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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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wieder aufgewärmt.*) Ich wende mich jetzt, nach diesen allgemeinen Bemer¬
kungen, zu einer Besprechung der angeblichen Resultate, die uns mit mehr oder
weniger Recht geboten werden. Um Wiederholungen zu vermeiden, ziehe ich es
vor, die betreffenden Ereignisse und nicht die einzelnen Schriften der Reihe
nach in's Auge zu fassen,**)

Aufenthalt in Frankreich, Jugend und erste Ehe. Ueber die
Jugendjahre Maria Stuart's, ihren Aufenthalt und ihre Erziehung am Hofe
Heinrich's II, wird unser Wissen durch keine der genannten Schriften irgend¬
wie bereichert. Die Talente der jugendlichen Königin werden meist, wie dieses
auch bisher schon üblich war, über Gebühr verherrlicht und gepriesen. Meline
stempelt Maria zu einem wahren Wunderkinde. Sie habe, schreibt er, bis
zum 6. Lebensjahre Geographie, Geschichte und Lateinisch gelernt; ihre Fort¬
schritte nennt er mit Petit "raxüä", ohne irgendwie dazu berechtigt zu sein.
Die Aufsätze, welche uns von der Hand der 12jährigen Königin erhalten sind,
verrathen, wie auch von Burton mit Recht hervorgehoben wird, wohl einen
aufgeweckten Verstand, indessen nichts für ihr Alter Ungewöhnliches.***) Die
Briefe Maria's aus dieser Zeit, sowie die vielgepriesenen Jugendgedichte werden
schwerlich ohne die übliche Beihilfe entstanden sein. Daß die junge Königin
Italienisch gut verstanden habe, ist nicht erwiesen, Unterricht darin wird sie
wohl gehabt haben; daß ihre Kenntnisse im Lateinischen, Italienischen und
Griechischen "wundervoll" gewesen seien, wird uns nur von Brantöme ver¬
sichert. Petit behauptet allerdings in Folge dessen geradezu, sie habe neben
Ariost und Petrarka auch den Homer gelesen; f) und nicht minder wunderlich
ist Gauthier's Ansicht, daß der Hof Heinrich's II. gerade dazu gemacht gewesen
sei, ihre guten Anlagen zur Entfaltung zu bringen. Ihre halbklassische Bildung
verdankte die junge Königin von Schottland ihrem Oheim, dem Kardinal von
Lothringen, und der Aufsicht der gelehrten und trefflichen Margaretha von
Frankreich, der späteren Gemahlin Philibert Emanuel's von Savoyen. Am
Hofe Heinrich's II. konnte sie hingegen nur Schlechtes lernen. Fronde, der
bei jeder Gelegenheit Maria's Treulosigkeit zu betonen liebt, greift auch ihr






*) In Frankreich haben beide Publikationen eine überaus günstige Kritik erfahren
und sind mit gewohnter Parteilichkeit begrüßt worden. Man vgl. H, Walton, Mirng.1 äos
8g.of.ut8. 5"nvisr 1877 und Wicsener, Rsvus ach a.us8lion8 liistorignss ?. XXI, x. 213 fg.
'
**) Ich beschränke mich dabei auf einige der Hauptmomente in Marias Leben. Es
würde auch den Rahmen dieser Artikel weit übersteigen, wollte ich auf die zahlreichen
Details, deren Kenntniß wir vor allem dem Ricsenfleiße Fronde's zu verdanken haben, hier
näher eingehen.
Von Anatole de Montaiglon im Auftrage des Warton-Clubs London 18SS publizirt.
f) Gauthier ist hier wenigstens so ehrlich, zu erklären: "1s Zreo no wi tat ^in->.i"
druf imitier.

wieder aufgewärmt.*) Ich wende mich jetzt, nach diesen allgemeinen Bemer¬
kungen, zu einer Besprechung der angeblichen Resultate, die uns mit mehr oder
weniger Recht geboten werden. Um Wiederholungen zu vermeiden, ziehe ich es
vor, die betreffenden Ereignisse und nicht die einzelnen Schriften der Reihe
nach in's Auge zu fassen,**)

Aufenthalt in Frankreich, Jugend und erste Ehe. Ueber die
Jugendjahre Maria Stuart's, ihren Aufenthalt und ihre Erziehung am Hofe
Heinrich's II, wird unser Wissen durch keine der genannten Schriften irgend¬
wie bereichert. Die Talente der jugendlichen Königin werden meist, wie dieses
auch bisher schon üblich war, über Gebühr verherrlicht und gepriesen. Meline
stempelt Maria zu einem wahren Wunderkinde. Sie habe, schreibt er, bis
zum 6. Lebensjahre Geographie, Geschichte und Lateinisch gelernt; ihre Fort¬
schritte nennt er mit Petit „raxüä", ohne irgendwie dazu berechtigt zu sein.
Die Aufsätze, welche uns von der Hand der 12jährigen Königin erhalten sind,
verrathen, wie auch von Burton mit Recht hervorgehoben wird, wohl einen
aufgeweckten Verstand, indessen nichts für ihr Alter Ungewöhnliches.***) Die
Briefe Maria's aus dieser Zeit, sowie die vielgepriesenen Jugendgedichte werden
schwerlich ohne die übliche Beihilfe entstanden sein. Daß die junge Königin
Italienisch gut verstanden habe, ist nicht erwiesen, Unterricht darin wird sie
wohl gehabt haben; daß ihre Kenntnisse im Lateinischen, Italienischen und
Griechischen „wundervoll" gewesen seien, wird uns nur von Brantöme ver¬
sichert. Petit behauptet allerdings in Folge dessen geradezu, sie habe neben
Ariost und Petrarka auch den Homer gelesen; f) und nicht minder wunderlich
ist Gauthier's Ansicht, daß der Hof Heinrich's II. gerade dazu gemacht gewesen
sei, ihre guten Anlagen zur Entfaltung zu bringen. Ihre halbklassische Bildung
verdankte die junge Königin von Schottland ihrem Oheim, dem Kardinal von
Lothringen, und der Aufsicht der gelehrten und trefflichen Margaretha von
Frankreich, der späteren Gemahlin Philibert Emanuel's von Savoyen. Am
Hofe Heinrich's II. konnte sie hingegen nur Schlechtes lernen. Fronde, der
bei jeder Gelegenheit Maria's Treulosigkeit zu betonen liebt, greift auch ihr






*) In Frankreich haben beide Publikationen eine überaus günstige Kritik erfahren
und sind mit gewohnter Parteilichkeit begrüßt worden. Man vgl. H, Walton, Mirng.1 äos
8g.of.ut8. 5»nvisr 1877 und Wicsener, Rsvus ach a.us8lion8 liistorignss ?. XXI, x. 213 fg.
'
**) Ich beschränke mich dabei auf einige der Hauptmomente in Marias Leben. Es
würde auch den Rahmen dieser Artikel weit übersteigen, wollte ich auf die zahlreichen
Details, deren Kenntniß wir vor allem dem Ricsenfleiße Fronde's zu verdanken haben, hier
näher eingehen.
Von Anatole de Montaiglon im Auftrage des Warton-Clubs London 18SS publizirt.
f) Gauthier ist hier wenigstens so ehrlich, zu erklären: „1s Zreo no wi tat ^in->.i«
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[0370] wieder aufgewärmt.*) Ich wende mich jetzt, nach diesen allgemeinen Bemer¬ kungen, zu einer Besprechung der angeblichen Resultate, die uns mit mehr oder weniger Recht geboten werden. Um Wiederholungen zu vermeiden, ziehe ich es vor, die betreffenden Ereignisse und nicht die einzelnen Schriften der Reihe nach in's Auge zu fassen,**) Aufenthalt in Frankreich, Jugend und erste Ehe. Ueber die Jugendjahre Maria Stuart's, ihren Aufenthalt und ihre Erziehung am Hofe Heinrich's II, wird unser Wissen durch keine der genannten Schriften irgend¬ wie bereichert. Die Talente der jugendlichen Königin werden meist, wie dieses auch bisher schon üblich war, über Gebühr verherrlicht und gepriesen. Meline stempelt Maria zu einem wahren Wunderkinde. Sie habe, schreibt er, bis zum 6. Lebensjahre Geographie, Geschichte und Lateinisch gelernt; ihre Fort¬ schritte nennt er mit Petit „raxüä", ohne irgendwie dazu berechtigt zu sein. Die Aufsätze, welche uns von der Hand der 12jährigen Königin erhalten sind, verrathen, wie auch von Burton mit Recht hervorgehoben wird, wohl einen aufgeweckten Verstand, indessen nichts für ihr Alter Ungewöhnliches.***) Die Briefe Maria's aus dieser Zeit, sowie die vielgepriesenen Jugendgedichte werden schwerlich ohne die übliche Beihilfe entstanden sein. Daß die junge Königin Italienisch gut verstanden habe, ist nicht erwiesen, Unterricht darin wird sie wohl gehabt haben; daß ihre Kenntnisse im Lateinischen, Italienischen und Griechischen „wundervoll" gewesen seien, wird uns nur von Brantöme ver¬ sichert. Petit behauptet allerdings in Folge dessen geradezu, sie habe neben Ariost und Petrarka auch den Homer gelesen; f) und nicht minder wunderlich ist Gauthier's Ansicht, daß der Hof Heinrich's II. gerade dazu gemacht gewesen sei, ihre guten Anlagen zur Entfaltung zu bringen. Ihre halbklassische Bildung verdankte die junge Königin von Schottland ihrem Oheim, dem Kardinal von Lothringen, und der Aufsicht der gelehrten und trefflichen Margaretha von Frankreich, der späteren Gemahlin Philibert Emanuel's von Savoyen. Am Hofe Heinrich's II. konnte sie hingegen nur Schlechtes lernen. Fronde, der bei jeder Gelegenheit Maria's Treulosigkeit zu betonen liebt, greift auch ihr *) In Frankreich haben beide Publikationen eine überaus günstige Kritik erfahren und sind mit gewohnter Parteilichkeit begrüßt worden. Man vgl. H, Walton, Mirng.1 äos 8g.of.ut8. 5»nvisr 1877 und Wicsener, Rsvus ach a.us8lion8 liistorignss ?. XXI, x. 213 fg. ' **) Ich beschränke mich dabei auf einige der Hauptmomente in Marias Leben. Es würde auch den Rahmen dieser Artikel weit übersteigen, wollte ich auf die zahlreichen Details, deren Kenntniß wir vor allem dem Ricsenfleiße Fronde's zu verdanken haben, hier näher eingehen. Von Anatole de Montaiglon im Auftrage des Warton-Clubs London 18SS publizirt. f) Gauthier ist hier wenigstens so ehrlich, zu erklären: „1s Zreo no wi tat ^in->.i« druf imitier.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/370>, abgerufen am 05.02.2025.