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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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immerhin die Russen dort fest. Während dessen bedrohte ein Seitendetcichement
den westlichen Gebirgsübergang bei Abaskul. Das Gros jedoch durchschritt,
der Avantgarde folgend, den mittleren Paß, rückte dann aber mit 40 Batail¬
lonen von Osma gegen Tscharuchtscha und die russische rechte Flanke vor. Am
20. August wurden die vordersten Abtheilungen des Gros zwar bei Gülüdschi
zurückgewiesen, doch drang gleichzeitig die türkische Avantgarde bis gegen Jgdyr
vor. Von hier sah sie sich jedoch schon am 24. August wieder verdrängt;
Ismail nahm sie auf. Drei Tage später ging er mit allen seinen Kräften
nochmals gegen Chalfaly und Tscharuchtscha gleichzeitig vor, aber nach fünf¬
stündigem Kampfe, in dem es auch zum Handgemenge kam, wurden alle An¬
griffe abgewiesen. Daß sie nicht mit großer Energie geführt wurden, beweist
der Umstand, daß die Türken an diesem Tage nur 400 Mann verloren.

Ismail erkrankte jetzt, und seine Truppen gingen bis an das Grenzgebirge
(Tschingil-Gebirge) zurück, in und vor dem sie verschanzt stehen blieben.

Am 19. September ließ Ismail wiederum Chalfaly und Tscharuch¬
tscha angreifen, wurde aber nach zweistündigem Kampfe durch die Regi¬
menter Ur. 74, 150 und 153 ans beiden Punkten abgewiesen. Am 21.
wurden die Angriffe ohne besseren Erfolg wiederholt, am 27. endlich versuchte
Ismail noch einmal in einem den ganzen Tag andauernden Kampfe den
rechten Flügel der Russen zu umfassen und sich Tscharuchtscha's zu bemächtigen.
Es gelang nicht. Die Russen gingen schließlich selbst zur Offensive über und
trieben die Türken gegen die Grenze zurück. Die Angriffe wurden damit auf¬
gegeben, umsomehr als Ismail Anfang Oktober fast die Hälfte feiner Streit¬
kräfte an Mukhtar Pascha abgeben mußte.

Vor Kars waren am 26. September die letzten russischen Verstärkungen
eingetroffen. Eine neue Offensive sollte beginnen, um womöglich noch vor
Eintritt des Winters und vor der damit nöthig werdenden Beendigung des
Feldzuges einen entscheidenden Erfolg zu erringen. Großfürst Michael
übernahm persönlich den Befehl über die Operationsarmee. Am 2. Oktober
griffen die unter General Loris Melikow versammelten russischen Truppen die
Nordfront der türkischen Stellung an. Die beiden Jagni-B erge auf dem
linken Flügel der Türken wurden die Mittelpunkte des Kampfes. Der kleine
Jagni konnte nicht genommen werden, da zu dessen Vertheidigung noch 13
Bataillone aus Kars herbeikamen. Der große Jagni wurde vom General
Scheremetjew nach zweistündigem Kampfe genommen und auch behauptet, doch
war ein weiteres Vordringen von diesem Punkte aus wegen der heran¬
gezogenen starken türkischen Reserven nicht möglich. Auf den übrigen Punkten
der türkischen Stellung wurde von den Russen nur demonstrirt und kam es zu
keinen ernsteren Kämpfen. Die Russen verbrachten die Nacht in den Stellungen,


immerhin die Russen dort fest. Während dessen bedrohte ein Seitendetcichement
den westlichen Gebirgsübergang bei Abaskul. Das Gros jedoch durchschritt,
der Avantgarde folgend, den mittleren Paß, rückte dann aber mit 40 Batail¬
lonen von Osma gegen Tscharuchtscha und die russische rechte Flanke vor. Am
20. August wurden die vordersten Abtheilungen des Gros zwar bei Gülüdschi
zurückgewiesen, doch drang gleichzeitig die türkische Avantgarde bis gegen Jgdyr
vor. Von hier sah sie sich jedoch schon am 24. August wieder verdrängt;
Ismail nahm sie auf. Drei Tage später ging er mit allen seinen Kräften
nochmals gegen Chalfaly und Tscharuchtscha gleichzeitig vor, aber nach fünf¬
stündigem Kampfe, in dem es auch zum Handgemenge kam, wurden alle An¬
griffe abgewiesen. Daß sie nicht mit großer Energie geführt wurden, beweist
der Umstand, daß die Türken an diesem Tage nur 400 Mann verloren.

Ismail erkrankte jetzt, und seine Truppen gingen bis an das Grenzgebirge
(Tschingil-Gebirge) zurück, in und vor dem sie verschanzt stehen blieben.

Am 19. September ließ Ismail wiederum Chalfaly und Tscharuch¬
tscha angreifen, wurde aber nach zweistündigem Kampfe durch die Regi¬
menter Ur. 74, 150 und 153 ans beiden Punkten abgewiesen. Am 21.
wurden die Angriffe ohne besseren Erfolg wiederholt, am 27. endlich versuchte
Ismail noch einmal in einem den ganzen Tag andauernden Kampfe den
rechten Flügel der Russen zu umfassen und sich Tscharuchtscha's zu bemächtigen.
Es gelang nicht. Die Russen gingen schließlich selbst zur Offensive über und
trieben die Türken gegen die Grenze zurück. Die Angriffe wurden damit auf¬
gegeben, umsomehr als Ismail Anfang Oktober fast die Hälfte feiner Streit¬
kräfte an Mukhtar Pascha abgeben mußte.

Vor Kars waren am 26. September die letzten russischen Verstärkungen
eingetroffen. Eine neue Offensive sollte beginnen, um womöglich noch vor
Eintritt des Winters und vor der damit nöthig werdenden Beendigung des
Feldzuges einen entscheidenden Erfolg zu erringen. Großfürst Michael
übernahm persönlich den Befehl über die Operationsarmee. Am 2. Oktober
griffen die unter General Loris Melikow versammelten russischen Truppen die
Nordfront der türkischen Stellung an. Die beiden Jagni-B erge auf dem
linken Flügel der Türken wurden die Mittelpunkte des Kampfes. Der kleine
Jagni konnte nicht genommen werden, da zu dessen Vertheidigung noch 13
Bataillone aus Kars herbeikamen. Der große Jagni wurde vom General
Scheremetjew nach zweistündigem Kampfe genommen und auch behauptet, doch
war ein weiteres Vordringen von diesem Punkte aus wegen der heran¬
gezogenen starken türkischen Reserven nicht möglich. Auf den übrigen Punkten
der türkischen Stellung wurde von den Russen nur demonstrirt und kam es zu
keinen ernsteren Kämpfen. Die Russen verbrachten die Nacht in den Stellungen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/328>, abgerufen am 05.02.2025.