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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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garische wie die deutsche Bürgerschaft sich Lassota gegenüber feierlich verpflichtet,
die Stadt gegen einen etwaigen Angriff der Ungarn zu vertheidigen.

Aus solcher Sicherheit schreckte den Mustermeister in der Nacht zum 30.
die Meldung des Hauptmanns Duckart, bei Georg Zabo finde eine heimliche
Versammlung der Magyaren mit Ausschluß der Deutschen statt. Da konnte
sich Lassota nicht mehr verbergen, daß höchste Gefahr sei; er befahl deshalb
scharfe Wache zu halten, ließ auch vor jedes Thor*) zwei Geschütze aufpflanzen,
einige auch auf dem Hauptplatze auffahren und die sog. mittlere Pforte durch
eine Erdschüttung sperren. Inzwischen nahm Bernhard von Isla die zahlreich
am Niederthore erschienenen Bürger aufs neue in Pflicht und ließ an 50
"junge teutsche Handwerksgesellen", die sich freiwillig anboten, Gewehre und
Munition aus dem städtischen Zeughause vertheilen. Es war gegen 7 Uhr
Morgens.

Währenddem saßen Richter und Rath über schwerer Entscheidung. Denn
die Forderungen Lippaj's, welche am vergangenen Abend zugetragen worden,
lauteten auf Anschluß Kaschau's an die Insurgenten, Zurückziehung der deut¬
schen (militärischen) Posten und Aufbewahrung der Stadtschlüssel anstatt bei
der deutscheu Gemeinde beim Stadtrichter. Dagegen sollten die deutschen Be¬
amten oder Soldaten freien Abzug erhalten, sofern sie nicht den Ungarn eid¬
lich sich verpflichten wollten. Noch suchte der Rath die schwere Verantwortung
wenigstens theilweise auf den Mustermeister zu übertragen, erbat durch Melchior
Renner Lassota's Gutachten über die Bedingungen Lippaj's. Der kaiserliche
Beamte mußte genehmigen, was er nicht hindern konnte, und gab seine Zu¬
stimmung zu einem Abkommen, wonach die Stadt Lippaj mit 25--30 Mann
einlassen, mit ihm gute Freundschaft halten, auch dem, was künftig das Land
einhellig beschließen werde, sich nicht widersetzen, im übrigen aber im Gehor¬
sam kaiserlicher Majestät und bei ihrer hergebrachten Ordnung in Kriegswesen
und Polizei bleiben wollte. Es war ein Versuch, das Unvereinbare zu ver¬
einigen.

Wie nun Renner darüber noch mit dem Kammerpräsidenten und seinen
Räthen verhandelte, nahm ein kecker Streich der zögernden Bürgerschaft die
Entscheidung über den Kopf hinweg.

Die Ungarn standen vor der Stadt, vor beiden Thoren zeigten sich ihre
dichten Haufen. Auf die erste Nachricht von ihrem Erscheinen reitet Lassota
nach dem niederen Thor, aber auf die Meldung Isla's, daß der Feind am
oberen Thore zum Sturme rüste, jagt er dorthin und findet dort das Fähnlein
deutscher Knechte, das als Besatzung dient, unter Hauptmann Duckart vor dem



Kaschau hatte damals nur zwei Thore, das Ober- und Niederthor,

garische wie die deutsche Bürgerschaft sich Lassota gegenüber feierlich verpflichtet,
die Stadt gegen einen etwaigen Angriff der Ungarn zu vertheidigen.

Aus solcher Sicherheit schreckte den Mustermeister in der Nacht zum 30.
die Meldung des Hauptmanns Duckart, bei Georg Zabo finde eine heimliche
Versammlung der Magyaren mit Ausschluß der Deutschen statt. Da konnte
sich Lassota nicht mehr verbergen, daß höchste Gefahr sei; er befahl deshalb
scharfe Wache zu halten, ließ auch vor jedes Thor*) zwei Geschütze aufpflanzen,
einige auch auf dem Hauptplatze auffahren und die sog. mittlere Pforte durch
eine Erdschüttung sperren. Inzwischen nahm Bernhard von Isla die zahlreich
am Niederthore erschienenen Bürger aufs neue in Pflicht und ließ an 50
„junge teutsche Handwerksgesellen", die sich freiwillig anboten, Gewehre und
Munition aus dem städtischen Zeughause vertheilen. Es war gegen 7 Uhr
Morgens.

Währenddem saßen Richter und Rath über schwerer Entscheidung. Denn
die Forderungen Lippaj's, welche am vergangenen Abend zugetragen worden,
lauteten auf Anschluß Kaschau's an die Insurgenten, Zurückziehung der deut¬
schen (militärischen) Posten und Aufbewahrung der Stadtschlüssel anstatt bei
der deutscheu Gemeinde beim Stadtrichter. Dagegen sollten die deutschen Be¬
amten oder Soldaten freien Abzug erhalten, sofern sie nicht den Ungarn eid¬
lich sich verpflichten wollten. Noch suchte der Rath die schwere Verantwortung
wenigstens theilweise auf den Mustermeister zu übertragen, erbat durch Melchior
Renner Lassota's Gutachten über die Bedingungen Lippaj's. Der kaiserliche
Beamte mußte genehmigen, was er nicht hindern konnte, und gab seine Zu¬
stimmung zu einem Abkommen, wonach die Stadt Lippaj mit 25—30 Mann
einlassen, mit ihm gute Freundschaft halten, auch dem, was künftig das Land
einhellig beschließen werde, sich nicht widersetzen, im übrigen aber im Gehor¬
sam kaiserlicher Majestät und bei ihrer hergebrachten Ordnung in Kriegswesen
und Polizei bleiben wollte. Es war ein Versuch, das Unvereinbare zu ver¬
einigen.

Wie nun Renner darüber noch mit dem Kammerpräsidenten und seinen
Räthen verhandelte, nahm ein kecker Streich der zögernden Bürgerschaft die
Entscheidung über den Kopf hinweg.

Die Ungarn standen vor der Stadt, vor beiden Thoren zeigten sich ihre
dichten Haufen. Auf die erste Nachricht von ihrem Erscheinen reitet Lassota
nach dem niederen Thor, aber auf die Meldung Isla's, daß der Feind am
oberen Thore zum Sturme rüste, jagt er dorthin und findet dort das Fähnlein
deutscher Knechte, das als Besatzung dient, unter Hauptmann Duckart vor dem



Kaschau hatte damals nur zwei Thore, das Ober- und Niederthor,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/233>, abgerufen am 23.07.2024.