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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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und wüthendem Kopfschmerz, Mattigkeit, Frost, beschleunigtem Athem und Puls¬
schlag, heißer Haut und bisweilen mit Durchfall und Erbrechen aus. Die Pest¬
beulen, angeschwollene und vereiterude Lymphdrüsen, erscheinen gewöhnlich in den
Weichen, seltener im Nacken oder in den Achselgruben als runde Geschwülste
mit oder ohne Röthung der darüberliegenden Haut, verursachen meist stechende
Schmerzen und gehen zuletzt in der Regel in Verjauchung und Brand über.
Der Pestkarbunkel entsteht aus kleinen flohstich ähnlichen Flecken, die sich unter
brennenden Schmerzen aus der Haut, besonders der Beine, bilden, zu
großen blaurothen Stellen anwachsen, verhärten, ein Bläschen in der
erhöhten Mitte zeigen und endlich in einen Brandschorf mit lebhaft ent¬
zündeten Hof übergehen, unter welchem Haut und Muskeln vereitern und zer¬
stört werden. Nach dem Auftreten dieser örtlichen Pestmale steigert sich das
Fieber zu heftigen typhusartigen Symptomen, die Kräfte des Kranken nehmen
rasch ab, und derselbe stirbt an einem Schlagfluß, Gehirnaffektionen, Blutung
oder Blutzersetzung. Genesung tritt selten ein. Die Dauer der Krankheit be¬
trägt, wie es scheint, fünf bis sechs Tage, doch todten manche dieser Epidemieen
unter den Erscheinungen der intensivsten Blutvergiftung schon in den ersten
vierundzwanzig Stunden. Einige Kranke stürzen dann hin, als ob sie der Schlag
getroffen hätte, andere quälen sich tagelang, manche behalten bis zum letzten
Augenblicke ihre volle Besinnung und laufen dann zuweilen wie rasend auf
Straßen und Feldern umher. Manche wieder verfallen sehr bald in stumpfe
Bewußtlosigkeit.

Die Vorbauungsmittel sind theils allgemeine, theils individuelle. Zu jenen
gehören die von allen seefahrenden Völkern eingeführte Quarantäne und die Pest¬
kordons an den Grenzen der Binnenländer. Der einzelne von der Pest in seiner
Umgebung Bedrohte sichert sich am besten dadurch, daß er den Pestkranken und
deren Wohnungen und Kleidern fernbleibt, unreinliche Orte und Menschen möglichst
meidet und sich nach Kräften Gemüthsruhe bewahrt. Einreibung des Körpers
mit Baumöl verdient als Schutzmittel versucht zu werden. Die Behandlung
der Pestkranken endlich muß in der Hauptsache eine diätetische sein. Man sorgt
für reine frische Luft, wendet gutes Wasser innerlich und äußerlich an und läßt
den Patienten Limonaden und andere kühlende Getränke trinken. Massaria in
Vicenza hat (1576) Aderlässe mit Erfolg angewandt. Ander empfiehlt Brech¬
mittel und Phosphor, doch gebrauchte er in einigen Fällen auch Haschisch.
Indeß sind die Resultate dieser Kuren fast immer kläglich gewesen; denn ge¬
wöhnlich entging kaum ein Zehntheil der Erkrankten dem Tode.

Vergleichen wir zum Schluß mit diesen meist auf Beobachtungen deutscher
und französischer Aerzte in Aegypten beruhenden Meinungen der medizinischen
Wissenschaft in Betreff der Pest mit dem ausführlichen Berichte des Dr. Depuer,


und wüthendem Kopfschmerz, Mattigkeit, Frost, beschleunigtem Athem und Puls¬
schlag, heißer Haut und bisweilen mit Durchfall und Erbrechen aus. Die Pest¬
beulen, angeschwollene und vereiterude Lymphdrüsen, erscheinen gewöhnlich in den
Weichen, seltener im Nacken oder in den Achselgruben als runde Geschwülste
mit oder ohne Röthung der darüberliegenden Haut, verursachen meist stechende
Schmerzen und gehen zuletzt in der Regel in Verjauchung und Brand über.
Der Pestkarbunkel entsteht aus kleinen flohstich ähnlichen Flecken, die sich unter
brennenden Schmerzen aus der Haut, besonders der Beine, bilden, zu
großen blaurothen Stellen anwachsen, verhärten, ein Bläschen in der
erhöhten Mitte zeigen und endlich in einen Brandschorf mit lebhaft ent¬
zündeten Hof übergehen, unter welchem Haut und Muskeln vereitern und zer¬
stört werden. Nach dem Auftreten dieser örtlichen Pestmale steigert sich das
Fieber zu heftigen typhusartigen Symptomen, die Kräfte des Kranken nehmen
rasch ab, und derselbe stirbt an einem Schlagfluß, Gehirnaffektionen, Blutung
oder Blutzersetzung. Genesung tritt selten ein. Die Dauer der Krankheit be¬
trägt, wie es scheint, fünf bis sechs Tage, doch todten manche dieser Epidemieen
unter den Erscheinungen der intensivsten Blutvergiftung schon in den ersten
vierundzwanzig Stunden. Einige Kranke stürzen dann hin, als ob sie der Schlag
getroffen hätte, andere quälen sich tagelang, manche behalten bis zum letzten
Augenblicke ihre volle Besinnung und laufen dann zuweilen wie rasend auf
Straßen und Feldern umher. Manche wieder verfallen sehr bald in stumpfe
Bewußtlosigkeit.

Die Vorbauungsmittel sind theils allgemeine, theils individuelle. Zu jenen
gehören die von allen seefahrenden Völkern eingeführte Quarantäne und die Pest¬
kordons an den Grenzen der Binnenländer. Der einzelne von der Pest in seiner
Umgebung Bedrohte sichert sich am besten dadurch, daß er den Pestkranken und
deren Wohnungen und Kleidern fernbleibt, unreinliche Orte und Menschen möglichst
meidet und sich nach Kräften Gemüthsruhe bewahrt. Einreibung des Körpers
mit Baumöl verdient als Schutzmittel versucht zu werden. Die Behandlung
der Pestkranken endlich muß in der Hauptsache eine diätetische sein. Man sorgt
für reine frische Luft, wendet gutes Wasser innerlich und äußerlich an und läßt
den Patienten Limonaden und andere kühlende Getränke trinken. Massaria in
Vicenza hat (1576) Aderlässe mit Erfolg angewandt. Ander empfiehlt Brech¬
mittel und Phosphor, doch gebrauchte er in einigen Fällen auch Haschisch.
Indeß sind die Resultate dieser Kuren fast immer kläglich gewesen; denn ge¬
wöhnlich entging kaum ein Zehntheil der Erkrankten dem Tode.

Vergleichen wir zum Schluß mit diesen meist auf Beobachtungen deutscher
und französischer Aerzte in Aegypten beruhenden Meinungen der medizinischen
Wissenschaft in Betreff der Pest mit dem ausführlichen Berichte des Dr. Depuer,


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[0210] und wüthendem Kopfschmerz, Mattigkeit, Frost, beschleunigtem Athem und Puls¬ schlag, heißer Haut und bisweilen mit Durchfall und Erbrechen aus. Die Pest¬ beulen, angeschwollene und vereiterude Lymphdrüsen, erscheinen gewöhnlich in den Weichen, seltener im Nacken oder in den Achselgruben als runde Geschwülste mit oder ohne Röthung der darüberliegenden Haut, verursachen meist stechende Schmerzen und gehen zuletzt in der Regel in Verjauchung und Brand über. Der Pestkarbunkel entsteht aus kleinen flohstich ähnlichen Flecken, die sich unter brennenden Schmerzen aus der Haut, besonders der Beine, bilden, zu großen blaurothen Stellen anwachsen, verhärten, ein Bläschen in der erhöhten Mitte zeigen und endlich in einen Brandschorf mit lebhaft ent¬ zündeten Hof übergehen, unter welchem Haut und Muskeln vereitern und zer¬ stört werden. Nach dem Auftreten dieser örtlichen Pestmale steigert sich das Fieber zu heftigen typhusartigen Symptomen, die Kräfte des Kranken nehmen rasch ab, und derselbe stirbt an einem Schlagfluß, Gehirnaffektionen, Blutung oder Blutzersetzung. Genesung tritt selten ein. Die Dauer der Krankheit be¬ trägt, wie es scheint, fünf bis sechs Tage, doch todten manche dieser Epidemieen unter den Erscheinungen der intensivsten Blutvergiftung schon in den ersten vierundzwanzig Stunden. Einige Kranke stürzen dann hin, als ob sie der Schlag getroffen hätte, andere quälen sich tagelang, manche behalten bis zum letzten Augenblicke ihre volle Besinnung und laufen dann zuweilen wie rasend auf Straßen und Feldern umher. Manche wieder verfallen sehr bald in stumpfe Bewußtlosigkeit. Die Vorbauungsmittel sind theils allgemeine, theils individuelle. Zu jenen gehören die von allen seefahrenden Völkern eingeführte Quarantäne und die Pest¬ kordons an den Grenzen der Binnenländer. Der einzelne von der Pest in seiner Umgebung Bedrohte sichert sich am besten dadurch, daß er den Pestkranken und deren Wohnungen und Kleidern fernbleibt, unreinliche Orte und Menschen möglichst meidet und sich nach Kräften Gemüthsruhe bewahrt. Einreibung des Körpers mit Baumöl verdient als Schutzmittel versucht zu werden. Die Behandlung der Pestkranken endlich muß in der Hauptsache eine diätetische sein. Man sorgt für reine frische Luft, wendet gutes Wasser innerlich und äußerlich an und läßt den Patienten Limonaden und andere kühlende Getränke trinken. Massaria in Vicenza hat (1576) Aderlässe mit Erfolg angewandt. Ander empfiehlt Brech¬ mittel und Phosphor, doch gebrauchte er in einigen Fällen auch Haschisch. Indeß sind die Resultate dieser Kuren fast immer kläglich gewesen; denn ge¬ wöhnlich entging kaum ein Zehntheil der Erkrankten dem Tode. Vergleichen wir zum Schluß mit diesen meist auf Beobachtungen deutscher und französischer Aerzte in Aegypten beruhenden Meinungen der medizinischen Wissenschaft in Betreff der Pest mit dem ausführlichen Berichte des Dr. Depuer,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/210>, abgerufen am 01.10.2024.