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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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wie die französische alljährlich einen "Salon" mit neuen Werken zu füllen.
Auch wurde darauf hingewiesen, daß unter den Jahresansstellmigen die einzige
permanente Kunstausstellung, die noch in Berlin ihr dürftiges Dasein fristet,
die des Künstlervereins, erhebliche Einbuße erleiden würde. Diese letztere Be¬
fürchtung hat sich vollinhaltlich bestätigt. In den letzten zwei Jahren hat die
Ausstellung des Künstlervereius mit Ausnahme einiger Gemälde von Makart
und Gabriel Max, die von spekulativen Kunsthändlern aufgekauft waren und
für ein besonderes Eintrittsgeld gezeigt wurden, kaum ein einziges Bild von
hervorragender Bedeutung aufzuweisen gehabt. Ein jeder Maler oder Bild¬
hauer spart eben den Trumpf, den er für den besten hält, für die große aka¬
demische Ausstellung auf, und die des Künstlervereins muß sich mit dem Abfall
begnügen.

Aber auch im übrigen haben die Besonnenen, welche den Hinweis auf
Paris, welches alljährlich einen glänzenden Salon eröffnet, nicht für zutreffend
erachten konnten, Recht gehabt. Frankreich besitzt laut offiziellen Nachweises
5000 Künstler, von denen mindestens 2000 den jährlichen Salon beschicken. Für
Deutschland existirt zwar kein derartiger offizieller Nachweis; aber man wird nicht
weit von der Wahrheit abirren, wenn man die Zahl der in Deutschland thätigen
Maler und Bildhauer auf 2000 veranschlägt. Von diesen 2000 pflegen sich
aber -- das beweisen die Kataloge der letzten zehn Jahre -- nie mehr als
5 - L00 an den akademischen Ausstellungen in Berlin zu betheiligen, und zwar
erscheinen fast immer dieselben Namen. Es liegt auf der Hand, daß diese
Zahl nicht ausreicht, um die Berliner Ausstellung auf demselben hohen Niveau
zu erhalten, auf dem wir sie früher, als sie sich nur alle zwei Jahre wieder¬
holte und die in diesem Zeitraum geschaffenen Kunstwerke sammeln konnte, zu
sehen gewohnt waren. Diejenige Zahl, die erforderlich ist, um die zweiund¬
zwanzig Süle und Galerien des Ausstellungsgebäudes zu füllen, d. h. etwa
tausend Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen u. s. w. wird sich ja immer zu¬
sammenbringen lassen, besonders wenn die Jury, welche über die Aufnahme
der eingesandten Kunstwerke zu entscheiden hat, fortfährt, so nachsichtig zu sein,
wie sie es in diesem Jahre gewesen.

Es kommen noch einige besondere Umstände hinzu, welche ans die diesjährige
Kunstausstellung nachtheilig wirkten. In erster Linie die Pariser Weltaus¬
stellung. Sie nahm nicht blos einige ausländische Künstler, welche den
Berliner Salon fast regelmüßig beschickten, derartig in Anspruch, daß sie für
Berlin gar nicht oder doch nur unbedeutende Sachen übrig hatten, sondern sie
absorbirte auch einige unserer hervorragendsten deutschen Künstler, deren Mit¬
wirkung unserer Kunstausstellung charakteristische Züge ihrer gewöhnlichen
Physiognomie zu verleihen pflegte. So sind die Belgier, die Italiener und


wie die französische alljährlich einen „Salon" mit neuen Werken zu füllen.
Auch wurde darauf hingewiesen, daß unter den Jahresansstellmigen die einzige
permanente Kunstausstellung, die noch in Berlin ihr dürftiges Dasein fristet,
die des Künstlervereins, erhebliche Einbuße erleiden würde. Diese letztere Be¬
fürchtung hat sich vollinhaltlich bestätigt. In den letzten zwei Jahren hat die
Ausstellung des Künstlervereius mit Ausnahme einiger Gemälde von Makart
und Gabriel Max, die von spekulativen Kunsthändlern aufgekauft waren und
für ein besonderes Eintrittsgeld gezeigt wurden, kaum ein einziges Bild von
hervorragender Bedeutung aufzuweisen gehabt. Ein jeder Maler oder Bild¬
hauer spart eben den Trumpf, den er für den besten hält, für die große aka¬
demische Ausstellung auf, und die des Künstlervereins muß sich mit dem Abfall
begnügen.

Aber auch im übrigen haben die Besonnenen, welche den Hinweis auf
Paris, welches alljährlich einen glänzenden Salon eröffnet, nicht für zutreffend
erachten konnten, Recht gehabt. Frankreich besitzt laut offiziellen Nachweises
5000 Künstler, von denen mindestens 2000 den jährlichen Salon beschicken. Für
Deutschland existirt zwar kein derartiger offizieller Nachweis; aber man wird nicht
weit von der Wahrheit abirren, wenn man die Zahl der in Deutschland thätigen
Maler und Bildhauer auf 2000 veranschlägt. Von diesen 2000 pflegen sich
aber — das beweisen die Kataloge der letzten zehn Jahre — nie mehr als
5 - L00 an den akademischen Ausstellungen in Berlin zu betheiligen, und zwar
erscheinen fast immer dieselben Namen. Es liegt auf der Hand, daß diese
Zahl nicht ausreicht, um die Berliner Ausstellung auf demselben hohen Niveau
zu erhalten, auf dem wir sie früher, als sie sich nur alle zwei Jahre wieder¬
holte und die in diesem Zeitraum geschaffenen Kunstwerke sammeln konnte, zu
sehen gewohnt waren. Diejenige Zahl, die erforderlich ist, um die zweiund¬
zwanzig Süle und Galerien des Ausstellungsgebäudes zu füllen, d. h. etwa
tausend Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen u. s. w. wird sich ja immer zu¬
sammenbringen lassen, besonders wenn die Jury, welche über die Aufnahme
der eingesandten Kunstwerke zu entscheiden hat, fortfährt, so nachsichtig zu sein,
wie sie es in diesem Jahre gewesen.

Es kommen noch einige besondere Umstände hinzu, welche ans die diesjährige
Kunstausstellung nachtheilig wirkten. In erster Linie die Pariser Weltaus¬
stellung. Sie nahm nicht blos einige ausländische Künstler, welche den
Berliner Salon fast regelmüßig beschickten, derartig in Anspruch, daß sie für
Berlin gar nicht oder doch nur unbedeutende Sachen übrig hatten, sondern sie
absorbirte auch einige unserer hervorragendsten deutschen Künstler, deren Mit¬
wirkung unserer Kunstausstellung charakteristische Züge ihrer gewöhnlichen
Physiognomie zu verleihen pflegte. So sind die Belgier, die Italiener und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/24>, abgerufen am 05.02.2025.