlichkeit der Zulu führen konnte, um so mehr, als Ketschwayo vor seiner Thronbesteigung den damaligen Gouverneur von Natal bat, ihn im Namen der Königin von Eng¬ land als König der Zulu-Nation zu installiren. Herr Shepstone folgte dieser Aufforderung, und unter Vorführung eines geschickt arrangirten Schauspiels wurde Ketschwayo gekrönt. Der Gouverneur hielt nicht nur selbst eine Rede in der Zulusprache an das versammelte Volk, worin er den von der Königin von England bestätigten König den Zulu übergab, sondern ließ auch dem ganzen Lande gewisse mit Ketschwayo vereinbarte Regierungsprinzipien feierlich proklamiren. Danach sollte im Zululande alles unnöthige Blutvergießen auf¬ hören, kein Zulu sollte ohne öffentliche Gerichtsverhandlung und öffentliches Verhör vor Zeugen für und wider ihn verurtheilt werden, und verurtheilt, sollte er an den König appelliren dürfen. Ohne Kenntnißnahme und Geneh¬ migung des Königs sollte keine Todesstrafe verhängt werden, vor allem aber sollte nicht wie früher bei jeder Kleinigkeit die Todesstrafe, sondern dafür theilweise oder gänzliche Vermögensentziehung eintreten. Mit einigen schönen Elephanten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/345>, abgerufen am 23.07.2024.