Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.stehen als eine nothwendige Folge der sozialpolitischen Entwickelung und legt Am härtesten urtheilt Scheel über die sozialpolitischen Strebungen der stehen als eine nothwendige Folge der sozialpolitischen Entwickelung und legt Am härtesten urtheilt Scheel über die sozialpolitischen Strebungen der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0503" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141382"/> <p xml:id="ID_1627" prev="#ID_1626"> stehen als eine nothwendige Folge der sozialpolitischen Entwickelung und legt<lb/> zu wenig Gewicht aus die vermeidbaren und zufälligen Umstände, welche nicht<lb/> in letzter Reihe ihr riesiges Anwachsen ermöglicht haben, allein er verliert<lb/> deshalb doch nicht den Blick für den inneren Widerspruch dieser ganzen Partei¬<lb/> bildung, den er vielmehr durch eine feine Bemerkung schlagend aufdeckt. Be¬<lb/> kanntlich stellt Marx unsere gegenwärtige Wirtschaftsform als Vorbereitungs-<lb/> stadinm und Vorschule für die kommunistische Epoche dar, indem er voraussetzt,<lb/> daß unter der Herrschaft der freien Konkurrenz der kleine Besitz vernichtet und<lb/> in die Hände einer geringen Zahl von Großkapitalisten übergehen werde. In<lb/> diesen Großunternehmungen würden die Arbeiter so an das Gefühl der Gleich¬<lb/> heit und das Zusammenarbeiten gewöhnt, daß es nnr noch der Entwickelung<lb/> des nöthigen Grades von Geschäftskenntniß bedürfe, um die „kapitalistische<lb/> Spitze" abzustoßen und das kapitalistische in ein kommunistisches Unternehmen<lb/> zu verwandeln. Mit Recht sagt nun Scheel, daß ein Zustand, welcher erst<lb/> das Ergebniß einer geschichtlichen Entwickelung sein solle, vernünftigerweise gar<lb/> nicht als Grundlage einer Parteiagitation, als das Ziel einer agitatorischen<lb/> Thätigkeit gebraucht werden könne. Gelänge wirklich eine Revolution behufs<lb/> Abschüttelung der „kapitalistischen Spitze" und Einleitung des kommunistischen<lb/> Betriebes, so müßte sie naturnothwendig scheitern, theils aus Mangel an<lb/> „kapitalistischen Spitzen", theils, wo bestehende Großbetriebe wirklich in kom¬<lb/> munistische Genossenschaften umgewandelt werden könnten, aus Mangel an<lb/> geschäftsmäßiger Vorbereitung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1628" next="#ID_1629"> Am härtesten urtheilt Scheel über die sozialpolitischen Strebungen der<lb/> liberalen und speziell der nationalliberalen Partei. In diesen Partien seiner<lb/> Schrift ist er von dem Vorwurfe tendenziöser Beeinflussung seines geschichtlichen<lb/> Urtheils schwer freizusprechen. Darin hat er zwar vollkommen Recht, wenn<lb/> er die liberale als die sozialpolitisch konservativste der bestehenden Parteien<lb/> kennzeichnet, denn in der That ist es ihre Aufgabe, die wirthschaftlichen Er¬<lb/> rungenschaften, welche sie vornemlich hat erzielen helfen, gegen alle Angriffe<lb/> von rechts und links zu erhalten und zu schützen. Aber Herr von Scheel geht<lb/> weiter und schiebt der liberalen Partei in allerdings nur mehr andeutender,<lb/> aber doch auch wieder recht verständlich andeutender Weise unter, daß sie sozial-<lb/> Politisch auf jenem ganz ungeschichtlichen Standpunkte des Beharrens stände,<lb/> welcher die Möglichkeit und vollends die Nothwendigkeit jeder Weiterentwickelung<lb/> leugne. Auch dieser Anschauung ließe sich vielleicht noch zu Gute halten, daß<lb/> sie durch die zu ausschließliche Beachtung vereinzelter Aeußerungen einzelner<lb/> Wortführer der liberalen Wirthschaftspolitik entstanden sei, aber wenn Scheel<lb/> dann endlich einen prinzipiellen, sozialpolitischen Unterschied zwischen der national¬<lb/> liberalen und der Fortschrittspartei statuirt, wenn er jener das dumpfe Be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0503]
stehen als eine nothwendige Folge der sozialpolitischen Entwickelung und legt
zu wenig Gewicht aus die vermeidbaren und zufälligen Umstände, welche nicht
in letzter Reihe ihr riesiges Anwachsen ermöglicht haben, allein er verliert
deshalb doch nicht den Blick für den inneren Widerspruch dieser ganzen Partei¬
bildung, den er vielmehr durch eine feine Bemerkung schlagend aufdeckt. Be¬
kanntlich stellt Marx unsere gegenwärtige Wirtschaftsform als Vorbereitungs-
stadinm und Vorschule für die kommunistische Epoche dar, indem er voraussetzt,
daß unter der Herrschaft der freien Konkurrenz der kleine Besitz vernichtet und
in die Hände einer geringen Zahl von Großkapitalisten übergehen werde. In
diesen Großunternehmungen würden die Arbeiter so an das Gefühl der Gleich¬
heit und das Zusammenarbeiten gewöhnt, daß es nnr noch der Entwickelung
des nöthigen Grades von Geschäftskenntniß bedürfe, um die „kapitalistische
Spitze" abzustoßen und das kapitalistische in ein kommunistisches Unternehmen
zu verwandeln. Mit Recht sagt nun Scheel, daß ein Zustand, welcher erst
das Ergebniß einer geschichtlichen Entwickelung sein solle, vernünftigerweise gar
nicht als Grundlage einer Parteiagitation, als das Ziel einer agitatorischen
Thätigkeit gebraucht werden könne. Gelänge wirklich eine Revolution behufs
Abschüttelung der „kapitalistischen Spitze" und Einleitung des kommunistischen
Betriebes, so müßte sie naturnothwendig scheitern, theils aus Mangel an
„kapitalistischen Spitzen", theils, wo bestehende Großbetriebe wirklich in kom¬
munistische Genossenschaften umgewandelt werden könnten, aus Mangel an
geschäftsmäßiger Vorbereitung.
Am härtesten urtheilt Scheel über die sozialpolitischen Strebungen der
liberalen und speziell der nationalliberalen Partei. In diesen Partien seiner
Schrift ist er von dem Vorwurfe tendenziöser Beeinflussung seines geschichtlichen
Urtheils schwer freizusprechen. Darin hat er zwar vollkommen Recht, wenn
er die liberale als die sozialpolitisch konservativste der bestehenden Parteien
kennzeichnet, denn in der That ist es ihre Aufgabe, die wirthschaftlichen Er¬
rungenschaften, welche sie vornemlich hat erzielen helfen, gegen alle Angriffe
von rechts und links zu erhalten und zu schützen. Aber Herr von Scheel geht
weiter und schiebt der liberalen Partei in allerdings nur mehr andeutender,
aber doch auch wieder recht verständlich andeutender Weise unter, daß sie sozial-
Politisch auf jenem ganz ungeschichtlichen Standpunkte des Beharrens stände,
welcher die Möglichkeit und vollends die Nothwendigkeit jeder Weiterentwickelung
leugne. Auch dieser Anschauung ließe sich vielleicht noch zu Gute halten, daß
sie durch die zu ausschließliche Beachtung vereinzelter Aeußerungen einzelner
Wortführer der liberalen Wirthschaftspolitik entstanden sei, aber wenn Scheel
dann endlich einen prinzipiellen, sozialpolitischen Unterschied zwischen der national¬
liberalen und der Fortschrittspartei statuirt, wenn er jener das dumpfe Be-
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