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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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überzeugt. Die andern standen!, seitab und schmollten. Allmälig werden in¬
dessen anch sie gewonnen. Die Lady Alice wird zusammengesetzt und ihrem
Element übergeben. Mit den Wenya, die auf dem rechten Ufer des Stromes
wohnen, wird Blutsbrüderschaft geschlossen; und nachdem der Versuch eines
verrätherischen Bruches dieses Bündnisses vereitelt worden ist, setzen die Wilden
bereitwillig Stanley's Korps auf das rechte Stromufer über, wo ein Lager
errichtet wird. Wegweiser, Führer und Dolmetscher glaubt Stanley an ihnen
gefunden zu haben. Aber am nächsten Morgen sind sämmtliche Eingeborenen
entflohen. Denn der Fremde gilt als Feind -- se äcma tsrens -- und wenn
er überwunden wird, als Fraß. Die nächsten Tage erhärten diese schreckliche
Wahrnehmung immer von Neuem. Die Mannschaft Stanley's theilt sich in
zwei ungleiche Hälften. Die kleinere befährt stromab den Fluß. Die größere,
uuter Frank Pocock's Befehl, strebt mühsam danach, durch die Dschungels und
Waldungen des rechte" Ufers mit der Flotte Schritt und Fühlung zu halte".
Aber sie verirrt sich, sie hat überall, wo sie auf Eingeborene stoßt, harte
Kämpfe zu bestehen, ebenso wie Stanley selbst. Ueberall schießen die Wilden
mit vergifteten Pfeilen, glücklicherweise nicht mit Pulver, das hier unbekannt
ist, überall gewahrt man die gräßlichen Straßenzänne von Menschenfchüdeln.
Nicht selten gerathen die Fußwanderer am Ufer in die Irre, bis fünfzehn
Stunden vom Strome ab. Schreckliche Geschwüre sind die Folge der Wunden,
welche die Dornen und Stacheln reißen, über welche ihr Weg hinwegführt.
Ruhr und Pocken stellen sich bei der marschirenden Kolonne ein. Schon macht
es sich nöthig, die Kranken ans einem schwimmenden Lazarett) von sechs ver¬
lassenen Kanoes unterzubringen, die aneinander gebunden werden. Täglich
sind Leichen in die braunen Fluthen des Livingstone zu Versenden. Schließlich,
am 26. November, stellt ein neuer Feind sich ein: die Stromschnellen von
Ukassa. Vier Snidergewehre gehen in denselben verloren. Die Kanoes schlagen
um, die Insassen retten das nackte Leben und reiten auf dem Rücken der
Boote. In dieser Lage selbst werden sie von den blutdürstigen Menschen¬
fressern angegriffen. Nur rechtzeitiges Feuern der Freunde zwingt die An¬
greifer zum Rückzug und erspart wenigstens den Verlust von Menschenleben
unter den Begleitern Stanley's.

Die Geduld der Araber und Tippn-Tih's jedoch ist abermals er¬
schöpft. Abermals reden sie von Umkehr. Stanley ist indessen nicht geneigt,
sich in nochmalige Redekünste einzulassen, sondern läßt ruhig die Boote am
Land über das Gebiet der Stromschnellen hinaustragen, und dann geht die
Reise unter gleichen Verhältnissen, nur unter stets steigender Heftigkeit und
immer rascherer Aufeinanderfolge der Gefechte mit den Wilden, weiter stromab¬
wärts bis zum 20. Dezember, wo nach Kämpfen, die Tag und Nacht nnunter-


überzeugt. Die andern standen!, seitab und schmollten. Allmälig werden in¬
dessen anch sie gewonnen. Die Lady Alice wird zusammengesetzt und ihrem
Element übergeben. Mit den Wenya, die auf dem rechten Ufer des Stromes
wohnen, wird Blutsbrüderschaft geschlossen; und nachdem der Versuch eines
verrätherischen Bruches dieses Bündnisses vereitelt worden ist, setzen die Wilden
bereitwillig Stanley's Korps auf das rechte Stromufer über, wo ein Lager
errichtet wird. Wegweiser, Führer und Dolmetscher glaubt Stanley an ihnen
gefunden zu haben. Aber am nächsten Morgen sind sämmtliche Eingeborenen
entflohen. Denn der Fremde gilt als Feind — se äcma tsrens — und wenn
er überwunden wird, als Fraß. Die nächsten Tage erhärten diese schreckliche
Wahrnehmung immer von Neuem. Die Mannschaft Stanley's theilt sich in
zwei ungleiche Hälften. Die kleinere befährt stromab den Fluß. Die größere,
uuter Frank Pocock's Befehl, strebt mühsam danach, durch die Dschungels und
Waldungen des rechte« Ufers mit der Flotte Schritt und Fühlung zu halte».
Aber sie verirrt sich, sie hat überall, wo sie auf Eingeborene stoßt, harte
Kämpfe zu bestehen, ebenso wie Stanley selbst. Ueberall schießen die Wilden
mit vergifteten Pfeilen, glücklicherweise nicht mit Pulver, das hier unbekannt
ist, überall gewahrt man die gräßlichen Straßenzänne von Menschenfchüdeln.
Nicht selten gerathen die Fußwanderer am Ufer in die Irre, bis fünfzehn
Stunden vom Strome ab. Schreckliche Geschwüre sind die Folge der Wunden,
welche die Dornen und Stacheln reißen, über welche ihr Weg hinwegführt.
Ruhr und Pocken stellen sich bei der marschirenden Kolonne ein. Schon macht
es sich nöthig, die Kranken ans einem schwimmenden Lazarett) von sechs ver¬
lassenen Kanoes unterzubringen, die aneinander gebunden werden. Täglich
sind Leichen in die braunen Fluthen des Livingstone zu Versenden. Schließlich,
am 26. November, stellt ein neuer Feind sich ein: die Stromschnellen von
Ukassa. Vier Snidergewehre gehen in denselben verloren. Die Kanoes schlagen
um, die Insassen retten das nackte Leben und reiten auf dem Rücken der
Boote. In dieser Lage selbst werden sie von den blutdürstigen Menschen¬
fressern angegriffen. Nur rechtzeitiges Feuern der Freunde zwingt die An¬
greifer zum Rückzug und erspart wenigstens den Verlust von Menschenleben
unter den Begleitern Stanley's.

Die Geduld der Araber und Tippn-Tih's jedoch ist abermals er¬
schöpft. Abermals reden sie von Umkehr. Stanley ist indessen nicht geneigt,
sich in nochmalige Redekünste einzulassen, sondern läßt ruhig die Boote am
Land über das Gebiet der Stromschnellen hinaustragen, und dann geht die
Reise unter gleichen Verhältnissen, nur unter stets steigender Heftigkeit und
immer rascherer Aufeinanderfolge der Gefechte mit den Wilden, weiter stromab¬
wärts bis zum 20. Dezember, wo nach Kämpfen, die Tag und Nacht nnunter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/307>, abgerufen am 05.02.2025.