Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.Weise auch mit einfachen Mitteln und für verhältnißmäßig niedrigen Preis Höchst anerkennenswerthe, wenn anch vorläufig noch schwache Anfänge Weise auch mit einfachen Mitteln und für verhältnißmäßig niedrigen Preis Höchst anerkennenswerthe, wenn anch vorläufig noch schwache Anfänge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0360" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141239"/> <p xml:id="ID_1234" prev="#ID_1233"> Weise auch mit einfachen Mitteln und für verhältnißmäßig niedrigen Preis<lb/> etwas wirklich künstlerisch Werthvolles schaffen lassen, während der ganze jetzt<lb/> grassirende naturalistische Plunder, für den ein enormes Geld bezahlt wird,<lb/> künstlerisch absolut werthlos ist und höchstens den Rang von Kuriositäten<lb/> beanspruchen kaun. Denn welcher Stumpfsinn gehörte dazu, wenn jemand sich<lb/> einbilden wollte, daß jene „Lili im Park", die dort auf der Cigarrenspitze<lb/> die Vögel füttert, auch nur einen Schatten von der Anmuth des Originals be¬<lb/> wahrt hätte! Eine Raffael'sche Madonna in Buntdruck auf dem Deckel einer<lb/> Bonbonniere würde allenfalls in ihrem Kunstwerth mit diesen Erzeugnissen der<lb/> „Meerschanmplastik" zu vergleichen sein, Ist doch bei genauerem Zusehen so<lb/> gut wie alles verzeichnet und verschnitten an diesen Püppchen, und von feinerer<lb/> Modellirung nirgends die Rede.</p><lb/> <p xml:id="ID_1235" next="#ID_1236"> Höchst anerkennenswerthe, wenn anch vorläufig noch schwache Anfänge<lb/> zum Besseren scheinen neuerdings in der Meerschaumwaaren-Industrie von<lb/> Wien auszugehen, das ja, wie in allen übrigen Zweigen, so auch hierin der<lb/> Vorort der deutschen Kunstindustrie ist. Die in Stuttgart (bei I. Engelhorn)<lb/> unter Redaktion von Adolf Schill erscheinende „Gewerbehalle" veröffentlicht im<lb/> sechsten Hefte des laufenden Jahrganges unter anderen die Entwürfe zu einem<lb/> Pfeifenköpfe und zu eiuer Cigarrenspitze vou Otto Girard in Wien, die mit<lb/> dem bisherigen Ungeschmack total brechen. Beide Stücke sind im Wesentlichen<lb/> mit fein profilirtem Flachornament überzogen, welches an Goldschmiedearbeit<lb/> aus der besten Zeit erinnert. Der Text bemerkt dazu: „Die Eigenschaften<lb/> des Meerschaums begünstigen ungemein die Ausschreitungen und Capricen eines<lb/> krassen Naturalismus; in der That war man seit langem gewohnt, in den<lb/> für alle Bevölkerungsschichten bestimmten Erzengnissen ans diesen: Material,<lb/> namentlich in den Prachtstücken, einer durchaus verwerflichen Geschmacksrichtung<lb/> gehuldigt zu sehen, deren Resultate jedoch meistens durch technische Vollendung<lb/> bestechend in ihren trivialen Gedanken und Effekthaschereien bei der urtheilslosen<lb/> Menge großen Beifall und Absatz fanden, ja leider theilweise (theilweise? nein,<lb/> fast durchgängig!) noch immer finden. Die vorliegenden aus Wien, dem Hauptsitz<lb/> der Meerschaum-Industrie, stammenden Entwürfe lassen uus mit Befriedigung er¬<lb/> kennen, daß auch auf diesem Gebiet ein Umschulung zum Besseren angestrebt wird,<lb/> indem man die durch deu Gebrauch und das Bedürfniß bedingten Grundformen<lb/> der Geräthe durch elegante Profilirung und eine dem Charakter des zarten<lb/> Materials angemessene Ornamentik veredelt, anstatt durch unzweckmäßig ange¬<lb/> brachte und außer Verhältniß zum Gegenstand stehende Dekoration den Gebrauch<lb/> der Gegenstände zu erschweren, ja oft geradezu unmöglich zu machen." Dies<lb/> alles stimmt vollständig mit unseren Anschauungen überein. Auszusetzen hätten<lb/> wir an beiden Entwürfen nur das eine, daß sie im Stile der Renaissance</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0360]
Weise auch mit einfachen Mitteln und für verhältnißmäßig niedrigen Preis
etwas wirklich künstlerisch Werthvolles schaffen lassen, während der ganze jetzt
grassirende naturalistische Plunder, für den ein enormes Geld bezahlt wird,
künstlerisch absolut werthlos ist und höchstens den Rang von Kuriositäten
beanspruchen kaun. Denn welcher Stumpfsinn gehörte dazu, wenn jemand sich
einbilden wollte, daß jene „Lili im Park", die dort auf der Cigarrenspitze
die Vögel füttert, auch nur einen Schatten von der Anmuth des Originals be¬
wahrt hätte! Eine Raffael'sche Madonna in Buntdruck auf dem Deckel einer
Bonbonniere würde allenfalls in ihrem Kunstwerth mit diesen Erzeugnissen der
„Meerschanmplastik" zu vergleichen sein, Ist doch bei genauerem Zusehen so
gut wie alles verzeichnet und verschnitten an diesen Püppchen, und von feinerer
Modellirung nirgends die Rede.
Höchst anerkennenswerthe, wenn anch vorläufig noch schwache Anfänge
zum Besseren scheinen neuerdings in der Meerschaumwaaren-Industrie von
Wien auszugehen, das ja, wie in allen übrigen Zweigen, so auch hierin der
Vorort der deutschen Kunstindustrie ist. Die in Stuttgart (bei I. Engelhorn)
unter Redaktion von Adolf Schill erscheinende „Gewerbehalle" veröffentlicht im
sechsten Hefte des laufenden Jahrganges unter anderen die Entwürfe zu einem
Pfeifenköpfe und zu eiuer Cigarrenspitze vou Otto Girard in Wien, die mit
dem bisherigen Ungeschmack total brechen. Beide Stücke sind im Wesentlichen
mit fein profilirtem Flachornament überzogen, welches an Goldschmiedearbeit
aus der besten Zeit erinnert. Der Text bemerkt dazu: „Die Eigenschaften
des Meerschaums begünstigen ungemein die Ausschreitungen und Capricen eines
krassen Naturalismus; in der That war man seit langem gewohnt, in den
für alle Bevölkerungsschichten bestimmten Erzengnissen ans diesen: Material,
namentlich in den Prachtstücken, einer durchaus verwerflichen Geschmacksrichtung
gehuldigt zu sehen, deren Resultate jedoch meistens durch technische Vollendung
bestechend in ihren trivialen Gedanken und Effekthaschereien bei der urtheilslosen
Menge großen Beifall und Absatz fanden, ja leider theilweise (theilweise? nein,
fast durchgängig!) noch immer finden. Die vorliegenden aus Wien, dem Hauptsitz
der Meerschaum-Industrie, stammenden Entwürfe lassen uus mit Befriedigung er¬
kennen, daß auch auf diesem Gebiet ein Umschulung zum Besseren angestrebt wird,
indem man die durch deu Gebrauch und das Bedürfniß bedingten Grundformen
der Geräthe durch elegante Profilirung und eine dem Charakter des zarten
Materials angemessene Ornamentik veredelt, anstatt durch unzweckmäßig ange¬
brachte und außer Verhältniß zum Gegenstand stehende Dekoration den Gebrauch
der Gegenstände zu erschweren, ja oft geradezu unmöglich zu machen." Dies
alles stimmt vollständig mit unseren Anschauungen überein. Auszusetzen hätten
wir an beiden Entwürfen nur das eine, daß sie im Stile der Renaissance
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