Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.anscheinend genaueren Ausdrucke lediglich deshalb wieder abgesehen, um nicht Versuche zur Erschwerung mißbräuchlicher Anwendung des Gesetzes sowie anscheinend genaueren Ausdrucke lediglich deshalb wieder abgesehen, um nicht Versuche zur Erschwerung mißbräuchlicher Anwendung des Gesetzes sowie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140918"/> <p xml:id="ID_107" prev="#ID_106"> anscheinend genaueren Ausdrucke lediglich deshalb wieder abgesehen, um nicht<lb/> den Sozialdemokraten damit Hinterthüren zu öffnen, die jetzt vielleicht noch<lb/> nicht sichtbar sind. Durch einen von Laster veranlaßten Beschluß hat sich die<lb/> Bestimmung von einer Verwarnung, welche dem Verbote einer periodischen<lb/> Druckschrift vorangehen soll, in dieses Gesetz verirrt. Es führt das nur ganz<lb/> unnöthig zu längerem Leben eines Blattes, welches den Tod reichlich ver¬<lb/> dient hat. Auf Besserung ist bei wirklich sozialdemokratischen Blättern nicht<lb/> Zu rechnen. Uebel angebrachte Humanität hat uns schon im Strafgesetzbuchs<lb/> vielen Schaden gebracht. Auffallend ist andererseits der zu Z 12 gefaßte Be¬<lb/> schluß, daß die Unkenntniß des Verbots eines Vereins von der Straffälligkeit<lb/> nicht ausschließen soll. Die Bestimmung wegen Untersagung des Gewerbebe¬<lb/> triebs ist, nach den Vorschlägen der Konservativen, von einer vorgängigen Ver¬<lb/> warnung abhängig gemacht und in einer Fassung genehmigt, welche den Ge¬<lb/> werbetreibenden wahrscheinlich größere Beruhigung gewähren wird. Die Be¬<lb/> stimmung, daß Druckereien, welche geschäftsmäßig zur Förderung der betreffen¬<lb/> den Bestrebungen benutzt werden, geschlossen werden können, ist seltsamer Weise<lb/> gestrichen. Für die Verhängung des sogenannten zivilem Belagerungszustands<lb/> ist die Bedrohung der öffentlichen Sicherheit mit unmittelbarer Gefahr als Be-<lb/> dingung gesetzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_108" next="#ID_109"> Versuche zur Erschwerung mißbräuchlicher Anwendung des Gesetzes sowie<lb/> der möglichsten Ausschließung einer Mitleidenschaft anderer Bevölkerungsklasseu<lb/> mußten allerdings gemacht werden; es ist aber nicht zu verkennen, daß dies nur<lb/> geschehen konnte, indem in das Gesetz, zu dessen möglichster Wirksamkeit großes<lb/> Vertrauen zu den ausführenden Behörden erforderlich ist, nothwendig eine<lb/> Dosis gerade entgegengesetzten Geistes hineingetragen werde. Das ist nun ein¬<lb/> mal ein Verhängniß für dieses Gesetz, welches nicht abzuwenden stand; es kam<lb/> nur darauf an, jene Dosis so klein wie möglich zu greifen. Wir erkennen nun<lb/> an, daß auf der hierdurch gezogenen oft haarscharfen Kante die Balance in<lb/> den meisten Fällen nicht verloren ist, wenigstens soweit sich vorerst nach dem<lb/> Wortlaute der geänderten Paragraphen urtheilen läßt; es läßt sich aber die<lb/> Möglichkeit noch nicht ausschließen, daß sich später herausstellt, dem Gesetze sei<lb/> in der Praxis infolge einzelner Aenderungen der Kommission die Schärfe ge¬<lb/> nommen. Die Besorgniß, daß beim besten. Willen am Ende zu viel gedoktort<lb/> werde, konnten wir nicht los werden, begreifen auch vollkommen, daß eine<lb/> nervöse Natur sich bei gleicher Befürchtung recht aufregen konnte; das mindert<lb/> jedoch die ungemeine Taktlosigkeit des Zwischenrufs nicht, welchen die für zu¬<lb/> weilen vom Kanzler inspirirt geltende „norddeutsche Allgemeine Zeitung" sich<lb/> am 23. September erlaubte. Bei einem Reitpferde mag ein unmotivirter Hieb<lb/> mit der Gerte für alle Fälle ganz heilsam sein; gegenüber dem äußerlich noch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
anscheinend genaueren Ausdrucke lediglich deshalb wieder abgesehen, um nicht
den Sozialdemokraten damit Hinterthüren zu öffnen, die jetzt vielleicht noch
nicht sichtbar sind. Durch einen von Laster veranlaßten Beschluß hat sich die
Bestimmung von einer Verwarnung, welche dem Verbote einer periodischen
Druckschrift vorangehen soll, in dieses Gesetz verirrt. Es führt das nur ganz
unnöthig zu längerem Leben eines Blattes, welches den Tod reichlich ver¬
dient hat. Auf Besserung ist bei wirklich sozialdemokratischen Blättern nicht
Zu rechnen. Uebel angebrachte Humanität hat uns schon im Strafgesetzbuchs
vielen Schaden gebracht. Auffallend ist andererseits der zu Z 12 gefaßte Be¬
schluß, daß die Unkenntniß des Verbots eines Vereins von der Straffälligkeit
nicht ausschließen soll. Die Bestimmung wegen Untersagung des Gewerbebe¬
triebs ist, nach den Vorschlägen der Konservativen, von einer vorgängigen Ver¬
warnung abhängig gemacht und in einer Fassung genehmigt, welche den Ge¬
werbetreibenden wahrscheinlich größere Beruhigung gewähren wird. Die Be¬
stimmung, daß Druckereien, welche geschäftsmäßig zur Förderung der betreffen¬
den Bestrebungen benutzt werden, geschlossen werden können, ist seltsamer Weise
gestrichen. Für die Verhängung des sogenannten zivilem Belagerungszustands
ist die Bedrohung der öffentlichen Sicherheit mit unmittelbarer Gefahr als Be-
dingung gesetzt.
Versuche zur Erschwerung mißbräuchlicher Anwendung des Gesetzes sowie
der möglichsten Ausschließung einer Mitleidenschaft anderer Bevölkerungsklasseu
mußten allerdings gemacht werden; es ist aber nicht zu verkennen, daß dies nur
geschehen konnte, indem in das Gesetz, zu dessen möglichster Wirksamkeit großes
Vertrauen zu den ausführenden Behörden erforderlich ist, nothwendig eine
Dosis gerade entgegengesetzten Geistes hineingetragen werde. Das ist nun ein¬
mal ein Verhängniß für dieses Gesetz, welches nicht abzuwenden stand; es kam
nur darauf an, jene Dosis so klein wie möglich zu greifen. Wir erkennen nun
an, daß auf der hierdurch gezogenen oft haarscharfen Kante die Balance in
den meisten Fällen nicht verloren ist, wenigstens soweit sich vorerst nach dem
Wortlaute der geänderten Paragraphen urtheilen läßt; es läßt sich aber die
Möglichkeit noch nicht ausschließen, daß sich später herausstellt, dem Gesetze sei
in der Praxis infolge einzelner Aenderungen der Kommission die Schärfe ge¬
nommen. Die Besorgniß, daß beim besten. Willen am Ende zu viel gedoktort
werde, konnten wir nicht los werden, begreifen auch vollkommen, daß eine
nervöse Natur sich bei gleicher Befürchtung recht aufregen konnte; das mindert
jedoch die ungemeine Taktlosigkeit des Zwischenrufs nicht, welchen die für zu¬
weilen vom Kanzler inspirirt geltende „norddeutsche Allgemeine Zeitung" sich
am 23. September erlaubte. Bei einem Reitpferde mag ein unmotivirter Hieb
mit der Gerte für alle Fälle ganz heilsam sein; gegenüber dem äußerlich noch
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