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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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bestehenden Rechtes dar, wonach die betreffenden Vorrechte der Krone, in Folge
der Koexistenz der ebenso absoluten Rechte des Abgeordnetenhauses bezüglich
des Budgets beschränkt seien, und Huret legte der Vorlage sogar die ganz
prinzipielle und präjudizielle Bedeutung eines Eingeständnisses der Regierung
bei, daß neue Organisationen der Ministerien, selbst wenn sie sich innerhalb
der bewilligten Summe halten, doch nur auf Grund etatsmäßiger Bewilligungen
des Hauses geschehen dürften. Nun konnte der schweigsame Vertreter des
Ministerpräsidenten nicht mehr schweigen. Graf Stollberg's Aufgabe bei dieser
seiner ersten Rede war nicht klein. Während einerseits der Regierung beim
besten Willen nichts übrig blieb, als den veralteten Standpunkt wieder aufzu¬
nehmen, kam es andererseits Darauf an, Schroffheiten dabei zu vermeiden.
Ein geschickter Minister hätte sich hier zwingen können; aber was mußten wir
sehen? Graf Stollberg entledigte sich der Aufgabe mit Ungeschick, indem er
das Recht der Regierung zu einseitigem Vorgehen in viel schärferer Form als
nöthig wahrte, ohne zu bedenken, daß er dadurch den Widerspruch gegen die
Thatsache der Vorlage nur vergrößerte. Es kam das freilich wohl hauptsächlich
von des Grafen großer Verlegenheit und Befangenheit. Auch ist er nichts
weniger als ein Redner. Die ganze Lage wurde aber für die Negierung erst
recht fatal, als Reichensperger nachwies, daß das Obertribunal den Erlaß vom
10. Oktober 1810, auf welchem bisher die Ressort-Eintheilung der Ministerien
beruhte, für einen solchen erklärt habe, dem auch für die damalige Zeit des
absoluten Staats die volle Bedeutung eines Gesetzes beizulegen sei, sodaß also
Stollberg's Erklärung, daß die jetzige Vorlage nur freiwillig und aus Nütz-
lichkeitsgründen erfolgt sei, recht wuchtig Lügen gestraft wurde. Nun meinten
Konservative wie von Zedlitz und Meyer-Arnswalde herbeieilen zu müssen, um
ministerieller als das Ministerium für die Sache der Regierung auftreten zu
müssen, allein glücklicher Weise wurde die ebenso unfruchtbare als nahe an
die bedenklichsten Konflikte streifende Verhandlung beendet.

Einen minder seriösen, vielmehr gemüthlichen Anstrich hatte die am
4. Dezember begonnene Berathung des Theils des Etats, für welchen diesmal
eine Kommissionsberathung nicht für nöthig befunden war. Bei der Verhand¬
lung über das landwirtschaftliche Ministerium ließ sich Friedenthal mit ge¬
wohnter Geschäftigkeit angelegen sein, beruhigende Eröffnungen über die Hand¬
habung des Fischereigesetzes, Regulirung von Weichsel und Nogat, sowie der
Erntestatistik zu machen; Männer wie Sombart konnten sich nach Lust über
die Rotzkrankheit der Pferde ergehen und Anderen war sogar gestattet, von der
Tribüne zum Fischessen mit Wein einzuladen und über diesen wichtigen Punkt
zu diskutiren. Wer weiß, ob sich nun das Zentrum nicht demnächst ähnliche
Späße austeilte.


bestehenden Rechtes dar, wonach die betreffenden Vorrechte der Krone, in Folge
der Koexistenz der ebenso absoluten Rechte des Abgeordnetenhauses bezüglich
des Budgets beschränkt seien, und Huret legte der Vorlage sogar die ganz
prinzipielle und präjudizielle Bedeutung eines Eingeständnisses der Regierung
bei, daß neue Organisationen der Ministerien, selbst wenn sie sich innerhalb
der bewilligten Summe halten, doch nur auf Grund etatsmäßiger Bewilligungen
des Hauses geschehen dürften. Nun konnte der schweigsame Vertreter des
Ministerpräsidenten nicht mehr schweigen. Graf Stollberg's Aufgabe bei dieser
seiner ersten Rede war nicht klein. Während einerseits der Regierung beim
besten Willen nichts übrig blieb, als den veralteten Standpunkt wieder aufzu¬
nehmen, kam es andererseits Darauf an, Schroffheiten dabei zu vermeiden.
Ein geschickter Minister hätte sich hier zwingen können; aber was mußten wir
sehen? Graf Stollberg entledigte sich der Aufgabe mit Ungeschick, indem er
das Recht der Regierung zu einseitigem Vorgehen in viel schärferer Form als
nöthig wahrte, ohne zu bedenken, daß er dadurch den Widerspruch gegen die
Thatsache der Vorlage nur vergrößerte. Es kam das freilich wohl hauptsächlich
von des Grafen großer Verlegenheit und Befangenheit. Auch ist er nichts
weniger als ein Redner. Die ganze Lage wurde aber für die Negierung erst
recht fatal, als Reichensperger nachwies, daß das Obertribunal den Erlaß vom
10. Oktober 1810, auf welchem bisher die Ressort-Eintheilung der Ministerien
beruhte, für einen solchen erklärt habe, dem auch für die damalige Zeit des
absoluten Staats die volle Bedeutung eines Gesetzes beizulegen sei, sodaß also
Stollberg's Erklärung, daß die jetzige Vorlage nur freiwillig und aus Nütz-
lichkeitsgründen erfolgt sei, recht wuchtig Lügen gestraft wurde. Nun meinten
Konservative wie von Zedlitz und Meyer-Arnswalde herbeieilen zu müssen, um
ministerieller als das Ministerium für die Sache der Regierung auftreten zu
müssen, allein glücklicher Weise wurde die ebenso unfruchtbare als nahe an
die bedenklichsten Konflikte streifende Verhandlung beendet.

Einen minder seriösen, vielmehr gemüthlichen Anstrich hatte die am
4. Dezember begonnene Berathung des Theils des Etats, für welchen diesmal
eine Kommissionsberathung nicht für nöthig befunden war. Bei der Verhand¬
lung über das landwirtschaftliche Ministerium ließ sich Friedenthal mit ge¬
wohnter Geschäftigkeit angelegen sein, beruhigende Eröffnungen über die Hand¬
habung des Fischereigesetzes, Regulirung von Weichsel und Nogat, sowie der
Erntestatistik zu machen; Männer wie Sombart konnten sich nach Lust über
die Rotzkrankheit der Pferde ergehen und Anderen war sogar gestattet, von der
Tribüne zum Fischessen mit Wein einzuladen und über diesen wichtigen Punkt
zu diskutiren. Wer weiß, ob sich nun das Zentrum nicht demnächst ähnliche
Späße austeilte.


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[0436] bestehenden Rechtes dar, wonach die betreffenden Vorrechte der Krone, in Folge der Koexistenz der ebenso absoluten Rechte des Abgeordnetenhauses bezüglich des Budgets beschränkt seien, und Huret legte der Vorlage sogar die ganz prinzipielle und präjudizielle Bedeutung eines Eingeständnisses der Regierung bei, daß neue Organisationen der Ministerien, selbst wenn sie sich innerhalb der bewilligten Summe halten, doch nur auf Grund etatsmäßiger Bewilligungen des Hauses geschehen dürften. Nun konnte der schweigsame Vertreter des Ministerpräsidenten nicht mehr schweigen. Graf Stollberg's Aufgabe bei dieser seiner ersten Rede war nicht klein. Während einerseits der Regierung beim besten Willen nichts übrig blieb, als den veralteten Standpunkt wieder aufzu¬ nehmen, kam es andererseits Darauf an, Schroffheiten dabei zu vermeiden. Ein geschickter Minister hätte sich hier zwingen können; aber was mußten wir sehen? Graf Stollberg entledigte sich der Aufgabe mit Ungeschick, indem er das Recht der Regierung zu einseitigem Vorgehen in viel schärferer Form als nöthig wahrte, ohne zu bedenken, daß er dadurch den Widerspruch gegen die Thatsache der Vorlage nur vergrößerte. Es kam das freilich wohl hauptsächlich von des Grafen großer Verlegenheit und Befangenheit. Auch ist er nichts weniger als ein Redner. Die ganze Lage wurde aber für die Negierung erst recht fatal, als Reichensperger nachwies, daß das Obertribunal den Erlaß vom 10. Oktober 1810, auf welchem bisher die Ressort-Eintheilung der Ministerien beruhte, für einen solchen erklärt habe, dem auch für die damalige Zeit des absoluten Staats die volle Bedeutung eines Gesetzes beizulegen sei, sodaß also Stollberg's Erklärung, daß die jetzige Vorlage nur freiwillig und aus Nütz- lichkeitsgründen erfolgt sei, recht wuchtig Lügen gestraft wurde. Nun meinten Konservative wie von Zedlitz und Meyer-Arnswalde herbeieilen zu müssen, um ministerieller als das Ministerium für die Sache der Regierung auftreten zu müssen, allein glücklicher Weise wurde die ebenso unfruchtbare als nahe an die bedenklichsten Konflikte streifende Verhandlung beendet. Einen minder seriösen, vielmehr gemüthlichen Anstrich hatte die am 4. Dezember begonnene Berathung des Theils des Etats, für welchen diesmal eine Kommissionsberathung nicht für nöthig befunden war. Bei der Verhand¬ lung über das landwirtschaftliche Ministerium ließ sich Friedenthal mit ge¬ wohnter Geschäftigkeit angelegen sein, beruhigende Eröffnungen über die Hand¬ habung des Fischereigesetzes, Regulirung von Weichsel und Nogat, sowie der Erntestatistik zu machen; Männer wie Sombart konnten sich nach Lust über die Rotzkrankheit der Pferde ergehen und Anderen war sogar gestattet, von der Tribüne zum Fischessen mit Wein einzuladen und über diesen wichtigen Punkt zu diskutiren. Wer weiß, ob sich nun das Zentrum nicht demnächst ähnliche Späße austeilte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/436>, abgerufen am 05.02.2025.