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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Redoute auf dem Nikolai-Berge versucht, das Artilleriefeuer aber dauerte un¬
unterbrochen fort, und wurden dadurch namentlich die russischen Reserven
empfindlich beschädigt. Am 23. August, dem blutigsten Kampftage, wurden
unter noch heftigerem Artilleriefeuer die türkischen Angriffe hauptsächlich gegen
die beiden Flanken der russischen Stellung, der Hauptangriff mit 20 Bataillonen
von 61/2 Uhr früh an gegen die rechte Flanke gerichtet, wo ein noch unbesetzter
bewaldeter Berg gedeckte Annäherung und Umgehung gestattete.

Mit zähester Ausdauer weisen die hier stehenden 2'/.^ Bataillone der
Regimenter 35 und 36 (9. Division) bis 2'/z Uhr Nachmittags alle Angriffe
der Türken zurück, um 2Vs Uhr kommen ihnen noch 2 Kompagnien aus der
Nikolairedoute zu Hilfe; mehr ist auch dort nicht entbehrlich, und Reserven
sind nicht mehr zur Stelle. So wird der Anprall bis 5 Uhr ausgehalten,
dann erlahmt die Kraft, und es beginnt ein allgemeiner Rückzug. Mühsam
halten die beiden Regimentskommandeure die wenigen noch unverwundeten Leute
fest -- da naht die Hilfe. General Radetzki erscheint mit 200 Mann des
16. Schtttzenbataillons, die auf Kasakenpferden beritten gemacht sind, und mit
denen er der 4, Schützenbrigade vorausgeeilt ist. Bald ist auch das vorderste
Bataillon der Brigade zur Stelle. Ermuthigt durch die neue Hilfe wenden
die ermatteten Vertheidiger sich wieder zum Vorgehen, die lange behauptete
Stellung wird den Türken wieder entrissen. Die größte Gefahr ist überwunden.
Nach drei ruhelosen Tagen bringt die einbrechende Nacht den müden Kämpfern
eine kurze Ruhe. Am frühen Morgen des 24. August trifft die Tete der
zweiten Brigade der 14. Division auf dem Passe ein, im Laufe des Tages find
dort 21 russische Bataillone versammelt, welche die immer erneuten türkischen
Angriffe erfolgreich abweisen. Bis zum 25. früh ist auch die erste Brigade
der 14. Division von Selwi angekommen. General Radetzki dehnt nun seine
Stellung so weit aus, daß er den bewaldeten Berg in der rechten Flanke den
Türken entreißt und besetzt. Ein weiterer Vorstoß gegen die türkische Stellung
hat wenig Erfolg. Am 26. werden zwei türkische Angriffe auf die zeitweis ihnen
entrissenen niedrig gelegenen Schützengräben abgewiesen, dann aber alle russi¬
schen Truppen in die eigentliche Stellung auf der Paßhöhe zurückgezogen. Vom
27. August an beschränken sich beide Theile auf gegenseitige Beschießung mit
Artillerie- und Gewehrfeuer. In den Kampftagen vom 21. bis 26. August
hatte der russische Verlust mehr als 100 Offiziere, 3500 Mann betragen, der
der angreifenden Türken wurde auf 10,000 Mann geschätzt. Zur vermehrten
Sicherheit wurde russischerseits noch eine Brigade der 11. Division in die Pa߬
stellung gezogen, doch verhielten sich die Türken bis Mitte September, das
langsame Feuer ausgenommen, vollständig ruhig.

Zur Unterstützung des Angriffs auf den Tfchipka-Paß hatte auch Osman


Redoute auf dem Nikolai-Berge versucht, das Artilleriefeuer aber dauerte un¬
unterbrochen fort, und wurden dadurch namentlich die russischen Reserven
empfindlich beschädigt. Am 23. August, dem blutigsten Kampftage, wurden
unter noch heftigerem Artilleriefeuer die türkischen Angriffe hauptsächlich gegen
die beiden Flanken der russischen Stellung, der Hauptangriff mit 20 Bataillonen
von 61/2 Uhr früh an gegen die rechte Flanke gerichtet, wo ein noch unbesetzter
bewaldeter Berg gedeckte Annäherung und Umgehung gestattete.

Mit zähester Ausdauer weisen die hier stehenden 2'/.^ Bataillone der
Regimenter 35 und 36 (9. Division) bis 2'/z Uhr Nachmittags alle Angriffe
der Türken zurück, um 2Vs Uhr kommen ihnen noch 2 Kompagnien aus der
Nikolairedoute zu Hilfe; mehr ist auch dort nicht entbehrlich, und Reserven
sind nicht mehr zur Stelle. So wird der Anprall bis 5 Uhr ausgehalten,
dann erlahmt die Kraft, und es beginnt ein allgemeiner Rückzug. Mühsam
halten die beiden Regimentskommandeure die wenigen noch unverwundeten Leute
fest — da naht die Hilfe. General Radetzki erscheint mit 200 Mann des
16. Schtttzenbataillons, die auf Kasakenpferden beritten gemacht sind, und mit
denen er der 4, Schützenbrigade vorausgeeilt ist. Bald ist auch das vorderste
Bataillon der Brigade zur Stelle. Ermuthigt durch die neue Hilfe wenden
die ermatteten Vertheidiger sich wieder zum Vorgehen, die lange behauptete
Stellung wird den Türken wieder entrissen. Die größte Gefahr ist überwunden.
Nach drei ruhelosen Tagen bringt die einbrechende Nacht den müden Kämpfern
eine kurze Ruhe. Am frühen Morgen des 24. August trifft die Tete der
zweiten Brigade der 14. Division auf dem Passe ein, im Laufe des Tages find
dort 21 russische Bataillone versammelt, welche die immer erneuten türkischen
Angriffe erfolgreich abweisen. Bis zum 25. früh ist auch die erste Brigade
der 14. Division von Selwi angekommen. General Radetzki dehnt nun seine
Stellung so weit aus, daß er den bewaldeten Berg in der rechten Flanke den
Türken entreißt und besetzt. Ein weiterer Vorstoß gegen die türkische Stellung
hat wenig Erfolg. Am 26. werden zwei türkische Angriffe auf die zeitweis ihnen
entrissenen niedrig gelegenen Schützengräben abgewiesen, dann aber alle russi¬
schen Truppen in die eigentliche Stellung auf der Paßhöhe zurückgezogen. Vom
27. August an beschränken sich beide Theile auf gegenseitige Beschießung mit
Artillerie- und Gewehrfeuer. In den Kampftagen vom 21. bis 26. August
hatte der russische Verlust mehr als 100 Offiziere, 3500 Mann betragen, der
der angreifenden Türken wurde auf 10,000 Mann geschätzt. Zur vermehrten
Sicherheit wurde russischerseits noch eine Brigade der 11. Division in die Pa߬
stellung gezogen, doch verhielten sich die Türken bis Mitte September, das
langsame Feuer ausgenommen, vollständig ruhig.

Zur Unterstützung des Angriffs auf den Tfchipka-Paß hatte auch Osman


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[0249] Redoute auf dem Nikolai-Berge versucht, das Artilleriefeuer aber dauerte un¬ unterbrochen fort, und wurden dadurch namentlich die russischen Reserven empfindlich beschädigt. Am 23. August, dem blutigsten Kampftage, wurden unter noch heftigerem Artilleriefeuer die türkischen Angriffe hauptsächlich gegen die beiden Flanken der russischen Stellung, der Hauptangriff mit 20 Bataillonen von 61/2 Uhr früh an gegen die rechte Flanke gerichtet, wo ein noch unbesetzter bewaldeter Berg gedeckte Annäherung und Umgehung gestattete. Mit zähester Ausdauer weisen die hier stehenden 2'/.^ Bataillone der Regimenter 35 und 36 (9. Division) bis 2'/z Uhr Nachmittags alle Angriffe der Türken zurück, um 2Vs Uhr kommen ihnen noch 2 Kompagnien aus der Nikolairedoute zu Hilfe; mehr ist auch dort nicht entbehrlich, und Reserven sind nicht mehr zur Stelle. So wird der Anprall bis 5 Uhr ausgehalten, dann erlahmt die Kraft, und es beginnt ein allgemeiner Rückzug. Mühsam halten die beiden Regimentskommandeure die wenigen noch unverwundeten Leute fest — da naht die Hilfe. General Radetzki erscheint mit 200 Mann des 16. Schtttzenbataillons, die auf Kasakenpferden beritten gemacht sind, und mit denen er der 4, Schützenbrigade vorausgeeilt ist. Bald ist auch das vorderste Bataillon der Brigade zur Stelle. Ermuthigt durch die neue Hilfe wenden die ermatteten Vertheidiger sich wieder zum Vorgehen, die lange behauptete Stellung wird den Türken wieder entrissen. Die größte Gefahr ist überwunden. Nach drei ruhelosen Tagen bringt die einbrechende Nacht den müden Kämpfern eine kurze Ruhe. Am frühen Morgen des 24. August trifft die Tete der zweiten Brigade der 14. Division auf dem Passe ein, im Laufe des Tages find dort 21 russische Bataillone versammelt, welche die immer erneuten türkischen Angriffe erfolgreich abweisen. Bis zum 25. früh ist auch die erste Brigade der 14. Division von Selwi angekommen. General Radetzki dehnt nun seine Stellung so weit aus, daß er den bewaldeten Berg in der rechten Flanke den Türken entreißt und besetzt. Ein weiterer Vorstoß gegen die türkische Stellung hat wenig Erfolg. Am 26. werden zwei türkische Angriffe auf die zeitweis ihnen entrissenen niedrig gelegenen Schützengräben abgewiesen, dann aber alle russi¬ schen Truppen in die eigentliche Stellung auf der Paßhöhe zurückgezogen. Vom 27. August an beschränken sich beide Theile auf gegenseitige Beschießung mit Artillerie- und Gewehrfeuer. In den Kampftagen vom 21. bis 26. August hatte der russische Verlust mehr als 100 Offiziere, 3500 Mann betragen, der der angreifenden Türken wurde auf 10,000 Mann geschätzt. Zur vermehrten Sicherheit wurde russischerseits noch eine Brigade der 11. Division in die Pa߬ stellung gezogen, doch verhielten sich die Türken bis Mitte September, das langsame Feuer ausgenommen, vollständig ruhig. Zur Unterstützung des Angriffs auf den Tfchipka-Paß hatte auch Osman

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/249>, abgerufen am 05.02.2025.