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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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gethan hat. Die Ritter des laisssr Msr waren dieser Frage gegenüber in der
allergrößten Verlegenheit. Daß etwas geschehen müsse, wenn unsere Industrie
nicht zu Grunde gehen sollte, sahen sie schließlich ein. Daß aber Staat und
Kommune die Sache in die Hand zu nehmen hätten, das wollten sie nie be¬
greifen. Der Minister hat nun durch seine "Grundzüge über die Art der
Ausbildung von Handwerkslehrlingen in den Reparaturwerkstätten der Staats¬
eisenbahnen" angeordnet, daß im Anschluß an die Reparaturwerkstätten eigene
Lehrwerkstätten eingerichtet werden, welche Lehrlingen in allen Arbeiten der
Schlosserei und des Maschinenbaues eine gründliche technische Ausbildung geben
sollen. Jede Werkstätte soll gegen 40 Lehrlinge mit vierjähriger Lehrzeit an¬
nehmen und sie die ersten Jahre in der Lehrwerkstätte und zuletzt nacheinander
in allen Abtheilungen der Reparaturwerkstätte beschäftigen, so daß ihre Aus¬
bildung eine möglichst vielseitige werden wird. Die Lehrlinge werden täglich
10 Stunden beschäftigt und erhalten wöchentlich zweimal Unterricht, der in die
gewöhnliche Arbeitszeit verlegt wird. Die Lehrwerkstätte steht unter der Leitung
eines tüchtigen, in seinem Fache vollkommen durchgebildeten und erfahrenen,
charakterfester und gebildeten Handwerksmeisters, des technischen Maschinen¬
meisters und einer Anzahl erprobter Gesellen; der Schulunterricht wird von
einem Elementar-Lehrer und den technischen Beamten ertheilt. Die Lehrlinge
müssen bei ihren Eltern wohnen oder in soliden Familien untergebracht sein,
die Werkstättenverwaltung hat das Recht und die Pflicht, sich hiervon zu über¬
zeugen. Nach Beendigung der Lehrzeit erhalten sie ein Zeugniß über Führung
und Tüchtigkeit.

Aus dieser kurzen Skizzirung des Organisationsplans wird man sich ein
ungefähres Bild von dieser für unsere Industrie -- wie wir glauben -- bahn¬
brechenden Schöpfung machen können. Aehnliche Lehrwerkstätten, wie hier für
Maschinen- und Schlosserarbeiten, denkt der Minister auch für die Tischlerei zu
schaffen. Der Erfolg kann nicht fehlen. Sind aber erst Erfolge vorhanden,
so werden die Kommunen, in denen dies oder jenes Gewerbe ganz besonders
heimisch ist, nicht säumen, dem Beispiele des Ministers Maybach zu folgen,
und ebensowenig die Großindustriellen; unsere Industrie aber und unser
Wohlstand werden die Wirkung davon bald spüren.




gethan hat. Die Ritter des laisssr Msr waren dieser Frage gegenüber in der
allergrößten Verlegenheit. Daß etwas geschehen müsse, wenn unsere Industrie
nicht zu Grunde gehen sollte, sahen sie schließlich ein. Daß aber Staat und
Kommune die Sache in die Hand zu nehmen hätten, das wollten sie nie be¬
greifen. Der Minister hat nun durch seine „Grundzüge über die Art der
Ausbildung von Handwerkslehrlingen in den Reparaturwerkstätten der Staats¬
eisenbahnen" angeordnet, daß im Anschluß an die Reparaturwerkstätten eigene
Lehrwerkstätten eingerichtet werden, welche Lehrlingen in allen Arbeiten der
Schlosserei und des Maschinenbaues eine gründliche technische Ausbildung geben
sollen. Jede Werkstätte soll gegen 40 Lehrlinge mit vierjähriger Lehrzeit an¬
nehmen und sie die ersten Jahre in der Lehrwerkstätte und zuletzt nacheinander
in allen Abtheilungen der Reparaturwerkstätte beschäftigen, so daß ihre Aus¬
bildung eine möglichst vielseitige werden wird. Die Lehrlinge werden täglich
10 Stunden beschäftigt und erhalten wöchentlich zweimal Unterricht, der in die
gewöhnliche Arbeitszeit verlegt wird. Die Lehrwerkstätte steht unter der Leitung
eines tüchtigen, in seinem Fache vollkommen durchgebildeten und erfahrenen,
charakterfester und gebildeten Handwerksmeisters, des technischen Maschinen¬
meisters und einer Anzahl erprobter Gesellen; der Schulunterricht wird von
einem Elementar-Lehrer und den technischen Beamten ertheilt. Die Lehrlinge
müssen bei ihren Eltern wohnen oder in soliden Familien untergebracht sein,
die Werkstättenverwaltung hat das Recht und die Pflicht, sich hiervon zu über¬
zeugen. Nach Beendigung der Lehrzeit erhalten sie ein Zeugniß über Führung
und Tüchtigkeit.

Aus dieser kurzen Skizzirung des Organisationsplans wird man sich ein
ungefähres Bild von dieser für unsere Industrie — wie wir glauben — bahn¬
brechenden Schöpfung machen können. Aehnliche Lehrwerkstätten, wie hier für
Maschinen- und Schlosserarbeiten, denkt der Minister auch für die Tischlerei zu
schaffen. Der Erfolg kann nicht fehlen. Sind aber erst Erfolge vorhanden,
so werden die Kommunen, in denen dies oder jenes Gewerbe ganz besonders
heimisch ist, nicht säumen, dem Beispiele des Ministers Maybach zu folgen,
und ebensowenig die Großindustriellen; unsere Industrie aber und unser
Wohlstand werden die Wirkung davon bald spüren.




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[0262] gethan hat. Die Ritter des laisssr Msr waren dieser Frage gegenüber in der allergrößten Verlegenheit. Daß etwas geschehen müsse, wenn unsere Industrie nicht zu Grunde gehen sollte, sahen sie schließlich ein. Daß aber Staat und Kommune die Sache in die Hand zu nehmen hätten, das wollten sie nie be¬ greifen. Der Minister hat nun durch seine „Grundzüge über die Art der Ausbildung von Handwerkslehrlingen in den Reparaturwerkstätten der Staats¬ eisenbahnen" angeordnet, daß im Anschluß an die Reparaturwerkstätten eigene Lehrwerkstätten eingerichtet werden, welche Lehrlingen in allen Arbeiten der Schlosserei und des Maschinenbaues eine gründliche technische Ausbildung geben sollen. Jede Werkstätte soll gegen 40 Lehrlinge mit vierjähriger Lehrzeit an¬ nehmen und sie die ersten Jahre in der Lehrwerkstätte und zuletzt nacheinander in allen Abtheilungen der Reparaturwerkstätte beschäftigen, so daß ihre Aus¬ bildung eine möglichst vielseitige werden wird. Die Lehrlinge werden täglich 10 Stunden beschäftigt und erhalten wöchentlich zweimal Unterricht, der in die gewöhnliche Arbeitszeit verlegt wird. Die Lehrwerkstätte steht unter der Leitung eines tüchtigen, in seinem Fache vollkommen durchgebildeten und erfahrenen, charakterfester und gebildeten Handwerksmeisters, des technischen Maschinen¬ meisters und einer Anzahl erprobter Gesellen; der Schulunterricht wird von einem Elementar-Lehrer und den technischen Beamten ertheilt. Die Lehrlinge müssen bei ihren Eltern wohnen oder in soliden Familien untergebracht sein, die Werkstättenverwaltung hat das Recht und die Pflicht, sich hiervon zu über¬ zeugen. Nach Beendigung der Lehrzeit erhalten sie ein Zeugniß über Führung und Tüchtigkeit. Aus dieser kurzen Skizzirung des Organisationsplans wird man sich ein ungefähres Bild von dieser für unsere Industrie — wie wir glauben — bahn¬ brechenden Schöpfung machen können. Aehnliche Lehrwerkstätten, wie hier für Maschinen- und Schlosserarbeiten, denkt der Minister auch für die Tischlerei zu schaffen. Der Erfolg kann nicht fehlen. Sind aber erst Erfolge vorhanden, so werden die Kommunen, in denen dies oder jenes Gewerbe ganz besonders heimisch ist, nicht säumen, dem Beispiele des Ministers Maybach zu folgen, und ebensowenig die Großindustriellen; unsere Industrie aber und unser Wohlstand werden die Wirkung davon bald spüren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/262>, abgerufen am 25.08.2024.