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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Kaffern hatten bald aus Zweigen ein großes Bauer hergestellt, es wurde hinten
querüber im Wagen plazirt und die possirlichen in kurzer Zeit schon zahmen
und zutraulichen Thierchen hineingethan, die nun so mit uns reisten. Kamen
wir an einen Halteplatz, so wurden sie herausgenommen, und dann weideten
sie friedlich und ohne Scheu um den Wagen herum; ihre Nahrung bestand in
den jungen zarten Grassprossen. Wenn ganz jung eingefangen, wird der
Strauß, namentlich wenn man immer in seiner Gesellschaft bleibt, ganz un¬
gemein zahm. Es ist dies um so auffallender, weil ein nur wenige Wochen
alter, in der Wildniß aufgewachsener Vogel eins der scheuesten und vorsichtigsten
Geschöpfe ist. Wie Robinson auf seiner einsamen Insel Juan Fercmdez mit
einer Ziege Freundschaft schloß, so schloß ich mich hier an meine Strauße an.
Bald unterschieden s<e mich von den Kaffern, und machte ich Spaziergänge, so
liefen sie wie Hausthiere hinterdrein. Kaum vier Wochen alt, war ihr Lauf
schon ein so rascher, daß keiner meiner Leute sie erHaschen konnte. Im Stand¬
lager blieben sie mitunter den ganzen Tag über fort, kamen aber regelmäßig,
wie die Ochsen und Ziegen, in deren Gesellschaft sie weideten, Abends zu den
Zelten zurück. Ihre Treue belohnte ich dann, indem ich einen Löffel voll
groben Salzes für sie ausstreute, das sie begierig aufpickten. Später, als sie
mehr und mehr heranwuchsen und ihre Formen riesige Verhältnisse annahmen,
hielt die Kapazität ihrer Verdauungsorgane gleichen Schritt mit der Entwicke¬
lung ihrer Leiber. Sie verschluckten jetzt mit den Knochen daran ganze Kote¬
letten, Mais, gekochtes Büffelfleisch, Ziegenrippen, ja einmal sogar ein Taschen¬
messer mit drei Klingen daran, ohne den geringsten Nachtheil davon zu spüren.
Um kurz zu sein, führe ich uur noch an, daß ich mit vier von diesen Vögeln
später über eine Entfernung von mindestens 340 deutschen Meilen gewandert
bin. Bei uns im Lager groß geworden, waren sie an Gewehrfeuer gewöhnt
wie alte Grenadiere; sah ich sie ans meinen Jagdzügen im Busche herumlaufen,
so brauchte ich nur zu schießen, wenn ich sie neben mir haben wollte, sie liefen
dann sofort wie auf einen Lockruf herbei."

Mehr Beweise bedarf es nicht, um zu zeigen, wie außerordentlich leicht
Strauße zähmbar sind. Es bestätigen dies überdem unsere zoologischen Gärten
und die vielen im ^rain et'nix'liinuwiimi zu Paris angestellten Versuche.
Der Strauß kann also in zusagendem Klima und zusagender Umgebung heerden-
weise wie die Schafe gezüchtet und zum völligen Hausthiere des Menschen
gemacht werden.

Eine naturwissenschaftliche Beschreibung des Straußes wäre hier uicht
am Platze, doch wollen wir, da der Vogel für uns jetzt eine so große Wichtig¬
keit erlangt hat, noch weniges Wissenswerthe hierhersetzen, wobei wir dem besten
Kenner des Thieres, dein Schweden Andersson folgen, der ihm in seinen


Kaffern hatten bald aus Zweigen ein großes Bauer hergestellt, es wurde hinten
querüber im Wagen plazirt und die possirlichen in kurzer Zeit schon zahmen
und zutraulichen Thierchen hineingethan, die nun so mit uns reisten. Kamen
wir an einen Halteplatz, so wurden sie herausgenommen, und dann weideten
sie friedlich und ohne Scheu um den Wagen herum; ihre Nahrung bestand in
den jungen zarten Grassprossen. Wenn ganz jung eingefangen, wird der
Strauß, namentlich wenn man immer in seiner Gesellschaft bleibt, ganz un¬
gemein zahm. Es ist dies um so auffallender, weil ein nur wenige Wochen
alter, in der Wildniß aufgewachsener Vogel eins der scheuesten und vorsichtigsten
Geschöpfe ist. Wie Robinson auf seiner einsamen Insel Juan Fercmdez mit
einer Ziege Freundschaft schloß, so schloß ich mich hier an meine Strauße an.
Bald unterschieden s<e mich von den Kaffern, und machte ich Spaziergänge, so
liefen sie wie Hausthiere hinterdrein. Kaum vier Wochen alt, war ihr Lauf
schon ein so rascher, daß keiner meiner Leute sie erHaschen konnte. Im Stand¬
lager blieben sie mitunter den ganzen Tag über fort, kamen aber regelmäßig,
wie die Ochsen und Ziegen, in deren Gesellschaft sie weideten, Abends zu den
Zelten zurück. Ihre Treue belohnte ich dann, indem ich einen Löffel voll
groben Salzes für sie ausstreute, das sie begierig aufpickten. Später, als sie
mehr und mehr heranwuchsen und ihre Formen riesige Verhältnisse annahmen,
hielt die Kapazität ihrer Verdauungsorgane gleichen Schritt mit der Entwicke¬
lung ihrer Leiber. Sie verschluckten jetzt mit den Knochen daran ganze Kote¬
letten, Mais, gekochtes Büffelfleisch, Ziegenrippen, ja einmal sogar ein Taschen¬
messer mit drei Klingen daran, ohne den geringsten Nachtheil davon zu spüren.
Um kurz zu sein, führe ich uur noch an, daß ich mit vier von diesen Vögeln
später über eine Entfernung von mindestens 340 deutschen Meilen gewandert
bin. Bei uns im Lager groß geworden, waren sie an Gewehrfeuer gewöhnt
wie alte Grenadiere; sah ich sie ans meinen Jagdzügen im Busche herumlaufen,
so brauchte ich nur zu schießen, wenn ich sie neben mir haben wollte, sie liefen
dann sofort wie auf einen Lockruf herbei."

Mehr Beweise bedarf es nicht, um zu zeigen, wie außerordentlich leicht
Strauße zähmbar sind. Es bestätigen dies überdem unsere zoologischen Gärten
und die vielen im ^rain et'nix'liinuwiimi zu Paris angestellten Versuche.
Der Strauß kann also in zusagendem Klima und zusagender Umgebung heerden-
weise wie die Schafe gezüchtet und zum völligen Hausthiere des Menschen
gemacht werden.

Eine naturwissenschaftliche Beschreibung des Straußes wäre hier uicht
am Platze, doch wollen wir, da der Vogel für uns jetzt eine so große Wichtig¬
keit erlangt hat, noch weniges Wissenswerthe hierhersetzen, wobei wir dem besten
Kenner des Thieres, dein Schweden Andersson folgen, der ihm in seinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/391>, abgerufen am 05.02.2025.