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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Arbeiterverhältnisse zu studiren. Die Frucht dieser Reise liegt jetzt, unter dem
Titel "Nordamerikanische Arbeiterverhältnisse", in einem stattlichen Bande,
(Leipzig, Duncker und Humblot) uns vor.

Das Werk von 570 Seiten zerfällt in folgende 21 Abschnitte: Geogra¬
phische Vertheilung der Wirthschaft -- Wohnungsverhältnisse -- Nahrung,
Kleidung, Beleuchtung, Heizung -- Arbeitszeit -- Löhne, Löhnungsmethoden,
Gewinnbetheiligung -- Arbeiterbudget -- Frauenarbeit -- Kinderarbeit --
Lehrlinge -- Wohlfahrtseinrichtungen -- Gesundheit -- Hilfsgesellschaften --
Genossenschaften -- Kommunistische Gesellschaften -- Gewerkvereine und Arbeit--
gebervereinigungen -- Molly Maguires -- Streiks und Lockouts -- Lei¬
stungen -- Lautsystem -- Arbeiterbewegungen -- Gesetzgebung. Wer auch
nur diese Ueberschriften liest, erkennt den Umfang und die Mannichfaltigkeit der
gestellten Aufgabe und ahnt die Schwierigkeiten der Einsammlung und Sichtung
des Materials. Erfährt er vollends, daß der Verfasser mir von Ende Juni
bis zum 9. September 1876 in Amerika zubrachte, also wenig über zwei
Jahre zur Ausarbeitung des. Werkes brauchte, so wird er nach Prüfung des
Inhalts ihm gern zugestehen, daß er seine Zeit wohl ausgenutzt hat, und daß
er zu sehen und zwar mit nationalökonomisch gebildetem Sinne zu sehen ver¬
steht. Durch das angezogene Motto (Sirach 18, 5 u. 6) deutet er an, daß er
sich bewußt ist, nichts Erschöpfendes, Vollkommenes, von Irrungen Freies ge¬
liefert zu haben; jeder verständig Urtheilende wird ihm aber bezeugen, daß er
"sein Bestes gethan" und etwas Gutes geliefert hat, wohl geeignet, anch bei
uns Fruchtkörner auszustreuen.

Aus der Fülle seiner belehrenden Mittheilungen sei hier nur Einiges
hervorgehoben.

Ein anziehendes Bild tritt uns entgegen in der Schilderung eines Arbeiter¬
hauses in Philadelphia. Es hat eine äußere Treppe von weißem Marmor,
eine innere ist mit Teppich belegt. Das Haus besteht aus 7 Räumen, einem
Wohn-, einem Eßzimmer und 3 Schlafstuben für Eltern, Töchter und Söhne,
Badekabinet und Küche. In dem durchaus beteppichten Wohnzimmer sind
hübsche, zweckmäßig konstruirte, gut gehaltene Möbel, ein Pianino, eine kleine
Büchersammlung; Wasserleitung ist stets vorhanden, desgleichen Hofraum.
Monatsmiethe 60 Mark. Das ist ein Arbeiterhaus, wie deren in Menge in
Philadelphia -- allerdings der bedeutendsten Industriestadt der Union -- exi-
stiren. In geringeren Straßen gibt es ebenso geräumige Quartiere für 40 Mark.
Ein Viertel bis ein Drittel aller Arbeiter wohnen nicht zur Miethe, sondern
in eigenem Hause. Aus der amtlichen Statistik von Massachusetts ist zu ent¬
nehmen, daß unter den Hausbesitzern mehr Handarbeiter sind als Kopfarbeiter
(Beamte, Kaufleute, Lehrer, Aerzte, Werkführer, Journalisten, Künstler :c.),


Arbeiterverhältnisse zu studiren. Die Frucht dieser Reise liegt jetzt, unter dem
Titel „Nordamerikanische Arbeiterverhältnisse", in einem stattlichen Bande,
(Leipzig, Duncker und Humblot) uns vor.

Das Werk von 570 Seiten zerfällt in folgende 21 Abschnitte: Geogra¬
phische Vertheilung der Wirthschaft — Wohnungsverhältnisse — Nahrung,
Kleidung, Beleuchtung, Heizung — Arbeitszeit — Löhne, Löhnungsmethoden,
Gewinnbetheiligung — Arbeiterbudget — Frauenarbeit — Kinderarbeit —
Lehrlinge — Wohlfahrtseinrichtungen — Gesundheit — Hilfsgesellschaften —
Genossenschaften — Kommunistische Gesellschaften — Gewerkvereine und Arbeit--
gebervereinigungen — Molly Maguires — Streiks und Lockouts — Lei¬
stungen — Lautsystem — Arbeiterbewegungen — Gesetzgebung. Wer auch
nur diese Ueberschriften liest, erkennt den Umfang und die Mannichfaltigkeit der
gestellten Aufgabe und ahnt die Schwierigkeiten der Einsammlung und Sichtung
des Materials. Erfährt er vollends, daß der Verfasser mir von Ende Juni
bis zum 9. September 1876 in Amerika zubrachte, also wenig über zwei
Jahre zur Ausarbeitung des. Werkes brauchte, so wird er nach Prüfung des
Inhalts ihm gern zugestehen, daß er seine Zeit wohl ausgenutzt hat, und daß
er zu sehen und zwar mit nationalökonomisch gebildetem Sinne zu sehen ver¬
steht. Durch das angezogene Motto (Sirach 18, 5 u. 6) deutet er an, daß er
sich bewußt ist, nichts Erschöpfendes, Vollkommenes, von Irrungen Freies ge¬
liefert zu haben; jeder verständig Urtheilende wird ihm aber bezeugen, daß er
„sein Bestes gethan" und etwas Gutes geliefert hat, wohl geeignet, anch bei
uns Fruchtkörner auszustreuen.

Aus der Fülle seiner belehrenden Mittheilungen sei hier nur Einiges
hervorgehoben.

Ein anziehendes Bild tritt uns entgegen in der Schilderung eines Arbeiter¬
hauses in Philadelphia. Es hat eine äußere Treppe von weißem Marmor,
eine innere ist mit Teppich belegt. Das Haus besteht aus 7 Räumen, einem
Wohn-, einem Eßzimmer und 3 Schlafstuben für Eltern, Töchter und Söhne,
Badekabinet und Küche. In dem durchaus beteppichten Wohnzimmer sind
hübsche, zweckmäßig konstruirte, gut gehaltene Möbel, ein Pianino, eine kleine
Büchersammlung; Wasserleitung ist stets vorhanden, desgleichen Hofraum.
Monatsmiethe 60 Mark. Das ist ein Arbeiterhaus, wie deren in Menge in
Philadelphia — allerdings der bedeutendsten Industriestadt der Union — exi-
stiren. In geringeren Straßen gibt es ebenso geräumige Quartiere für 40 Mark.
Ein Viertel bis ein Drittel aller Arbeiter wohnen nicht zur Miethe, sondern
in eigenem Hause. Aus der amtlichen Statistik von Massachusetts ist zu ent¬
nehmen, daß unter den Hausbesitzern mehr Handarbeiter sind als Kopfarbeiter
(Beamte, Kaufleute, Lehrer, Aerzte, Werkführer, Journalisten, Künstler :c.),


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[0197] Arbeiterverhältnisse zu studiren. Die Frucht dieser Reise liegt jetzt, unter dem Titel „Nordamerikanische Arbeiterverhältnisse", in einem stattlichen Bande, (Leipzig, Duncker und Humblot) uns vor. Das Werk von 570 Seiten zerfällt in folgende 21 Abschnitte: Geogra¬ phische Vertheilung der Wirthschaft — Wohnungsverhältnisse — Nahrung, Kleidung, Beleuchtung, Heizung — Arbeitszeit — Löhne, Löhnungsmethoden, Gewinnbetheiligung — Arbeiterbudget — Frauenarbeit — Kinderarbeit — Lehrlinge — Wohlfahrtseinrichtungen — Gesundheit — Hilfsgesellschaften — Genossenschaften — Kommunistische Gesellschaften — Gewerkvereine und Arbeit-- gebervereinigungen — Molly Maguires — Streiks und Lockouts — Lei¬ stungen — Lautsystem — Arbeiterbewegungen — Gesetzgebung. Wer auch nur diese Ueberschriften liest, erkennt den Umfang und die Mannichfaltigkeit der gestellten Aufgabe und ahnt die Schwierigkeiten der Einsammlung und Sichtung des Materials. Erfährt er vollends, daß der Verfasser mir von Ende Juni bis zum 9. September 1876 in Amerika zubrachte, also wenig über zwei Jahre zur Ausarbeitung des. Werkes brauchte, so wird er nach Prüfung des Inhalts ihm gern zugestehen, daß er seine Zeit wohl ausgenutzt hat, und daß er zu sehen und zwar mit nationalökonomisch gebildetem Sinne zu sehen ver¬ steht. Durch das angezogene Motto (Sirach 18, 5 u. 6) deutet er an, daß er sich bewußt ist, nichts Erschöpfendes, Vollkommenes, von Irrungen Freies ge¬ liefert zu haben; jeder verständig Urtheilende wird ihm aber bezeugen, daß er „sein Bestes gethan" und etwas Gutes geliefert hat, wohl geeignet, anch bei uns Fruchtkörner auszustreuen. Aus der Fülle seiner belehrenden Mittheilungen sei hier nur Einiges hervorgehoben. Ein anziehendes Bild tritt uns entgegen in der Schilderung eines Arbeiter¬ hauses in Philadelphia. Es hat eine äußere Treppe von weißem Marmor, eine innere ist mit Teppich belegt. Das Haus besteht aus 7 Räumen, einem Wohn-, einem Eßzimmer und 3 Schlafstuben für Eltern, Töchter und Söhne, Badekabinet und Küche. In dem durchaus beteppichten Wohnzimmer sind hübsche, zweckmäßig konstruirte, gut gehaltene Möbel, ein Pianino, eine kleine Büchersammlung; Wasserleitung ist stets vorhanden, desgleichen Hofraum. Monatsmiethe 60 Mark. Das ist ein Arbeiterhaus, wie deren in Menge in Philadelphia — allerdings der bedeutendsten Industriestadt der Union — exi- stiren. In geringeren Straßen gibt es ebenso geräumige Quartiere für 40 Mark. Ein Viertel bis ein Drittel aller Arbeiter wohnen nicht zur Miethe, sondern in eigenem Hause. Aus der amtlichen Statistik von Massachusetts ist zu ent¬ nehmen, daß unter den Hausbesitzern mehr Handarbeiter sind als Kopfarbeiter (Beamte, Kaufleute, Lehrer, Aerzte, Werkführer, Journalisten, Künstler :c.),

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/197>, abgerufen am 05.02.2025.