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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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namentlich ausgehen, noch gar nicht geachtet zu haben scheinen, und die daher,
sich selbst überlassen, ruhig auf dem Wege des früheren gedankenlosen Schlen¬
drians weitertrotten, Wenn man sich im Gewerbe ein wenig umsieht, so ge¬
wahrt man mehr solche Erscheinungen, als man nach den vielfachen Wendungen
zum Bessern, die ja unleugbar stattgefunden haben, erwarten sollte. Ich habe
die Absicht, in einer Serie von Artikeln auf einige solcher Erscheinungen auf¬
merksam zu machen. Vielleicht, daß es gelingt, die maßgebenden Kreise für sie
zu interessiren und so auch ihnen den Segen der reformatorischen kunstgewerb¬
lichen Bewegung unserer Zeit zu Gute kommen zu lassen. Ich beginne mit
der Monogrcunmen-Manie.

Daß die Liebhaberei, auf allen erdenklichen Erzeugnissen des Gewerbes
das Monogramm, d. h. das aus den verschlungenen, über einander gelegten
oder durch einander gesteckten Anfangsbuchstaben des Vor- und Zunamens
bestehende Zeichen des Besitzers anzubringen, in der letzten Zeit eine immer
weitere Ausdehnung gewonnen hat, bedarf wohl keines Beweises. Die Sache
steht bereits in dem Stadium, wo sie zur Krankheit, zur Manie zu werden
droht, ja vielleicht schon geworden ist. Der Parvenu, der sich eine Villa erbaut,
läßt im Schlußstein des Portals und in dem Gitterwerk der Gartenpforte sein
Monogramm anbringen; er bestellt sich geschnitzte Möbel für seine Villa, und
das Monogramm prangt in der Bekrönung jedes Schreins, jedes Büffels,
jeder Stuhllehne; er schafft sich Wagen und Pferde, und es schimmert an der
Wagenthür, an der Pferdedecke und am Lederzeug. Wer sich Uhr, Siegelring
oder Petschaft kauft, läßt sich sein Monogramm hineingraviren, die Braut,
der ihre Ausstattung angefertigt wird, will in den Zipfeln ihrer Tisch-, Bett-
und Leibwäsche ihr Monogramm sehen, allerhand Galauteriewaareu, wie Brief¬
taschen, Cigarrenetuis, Cigarrenspitzen, Pvrtemvnnais, werden auf gut Glück hin
gleich vom Fabrikanten mit Monogrammen versehen, der Schenkwirth läßt sich
das seine in die Deckel seiner Biergläser stechen. Und man denke vollends
an die Briefbogen und Enveloppen! Wo ist heutzutage noch ein Backfisch, der
nicht seine Papeterie voll "kvuleurter Stimmnngsbogen" Hütte und jede "Koulenr"
wieder mit einem anders gefärbten Monogramm bedruckt? Selbst aus Elfen¬
bein geschnitzter Damenschmuck, Broschen, Armbänder, Ohrgehänge, bleiben nicht
vom Monogramm verschont, und der geschniegelte Pflastertreter, der in der
offiziellen Flanirstunde das Trottoir der Hauptstraße für sich in Anspruch
nimmt, hat auf dem tellergroßen Knopfe seines sogenannten "Amüsirknüppels"
sein Monogramm stehen, und wenn das Amüsement mit dem Knüppel im
Gange ist, d. h. wenn der liebenswürdige Inhaber seinen Mitmenschen damit
vor dem Gesicht herumfuchtelt, so wird an seinem Arme ein Manschettenknopf
sichtbar, abermals in Tellerformat und abermals mit dem Monogramm des


namentlich ausgehen, noch gar nicht geachtet zu haben scheinen, und die daher,
sich selbst überlassen, ruhig auf dem Wege des früheren gedankenlosen Schlen¬
drians weitertrotten, Wenn man sich im Gewerbe ein wenig umsieht, so ge¬
wahrt man mehr solche Erscheinungen, als man nach den vielfachen Wendungen
zum Bessern, die ja unleugbar stattgefunden haben, erwarten sollte. Ich habe
die Absicht, in einer Serie von Artikeln auf einige solcher Erscheinungen auf¬
merksam zu machen. Vielleicht, daß es gelingt, die maßgebenden Kreise für sie
zu interessiren und so auch ihnen den Segen der reformatorischen kunstgewerb¬
lichen Bewegung unserer Zeit zu Gute kommen zu lassen. Ich beginne mit
der Monogrcunmen-Manie.

Daß die Liebhaberei, auf allen erdenklichen Erzeugnissen des Gewerbes
das Monogramm, d. h. das aus den verschlungenen, über einander gelegten
oder durch einander gesteckten Anfangsbuchstaben des Vor- und Zunamens
bestehende Zeichen des Besitzers anzubringen, in der letzten Zeit eine immer
weitere Ausdehnung gewonnen hat, bedarf wohl keines Beweises. Die Sache
steht bereits in dem Stadium, wo sie zur Krankheit, zur Manie zu werden
droht, ja vielleicht schon geworden ist. Der Parvenu, der sich eine Villa erbaut,
läßt im Schlußstein des Portals und in dem Gitterwerk der Gartenpforte sein
Monogramm anbringen; er bestellt sich geschnitzte Möbel für seine Villa, und
das Monogramm prangt in der Bekrönung jedes Schreins, jedes Büffels,
jeder Stuhllehne; er schafft sich Wagen und Pferde, und es schimmert an der
Wagenthür, an der Pferdedecke und am Lederzeug. Wer sich Uhr, Siegelring
oder Petschaft kauft, läßt sich sein Monogramm hineingraviren, die Braut,
der ihre Ausstattung angefertigt wird, will in den Zipfeln ihrer Tisch-, Bett-
und Leibwäsche ihr Monogramm sehen, allerhand Galauteriewaareu, wie Brief¬
taschen, Cigarrenetuis, Cigarrenspitzen, Pvrtemvnnais, werden auf gut Glück hin
gleich vom Fabrikanten mit Monogrammen versehen, der Schenkwirth läßt sich
das seine in die Deckel seiner Biergläser stechen. Und man denke vollends
an die Briefbogen und Enveloppen! Wo ist heutzutage noch ein Backfisch, der
nicht seine Papeterie voll „kvuleurter Stimmnngsbogen" Hütte und jede „Koulenr"
wieder mit einem anders gefärbten Monogramm bedruckt? Selbst aus Elfen¬
bein geschnitzter Damenschmuck, Broschen, Armbänder, Ohrgehänge, bleiben nicht
vom Monogramm verschont, und der geschniegelte Pflastertreter, der in der
offiziellen Flanirstunde das Trottoir der Hauptstraße für sich in Anspruch
nimmt, hat auf dem tellergroßen Knopfe seines sogenannten „Amüsirknüppels"
sein Monogramm stehen, und wenn das Amüsement mit dem Knüppel im
Gange ist, d. h. wenn der liebenswürdige Inhaber seinen Mitmenschen damit
vor dem Gesicht herumfuchtelt, so wird an seinem Arme ein Manschettenknopf
sichtbar, abermals in Tellerformat und abermals mit dem Monogramm des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/280>, abgerufen am 05.02.2025.