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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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fluktuirende, jedoch beträchtliche Zahl berittener Kolonisten und 7000 Eingeborene,
die wenigstens ebensogut fechten sollten wie die Feinde. Wenn wir mit einer
solchen Macht nicht überall außerhalb Europa's gegen schwarze Feinde siegen
können, so können wir unser Reich überhaupt nicht behaupten und thäten
besser daran, es sogleich aufzugeben." "Die Eingeborenen", hieß es weiter, "sind
hastig bewaffnet und dürften sich, selbst wenn sie gut geleitet werden, kaum als
tüchtige Soldaten ausweisen." Aus diesen und anderen Gründen hielt der
spectator den Sieg für höchst wahrscheinlich und schloß seine Betrachtungen
mit den Worten: "Wir glauben, Cetewayo oder seine Heerführer werden den
Prächtigen Mißgriff begehen, uns im Felde gegenüberzutreten; er wird seine
Leute wie eine Armee verwenden und kann mit einem Schlage vernichtet
werden."

Diese Auslassungen, die zugleich eine auffallende Unkenntzziß der Verhält¬
nisse im Lande der Zulu beweisen, hatten freilich, schon ehe sie niedergeschrieben
waren, eine herbe Zurechtweisung durch ein thatsächliches Ereigniß erfahren:
schon am 22. Januar war eine der vier Angriffskolonnen, die das Land
Cetewayo's erobern sollten, ganz unvermuthet angegriffen und nahezu aufge¬
rieben worden. Der Verlust betrug, abgesehen von werthvollen Munitions¬
und Proviantkolonnen, etwa 60 Offiziere und 500 Mann. Jetzt erst begriff
Man in England die Gefahr, jetzt begann man einerseits die ganze Unterneh¬
mung als unbedacht, andererseits die zur Verwendung gebrachten Streitkräfte
als ungenügend den leitenden Persönlichkeiten zum Vorwurf zu machen.

Die Frage aber: weshalb wurde der Krieg eigentlich begonnen? ist nicht
Mit so wenigen Worten zu beantworten, wie sie gestellt ist. Denn wenn man
ihn damit begründen wollte, daß der König der Znlu einem englischen Resi¬
denten sich nicht willig zeigt, seinem eigenen Volke keine Gerechtigkeit Wider¬
sahren läßt, seine männlichen und weiblichen Soldaten nicht heirathen lassen
Kill, wie sie wollen, überhaupt nicht aufhören will, ein blutdürstiger Tyrann
W sein, so würde man das kaum als einen vernünftigen ausus dslli ansehen
können und gewiß berechtigt sein, den Engländern wegen leichtsinniger Frie¬
densstörung und willkürlichen Eingreifens in fremde Angelegenheiten energische
Vorwürfe zu machen. Eine beiden Theilen gerecht werdende Beurtheilung er¬
gibt sich nur aus eingehender Kenntniß der hier obwaltenden eigenthüm¬
lichen Verhältnisse und ans einer Betrachtung der Natur und Geschichte des
""gegriffenen Volkes. Die Zulukaffern (Kaffer ist entstanden aus dem arabi¬
schen Worte "KGr", "ungläubig", womit die Mohammedaner alle diejenigen
Afrikaner bezeichnen, die nicht ihren Glauben angenommen haben) oder, wie sie
sich selbst nennen, die "Ana-Zulu" sind ein Zweig der südafrikanischen Völker-
familie, die man nach ihrer gemeinsamen Sprache Bauen-Völker zu nennen pflegt,


fluktuirende, jedoch beträchtliche Zahl berittener Kolonisten und 7000 Eingeborene,
die wenigstens ebensogut fechten sollten wie die Feinde. Wenn wir mit einer
solchen Macht nicht überall außerhalb Europa's gegen schwarze Feinde siegen
können, so können wir unser Reich überhaupt nicht behaupten und thäten
besser daran, es sogleich aufzugeben." „Die Eingeborenen", hieß es weiter, „sind
hastig bewaffnet und dürften sich, selbst wenn sie gut geleitet werden, kaum als
tüchtige Soldaten ausweisen." Aus diesen und anderen Gründen hielt der
spectator den Sieg für höchst wahrscheinlich und schloß seine Betrachtungen
mit den Worten: „Wir glauben, Cetewayo oder seine Heerführer werden den
Prächtigen Mißgriff begehen, uns im Felde gegenüberzutreten; er wird seine
Leute wie eine Armee verwenden und kann mit einem Schlage vernichtet
werden."

Diese Auslassungen, die zugleich eine auffallende Unkenntzziß der Verhält¬
nisse im Lande der Zulu beweisen, hatten freilich, schon ehe sie niedergeschrieben
waren, eine herbe Zurechtweisung durch ein thatsächliches Ereigniß erfahren:
schon am 22. Januar war eine der vier Angriffskolonnen, die das Land
Cetewayo's erobern sollten, ganz unvermuthet angegriffen und nahezu aufge¬
rieben worden. Der Verlust betrug, abgesehen von werthvollen Munitions¬
und Proviantkolonnen, etwa 60 Offiziere und 500 Mann. Jetzt erst begriff
Man in England die Gefahr, jetzt begann man einerseits die ganze Unterneh¬
mung als unbedacht, andererseits die zur Verwendung gebrachten Streitkräfte
als ungenügend den leitenden Persönlichkeiten zum Vorwurf zu machen.

Die Frage aber: weshalb wurde der Krieg eigentlich begonnen? ist nicht
Mit so wenigen Worten zu beantworten, wie sie gestellt ist. Denn wenn man
ihn damit begründen wollte, daß der König der Znlu einem englischen Resi¬
denten sich nicht willig zeigt, seinem eigenen Volke keine Gerechtigkeit Wider¬
sahren läßt, seine männlichen und weiblichen Soldaten nicht heirathen lassen
Kill, wie sie wollen, überhaupt nicht aufhören will, ein blutdürstiger Tyrann
W sein, so würde man das kaum als einen vernünftigen ausus dslli ansehen
können und gewiß berechtigt sein, den Engländern wegen leichtsinniger Frie¬
densstörung und willkürlichen Eingreifens in fremde Angelegenheiten energische
Vorwürfe zu machen. Eine beiden Theilen gerecht werdende Beurtheilung er¬
gibt sich nur aus eingehender Kenntniß der hier obwaltenden eigenthüm¬
lichen Verhältnisse und ans einer Betrachtung der Natur und Geschichte des
"«gegriffenen Volkes. Die Zulukaffern (Kaffer ist entstanden aus dem arabi¬
schen Worte „KGr", „ungläubig", womit die Mohammedaner alle diejenigen
Afrikaner bezeichnen, die nicht ihren Glauben angenommen haben) oder, wie sie
sich selbst nennen, die „Ana-Zulu" sind ein Zweig der südafrikanischen Völker-
familie, die man nach ihrer gemeinsamen Sprache Bauen-Völker zu nennen pflegt,


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[0339] fluktuirende, jedoch beträchtliche Zahl berittener Kolonisten und 7000 Eingeborene, die wenigstens ebensogut fechten sollten wie die Feinde. Wenn wir mit einer solchen Macht nicht überall außerhalb Europa's gegen schwarze Feinde siegen können, so können wir unser Reich überhaupt nicht behaupten und thäten besser daran, es sogleich aufzugeben." „Die Eingeborenen", hieß es weiter, „sind hastig bewaffnet und dürften sich, selbst wenn sie gut geleitet werden, kaum als tüchtige Soldaten ausweisen." Aus diesen und anderen Gründen hielt der spectator den Sieg für höchst wahrscheinlich und schloß seine Betrachtungen mit den Worten: „Wir glauben, Cetewayo oder seine Heerführer werden den Prächtigen Mißgriff begehen, uns im Felde gegenüberzutreten; er wird seine Leute wie eine Armee verwenden und kann mit einem Schlage vernichtet werden." Diese Auslassungen, die zugleich eine auffallende Unkenntzziß der Verhält¬ nisse im Lande der Zulu beweisen, hatten freilich, schon ehe sie niedergeschrieben waren, eine herbe Zurechtweisung durch ein thatsächliches Ereigniß erfahren: schon am 22. Januar war eine der vier Angriffskolonnen, die das Land Cetewayo's erobern sollten, ganz unvermuthet angegriffen und nahezu aufge¬ rieben worden. Der Verlust betrug, abgesehen von werthvollen Munitions¬ und Proviantkolonnen, etwa 60 Offiziere und 500 Mann. Jetzt erst begriff Man in England die Gefahr, jetzt begann man einerseits die ganze Unterneh¬ mung als unbedacht, andererseits die zur Verwendung gebrachten Streitkräfte als ungenügend den leitenden Persönlichkeiten zum Vorwurf zu machen. Die Frage aber: weshalb wurde der Krieg eigentlich begonnen? ist nicht Mit so wenigen Worten zu beantworten, wie sie gestellt ist. Denn wenn man ihn damit begründen wollte, daß der König der Znlu einem englischen Resi¬ denten sich nicht willig zeigt, seinem eigenen Volke keine Gerechtigkeit Wider¬ sahren läßt, seine männlichen und weiblichen Soldaten nicht heirathen lassen Kill, wie sie wollen, überhaupt nicht aufhören will, ein blutdürstiger Tyrann W sein, so würde man das kaum als einen vernünftigen ausus dslli ansehen können und gewiß berechtigt sein, den Engländern wegen leichtsinniger Frie¬ densstörung und willkürlichen Eingreifens in fremde Angelegenheiten energische Vorwürfe zu machen. Eine beiden Theilen gerecht werdende Beurtheilung er¬ gibt sich nur aus eingehender Kenntniß der hier obwaltenden eigenthüm¬ lichen Verhältnisse und ans einer Betrachtung der Natur und Geschichte des "«gegriffenen Volkes. Die Zulukaffern (Kaffer ist entstanden aus dem arabi¬ schen Worte „KGr", „ungläubig", womit die Mohammedaner alle diejenigen Afrikaner bezeichnen, die nicht ihren Glauben angenommen haben) oder, wie sie sich selbst nennen, die „Ana-Zulu" sind ein Zweig der südafrikanischen Völker- familie, die man nach ihrer gemeinsamen Sprache Bauen-Völker zu nennen pflegt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/339>, abgerufen am 23.07.2024.