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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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was zu können glauben, das Wort haben müssen, anch wenn sie nichts Neues
vorzubringen wissen. Es wird zu viel in die Luft gesprochen und zu wenig
zur Sache. Alles ist schon abgemacht in den Fraktionen, und so redet man
im Plenum blos für das Publikum, dem man zeigen will, was man kann, und
noch mehr für die Zeitungen, die loben sollen." -- "Es wird noch dahin
kommen, daß man die Beredsamkeit für eine gemeinschädliche Eigenschaft an¬
sieht und bestraft, wenn sie sich eine lange Rede zu Schulden kommen läßt." --
"Da haben wir Einen," fuhr er fort, "der gar keine Beredsamkeit treibt, und
der trotzdem mehr für die deutsche Sache geleistet hat als irgend jemand
sonst -- das ist der Bundesrath, Ich erinnere mich zwar, zuerst wurden
einige Versuche in der Richtung gemacht. Ich aber schnitt das ab,----.
ZZnür>, ich sagte ihnen ungefähr: Meine Herren, mit Beredsamkeit, mit Reden,
welche überzeugen sollen, da ist hier nichts zu machen, weil Jeder seine Ueber¬
zeugung in der Tasche mitbringt -- seine Instruction nämlich. Es gibt
blos Zeitverlust. Ich denke, wir beschränken uns hier auf die Darstellung von
Thatsachen. Und so wurde es. Niemand hielt eine große Rede mehr. Dafür
ging es mit den Materien um so rascher, und der Bundesrath hat wirklich
viel geleistet."

Wir schließen unsere Auszüge, indem wir nochmals zu dem ersten Bande
zurückkehren, mit einer Reihe von Aeußerungen des Kanzlers über den Papst,
welche die Katholiken interessiren werden, und bemerken dazu, daß Aehnliches nach
Busch's Bericht wiederholt vom Fürsten ausgesprochen worden ist. Die äußerst
merkwürdige Stelle findet sich dort S. 337 ff. und lautet folgendermaßen:

"Hcchfeld fragte: "Haben Excellenz schon gelesen, daß die Italiener in den
Quirinal eingebrochen sind?" -- Der Chef antwortete: "Ja, und ich bin neu¬
gierig, was der Papst dagegen thun wird. Abreisen? -- Aber wohin? -- Er
hat bei uns schon gebeten, wir möchten bei Italien vermittelnd anfragen, ob
man ihn abreisen lassen würde, und ob dieß mit der ihm gebührenden Würde
geschehen könne. Wir haben das gethan, und sie haben geantwortet, man würde
seine Stellung durchaus achten und darnach verfahren, wenn er fort wollte." --
"Sie werden ihn nicht gern gehen lassen," versetzte Hatzfeld. "Es liegt in ihrem
Interesse, daß er in Rom bleibt." -- Chef: "Ja, gewiß, aber er wird doch
vielleicht gehen müssen. Wohin aber? Nach Frankreich kann er nicht, da ist
Garibaldi. Nach Oesterreich mag er nicht. Nach Spanien? -- Ich habe ihm
Baiern vorgeschlagen." -- Er sann einen Augenblick nach, dann sagte er: "Es
bleibt ihm nichts als Belgien oder -- Norddeutschland." -- "Es ist in der
That schon angefragt, ob wir ihm ein Asyl gewähren könnten. Ich habe
nichts dagegen einzuwenden. -- Köln oder Fulda." -- "Es wäre eine uner-


was zu können glauben, das Wort haben müssen, anch wenn sie nichts Neues
vorzubringen wissen. Es wird zu viel in die Luft gesprochen und zu wenig
zur Sache. Alles ist schon abgemacht in den Fraktionen, und so redet man
im Plenum blos für das Publikum, dem man zeigen will, was man kann, und
noch mehr für die Zeitungen, die loben sollen." — „Es wird noch dahin
kommen, daß man die Beredsamkeit für eine gemeinschädliche Eigenschaft an¬
sieht und bestraft, wenn sie sich eine lange Rede zu Schulden kommen läßt." —
„Da haben wir Einen," fuhr er fort, „der gar keine Beredsamkeit treibt, und
der trotzdem mehr für die deutsche Sache geleistet hat als irgend jemand
sonst — das ist der Bundesrath, Ich erinnere mich zwar, zuerst wurden
einige Versuche in der Richtung gemacht. Ich aber schnitt das ab,--—.
ZZnür>, ich sagte ihnen ungefähr: Meine Herren, mit Beredsamkeit, mit Reden,
welche überzeugen sollen, da ist hier nichts zu machen, weil Jeder seine Ueber¬
zeugung in der Tasche mitbringt — seine Instruction nämlich. Es gibt
blos Zeitverlust. Ich denke, wir beschränken uns hier auf die Darstellung von
Thatsachen. Und so wurde es. Niemand hielt eine große Rede mehr. Dafür
ging es mit den Materien um so rascher, und der Bundesrath hat wirklich
viel geleistet."

Wir schließen unsere Auszüge, indem wir nochmals zu dem ersten Bande
zurückkehren, mit einer Reihe von Aeußerungen des Kanzlers über den Papst,
welche die Katholiken interessiren werden, und bemerken dazu, daß Aehnliches nach
Busch's Bericht wiederholt vom Fürsten ausgesprochen worden ist. Die äußerst
merkwürdige Stelle findet sich dort S. 337 ff. und lautet folgendermaßen:

„Hcchfeld fragte: „Haben Excellenz schon gelesen, daß die Italiener in den
Quirinal eingebrochen sind?" — Der Chef antwortete: „Ja, und ich bin neu¬
gierig, was der Papst dagegen thun wird. Abreisen? — Aber wohin? — Er
hat bei uns schon gebeten, wir möchten bei Italien vermittelnd anfragen, ob
man ihn abreisen lassen würde, und ob dieß mit der ihm gebührenden Würde
geschehen könne. Wir haben das gethan, und sie haben geantwortet, man würde
seine Stellung durchaus achten und darnach verfahren, wenn er fort wollte." —
„Sie werden ihn nicht gern gehen lassen," versetzte Hatzfeld. „Es liegt in ihrem
Interesse, daß er in Rom bleibt." — Chef: „Ja, gewiß, aber er wird doch
vielleicht gehen müssen. Wohin aber? Nach Frankreich kann er nicht, da ist
Garibaldi. Nach Oesterreich mag er nicht. Nach Spanien? — Ich habe ihm
Baiern vorgeschlagen." — Er sann einen Augenblick nach, dann sagte er: „Es
bleibt ihm nichts als Belgien oder — Norddeutschland." — „Es ist in der
That schon angefragt, ob wir ihm ein Asyl gewähren könnten. Ich habe
nichts dagegen einzuwenden. — Köln oder Fulda." — „Es wäre eine uner-


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[0278] was zu können glauben, das Wort haben müssen, anch wenn sie nichts Neues vorzubringen wissen. Es wird zu viel in die Luft gesprochen und zu wenig zur Sache. Alles ist schon abgemacht in den Fraktionen, und so redet man im Plenum blos für das Publikum, dem man zeigen will, was man kann, und noch mehr für die Zeitungen, die loben sollen." — „Es wird noch dahin kommen, daß man die Beredsamkeit für eine gemeinschädliche Eigenschaft an¬ sieht und bestraft, wenn sie sich eine lange Rede zu Schulden kommen läßt." — „Da haben wir Einen," fuhr er fort, „der gar keine Beredsamkeit treibt, und der trotzdem mehr für die deutsche Sache geleistet hat als irgend jemand sonst — das ist der Bundesrath, Ich erinnere mich zwar, zuerst wurden einige Versuche in der Richtung gemacht. Ich aber schnitt das ab,--—. ZZnür>, ich sagte ihnen ungefähr: Meine Herren, mit Beredsamkeit, mit Reden, welche überzeugen sollen, da ist hier nichts zu machen, weil Jeder seine Ueber¬ zeugung in der Tasche mitbringt — seine Instruction nämlich. Es gibt blos Zeitverlust. Ich denke, wir beschränken uns hier auf die Darstellung von Thatsachen. Und so wurde es. Niemand hielt eine große Rede mehr. Dafür ging es mit den Materien um so rascher, und der Bundesrath hat wirklich viel geleistet." Wir schließen unsere Auszüge, indem wir nochmals zu dem ersten Bande zurückkehren, mit einer Reihe von Aeußerungen des Kanzlers über den Papst, welche die Katholiken interessiren werden, und bemerken dazu, daß Aehnliches nach Busch's Bericht wiederholt vom Fürsten ausgesprochen worden ist. Die äußerst merkwürdige Stelle findet sich dort S. 337 ff. und lautet folgendermaßen: „Hcchfeld fragte: „Haben Excellenz schon gelesen, daß die Italiener in den Quirinal eingebrochen sind?" — Der Chef antwortete: „Ja, und ich bin neu¬ gierig, was der Papst dagegen thun wird. Abreisen? — Aber wohin? — Er hat bei uns schon gebeten, wir möchten bei Italien vermittelnd anfragen, ob man ihn abreisen lassen würde, und ob dieß mit der ihm gebührenden Würde geschehen könne. Wir haben das gethan, und sie haben geantwortet, man würde seine Stellung durchaus achten und darnach verfahren, wenn er fort wollte." — „Sie werden ihn nicht gern gehen lassen," versetzte Hatzfeld. „Es liegt in ihrem Interesse, daß er in Rom bleibt." — Chef: „Ja, gewiß, aber er wird doch vielleicht gehen müssen. Wohin aber? Nach Frankreich kann er nicht, da ist Garibaldi. Nach Oesterreich mag er nicht. Nach Spanien? — Ich habe ihm Baiern vorgeschlagen." — Er sann einen Augenblick nach, dann sagte er: „Es bleibt ihm nichts als Belgien oder — Norddeutschland." — „Es ist in der That schon angefragt, ob wir ihm ein Asyl gewähren könnten. Ich habe nichts dagegen einzuwenden. — Köln oder Fulda." — „Es wäre eine uner-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/278>, abgerufen am 05.02.2025.