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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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der König, einen Zug gegen die Ungläubigen zu unternehmen. Man braucht
dabei nicht an die Sarazenen im Oriente zu denken, es können ebenso gut die
in Spanien noch seßhaften Mauren gemeint sein. Die jüdische Quelle scheint
auf das letztere auch insofern hinzuweisen, als die Ungläubigen bestimmt als
Feinde des Königs bezeichnet werden. Andere, wie Grätz, haben an Don
Pedro II. (1196 - 1213) gedacht. Auch er war mit einem Zuge gegen die
Mauren beschäftigt. Denn gleich nach seiner Thronbesteigung, als Aben Jussuf,
der Beherrscher von Marokko, nach der Belagerung Toledo's zu der von Cuenca
schritt, versammelte Pedro all' sein Kriegsvolk in Daroca, dem stärksten Grenz¬
orte der Mauren. Innocenz III. unterstützte ihn bei diesem Kampfe gegen
die Ungläubigen und steuerte selbst durch geistliche Spenden dazu bei. Diese
Thatsache steht mit Verga's Erzählung in noch besserem Einklange. Auch noch
ein anderer Umstand gibt die Wahrscheinlichkeit in die Hand, daß sich die Be¬
gebenheit unter Pedro II. zugetragen haben kann. Die Juden befanden sich
während seiner Regierung in einer günstigen Lage. Der Fürst hatte in der
That solche humane Gesinnungen, wie sie Verga von ihm rühmt. Zwar hatte
er 1204 eine Rom-Fahrt unternommen, bei welcher ihn der Papst zum König
salbte und krönte, und Pedro ihm schwören mußte, seinen Nachfolgern und der
römischen Kirche immer treu und gehorsam zu sein, den katholischen Glauben
vertheidigen und die Ketzer im Lande vertilgen zu wollen. Doch der König
nahm es mit seinem Schwüre nicht so genau. Er kümmerte sich wenig um
die Religionsverschiedenheiten, und es kam während seiner Regierung zu keiner
Judenverfolgung. Auf jeden Fall steht die Geschichte mit der Darstellung
Verga's in keinem Widerspruch. Auch Nikolas ist eine historische Person.
Die jüdische Quelle nennt ihn einen "Weisen", worunter man bei dem etwas
weitschichtigen Begriffe an einen Gelehrten, Schriftsteller oder Dichter denken
kann. Und wirklich führt Johannes Alphonsus de Baena in einer auf der
Bibliothek des Escurial aufbewahrten Handschrift Nikolas von Valencia als
einen hervorragenden Dichter des Mittelalters auf.*)

Vergleichen wir endlich die Relation der jüdischen Quelle mit den italie¬
nischen Bearbeitungen, so stimmt dieselbe nicht nur mit der voraussichtlich ältesten
Fassung der C. N. überein, sondern hebt sich auch nach manchen Beziehungen
noch vortheilhaft von ihr ab. Zunächst handelt es sich in der jüdischen Quelle
gerade so wie in den C. N. nur um zwei Religionen; der Unterschied besteht
blos darin, daß es sich dort um die Alternative zwischen Judenthum und
Christenthum, hier um die zwischen Islam und Judenthum dreht. Was den



*) Vergl, LMiiMsvÄ Hisx^ng. vstus auvtore Mvoliw ^ntovio llisxalevsi eurs,nec
Vriwe. ?frei5lo Kg^erio, II, S> 262.

der König, einen Zug gegen die Ungläubigen zu unternehmen. Man braucht
dabei nicht an die Sarazenen im Oriente zu denken, es können ebenso gut die
in Spanien noch seßhaften Mauren gemeint sein. Die jüdische Quelle scheint
auf das letztere auch insofern hinzuweisen, als die Ungläubigen bestimmt als
Feinde des Königs bezeichnet werden. Andere, wie Grätz, haben an Don
Pedro II. (1196 - 1213) gedacht. Auch er war mit einem Zuge gegen die
Mauren beschäftigt. Denn gleich nach seiner Thronbesteigung, als Aben Jussuf,
der Beherrscher von Marokko, nach der Belagerung Toledo's zu der von Cuenca
schritt, versammelte Pedro all' sein Kriegsvolk in Daroca, dem stärksten Grenz¬
orte der Mauren. Innocenz III. unterstützte ihn bei diesem Kampfe gegen
die Ungläubigen und steuerte selbst durch geistliche Spenden dazu bei. Diese
Thatsache steht mit Verga's Erzählung in noch besserem Einklange. Auch noch
ein anderer Umstand gibt die Wahrscheinlichkeit in die Hand, daß sich die Be¬
gebenheit unter Pedro II. zugetragen haben kann. Die Juden befanden sich
während seiner Regierung in einer günstigen Lage. Der Fürst hatte in der
That solche humane Gesinnungen, wie sie Verga von ihm rühmt. Zwar hatte
er 1204 eine Rom-Fahrt unternommen, bei welcher ihn der Papst zum König
salbte und krönte, und Pedro ihm schwören mußte, seinen Nachfolgern und der
römischen Kirche immer treu und gehorsam zu sein, den katholischen Glauben
vertheidigen und die Ketzer im Lande vertilgen zu wollen. Doch der König
nahm es mit seinem Schwüre nicht so genau. Er kümmerte sich wenig um
die Religionsverschiedenheiten, und es kam während seiner Regierung zu keiner
Judenverfolgung. Auf jeden Fall steht die Geschichte mit der Darstellung
Verga's in keinem Widerspruch. Auch Nikolas ist eine historische Person.
Die jüdische Quelle nennt ihn einen „Weisen", worunter man bei dem etwas
weitschichtigen Begriffe an einen Gelehrten, Schriftsteller oder Dichter denken
kann. Und wirklich führt Johannes Alphonsus de Baena in einer auf der
Bibliothek des Escurial aufbewahrten Handschrift Nikolas von Valencia als
einen hervorragenden Dichter des Mittelalters auf.*)

Vergleichen wir endlich die Relation der jüdischen Quelle mit den italie¬
nischen Bearbeitungen, so stimmt dieselbe nicht nur mit der voraussichtlich ältesten
Fassung der C. N. überein, sondern hebt sich auch nach manchen Beziehungen
noch vortheilhaft von ihr ab. Zunächst handelt es sich in der jüdischen Quelle
gerade so wie in den C. N. nur um zwei Religionen; der Unterschied besteht
blos darin, daß es sich dort um die Alternative zwischen Judenthum und
Christenthum, hier um die zwischen Islam und Judenthum dreht. Was den



*) Vergl, LMiiMsvÄ Hisx^ng. vstus auvtore Mvoliw ^ntovio llisxalevsi eurs,nec
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[0146] der König, einen Zug gegen die Ungläubigen zu unternehmen. Man braucht dabei nicht an die Sarazenen im Oriente zu denken, es können ebenso gut die in Spanien noch seßhaften Mauren gemeint sein. Die jüdische Quelle scheint auf das letztere auch insofern hinzuweisen, als die Ungläubigen bestimmt als Feinde des Königs bezeichnet werden. Andere, wie Grätz, haben an Don Pedro II. (1196 - 1213) gedacht. Auch er war mit einem Zuge gegen die Mauren beschäftigt. Denn gleich nach seiner Thronbesteigung, als Aben Jussuf, der Beherrscher von Marokko, nach der Belagerung Toledo's zu der von Cuenca schritt, versammelte Pedro all' sein Kriegsvolk in Daroca, dem stärksten Grenz¬ orte der Mauren. Innocenz III. unterstützte ihn bei diesem Kampfe gegen die Ungläubigen und steuerte selbst durch geistliche Spenden dazu bei. Diese Thatsache steht mit Verga's Erzählung in noch besserem Einklange. Auch noch ein anderer Umstand gibt die Wahrscheinlichkeit in die Hand, daß sich die Be¬ gebenheit unter Pedro II. zugetragen haben kann. Die Juden befanden sich während seiner Regierung in einer günstigen Lage. Der Fürst hatte in der That solche humane Gesinnungen, wie sie Verga von ihm rühmt. Zwar hatte er 1204 eine Rom-Fahrt unternommen, bei welcher ihn der Papst zum König salbte und krönte, und Pedro ihm schwören mußte, seinen Nachfolgern und der römischen Kirche immer treu und gehorsam zu sein, den katholischen Glauben vertheidigen und die Ketzer im Lande vertilgen zu wollen. Doch der König nahm es mit seinem Schwüre nicht so genau. Er kümmerte sich wenig um die Religionsverschiedenheiten, und es kam während seiner Regierung zu keiner Judenverfolgung. Auf jeden Fall steht die Geschichte mit der Darstellung Verga's in keinem Widerspruch. Auch Nikolas ist eine historische Person. Die jüdische Quelle nennt ihn einen „Weisen", worunter man bei dem etwas weitschichtigen Begriffe an einen Gelehrten, Schriftsteller oder Dichter denken kann. Und wirklich führt Johannes Alphonsus de Baena in einer auf der Bibliothek des Escurial aufbewahrten Handschrift Nikolas von Valencia als einen hervorragenden Dichter des Mittelalters auf.*) Vergleichen wir endlich die Relation der jüdischen Quelle mit den italie¬ nischen Bearbeitungen, so stimmt dieselbe nicht nur mit der voraussichtlich ältesten Fassung der C. N. überein, sondern hebt sich auch nach manchen Beziehungen noch vortheilhaft von ihr ab. Zunächst handelt es sich in der jüdischen Quelle gerade so wie in den C. N. nur um zwei Religionen; der Unterschied besteht blos darin, daß es sich dort um die Alternative zwischen Judenthum und Christenthum, hier um die zwischen Islam und Judenthum dreht. Was den *) Vergl, LMiiMsvÄ Hisx^ng. vstus auvtore Mvoliw ^ntovio llisxalevsi eurs,nec Vriwe. ?frei5lo Kg^erio, II, S> 262.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/146>, abgerufen am 23.07.2024.