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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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selben nicht etwa an den Grundlagen der heutigen Ordnung rütteln, son¬
dern nur der Ansicht sind, daß möglicher Weise soziale Schäden bestehen
könnten, welchen abgeholfen werden müsse. Ein Prachtbeispiel dieser ange¬
nehmen Sorte von Polemik ist die Art, wie Herr M. Block, welcher ja eine
gewisse Rolle ans volkswirthschaftlichen Gebiete spielt weniger durch die Qua¬
lität, als die Quantität der Produkte seiner sehr fleißigen Feder, Professor
Held bekämpft. Letzterer ist gar kein Sozialist im prägnanten Sinne des Wortes;
vielmehr wird er von den eigentlichen Sozialisten wegen seiner gemäßigten An¬
schauungen bekämpft; ein ebenso besonnener und loyaler, wie einsichtiger und
kenntnißreicher Gelehrter, ist er immer ein Bekenner der Freihandelstheorie
gewesen und unterscheidet sich, wie erwähnt, kaum von der Richtung Böhmert.
Trotz alledem -- "Thut nichts, der Ketzer wird verbrannt!" Beispielsweise
überschüttet Herr Block sein Opfer mit den blutigsten Beleidigungen und Vor¬
würfen, weil Held es einmal für gedankenlos erklärt hat, die deutsche Sozial¬
demokratie für das Produkt der raffinirten Redekunst einiger gewissenloser
Agitatoren zu halten, denn eine Partei werde nie allein durch Reden erzeugt;
weil er also eine Anschauung vertreten hat. von welcher das ganze deutsche
Volk vom Reichskanzler bis zum letzten Spießbürger, der noch sein Wochen¬
blättchen zu lesen vermag, tief durchdrungen ist. Mit dem Gegenbeweise macht
es sich Herr Block sehr leicht; er beruft sich auf den Schreiber dieser Zeilen,
der geschichtlich nachgewiesen haben soll, daß die Sozialdemokratie allein durch die
Agitation entstanden sei. Der Nachweis von Verdiensten, die man sich erworben
hat, ohne es selbst zu wissen, mag ja unter Umständen sehr erfreulich sein;
in diesem Falle gleicht er aber einem jener frostigen Scherze, die dem Betrof¬
fenen nach Lessing gleich das kalte Fieber zuziehen können.

Ein dankens- und empfehlenswerthes Unternehmen in der sozialpolitischen
Literatur ist weiter die "Bibliothek der Volkswirthschaftslehre und Gesellschafts¬
wissenschaft", welche F. Stöpel zu Berlin (Expedition des "Merkur") heraus¬
gibt. Es ist ein Lieferungswerk, welches sich die Aufgabe stellt, die hervor¬
ragendsten Werke der nationalökonomischen und sozialen Schriftsteller aller
Nationen in billigen Ausgaben und guten Uebersetzungen dem gebildeten
Publikum zugänglich zu machen. Bisher sind einige zwanzig Lieferungen
erschienen, welche Adam Smith's epochemachendes Werk, Malthus' nicht minder
berühmten Essay über das Bevölkerungsgesetz, Carey's "Einheit des Gesetzes"
und Peshine Smith's "Handbuch der politischen Oekonomie" umfassen. Jede
Lieferung enthält sieben Bogen und kostet eine Mark. Es sollen folgen die
Hauptwerke von Ricardo, Sismondi, Bastiat, Comte, ferner anch der franzö¬
sischen Sozialisten, wie Baboeuf, Blanc, Fourier, Se. Simon :c. Genug, das
ganze Unternehmen foll eine gleichförmige und vollständige Bibliothek der be-


selben nicht etwa an den Grundlagen der heutigen Ordnung rütteln, son¬
dern nur der Ansicht sind, daß möglicher Weise soziale Schäden bestehen
könnten, welchen abgeholfen werden müsse. Ein Prachtbeispiel dieser ange¬
nehmen Sorte von Polemik ist die Art, wie Herr M. Block, welcher ja eine
gewisse Rolle ans volkswirthschaftlichen Gebiete spielt weniger durch die Qua¬
lität, als die Quantität der Produkte seiner sehr fleißigen Feder, Professor
Held bekämpft. Letzterer ist gar kein Sozialist im prägnanten Sinne des Wortes;
vielmehr wird er von den eigentlichen Sozialisten wegen seiner gemäßigten An¬
schauungen bekämpft; ein ebenso besonnener und loyaler, wie einsichtiger und
kenntnißreicher Gelehrter, ist er immer ein Bekenner der Freihandelstheorie
gewesen und unterscheidet sich, wie erwähnt, kaum von der Richtung Böhmert.
Trotz alledem — „Thut nichts, der Ketzer wird verbrannt!" Beispielsweise
überschüttet Herr Block sein Opfer mit den blutigsten Beleidigungen und Vor¬
würfen, weil Held es einmal für gedankenlos erklärt hat, die deutsche Sozial¬
demokratie für das Produkt der raffinirten Redekunst einiger gewissenloser
Agitatoren zu halten, denn eine Partei werde nie allein durch Reden erzeugt;
weil er also eine Anschauung vertreten hat. von welcher das ganze deutsche
Volk vom Reichskanzler bis zum letzten Spießbürger, der noch sein Wochen¬
blättchen zu lesen vermag, tief durchdrungen ist. Mit dem Gegenbeweise macht
es sich Herr Block sehr leicht; er beruft sich auf den Schreiber dieser Zeilen,
der geschichtlich nachgewiesen haben soll, daß die Sozialdemokratie allein durch die
Agitation entstanden sei. Der Nachweis von Verdiensten, die man sich erworben
hat, ohne es selbst zu wissen, mag ja unter Umständen sehr erfreulich sein;
in diesem Falle gleicht er aber einem jener frostigen Scherze, die dem Betrof¬
fenen nach Lessing gleich das kalte Fieber zuziehen können.

Ein dankens- und empfehlenswerthes Unternehmen in der sozialpolitischen
Literatur ist weiter die „Bibliothek der Volkswirthschaftslehre und Gesellschafts¬
wissenschaft", welche F. Stöpel zu Berlin (Expedition des „Merkur") heraus¬
gibt. Es ist ein Lieferungswerk, welches sich die Aufgabe stellt, die hervor¬
ragendsten Werke der nationalökonomischen und sozialen Schriftsteller aller
Nationen in billigen Ausgaben und guten Uebersetzungen dem gebildeten
Publikum zugänglich zu machen. Bisher sind einige zwanzig Lieferungen
erschienen, welche Adam Smith's epochemachendes Werk, Malthus' nicht minder
berühmten Essay über das Bevölkerungsgesetz, Carey's „Einheit des Gesetzes"
und Peshine Smith's „Handbuch der politischen Oekonomie" umfassen. Jede
Lieferung enthält sieben Bogen und kostet eine Mark. Es sollen folgen die
Hauptwerke von Ricardo, Sismondi, Bastiat, Comte, ferner anch der franzö¬
sischen Sozialisten, wie Baboeuf, Blanc, Fourier, Se. Simon :c. Genug, das
ganze Unternehmen foll eine gleichförmige und vollständige Bibliothek der be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/508>, abgerufen am 05.02.2025.