Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.eignissen, von welcher Seite es sei, betheiligt sind." In der Sitzung selbst Die große Schützenhausversammlung war zu sehr mit den Vorbereitungen eignissen, von welcher Seite es sei, betheiligt sind." In der Sitzung selbst Die große Schützenhausversammlung war zu sehr mit den Vorbereitungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0112" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140991"/> <p xml:id="ID_354" prev="#ID_353"> eignissen, von welcher Seite es sei, betheiligt sind." In der Sitzung selbst<lb/> fielen Anklagen, die direkt auf den Prinzen zielten. In der vom Stadtrath<lb/> gleichzeitig beschlossenen Adresse heißt es: „Mit uns beklagen alle loyalen<lb/> Bürger Leipzig's die verhängnisvollen Ursachen dieses Unglücks, deren weitere<lb/> Ermittelung auf dem Wege des Rechts gewiß erfolgen wird." Die Adreß-<lb/> depntation des Rathes und der Stadtverordneten reiste am vierzehnten August<lb/> nach Dresden und kehrte bereits am Abend des nämlichen Tages nach Leipzig<lb/> zurück. Am Ausgang des Bahnhofes wurde sie erwartet von einer Deputation<lb/> der Schützenhausversammlung, die bereits Tags zuvor sich neben den legitimen<lb/> Behörden der Stadt gleichsam als Sicherheitsausschuß etablirt hatte. Die<lb/> städtische Deputation sand keine Demüthigung, keine Inkorrektheit darin, daß<lb/> sie, unmittelbar von den Stufen des Thrones zurückgekehrt, der Aufforderung<lb/> dieser Schtttzenhansdelegirten folgte und der mandatloser Volksmenge im Schützen¬<lb/> hause den Bescheid des Landesvaters verkündete. Dieser Bescheid war wenig<lb/> trostreich. Wohl war der König, wie die Deputation versicherte „bis zu<lb/> Thränen gerührt und tief ergriffen." Aber er erklärte auch: Er fühle sich um<lb/> so schmerzlicher berührt, als mit den in den Adressen enthaltenen Aeußerungen<lb/> sofort Anträge verbunden worden wären, aus welchen ein Mißtrauen (?) her¬<lb/> vorzugehen scheine." „Weiteren Resolutionen haben wir entgegen zu sehen,"<lb/> schloß die städtische Deputation ihren Bericht.</p><lb/> <p xml:id="ID_355" next="#ID_356"> Die große Schützenhausversammlung war zu sehr mit den Vorbereitungen<lb/> zum feierlichen Leichenbegängniß der Erschossenen beschäftigt, das am 15. August<lb/> früh stattfinden sollte, um die zweideutige Antwort des Königs eingehend zu<lb/> erwägen. Daß der Stadt alle Gerechtigkeit versagt werden könne, mochte ohne¬<lb/> hin damals noch Niemand glauben. Das Begräbniß der Erschossenen wurde<lb/> begangen von der ganzen Stadt als der denkbar imposanteste Volkstrauerakt.<lb/> Selbst or. Großmann, der die Weihrede hielt, sprach an den offenen Gräbern<lb/> die bedeutungsvollen Worte: „Wer wagt's, den Empfindungen der Bewohner<lb/> einer Stadt Sprache zu leihen, die sich mitten im tiefsten Frieden in eine<lb/> Wahlstatt verwandelt sieht? Wer ist im Stande, den Abgrund der Gefahren<lb/> zu beschreiben, die über das ganze Vaterland aus den Ereignissen dieser Tage<lb/> Heraufziehen? Denn die Feinde unserer Kirche, unserer Verfassung, unserer<lb/> bürgerlichen Freiheit, unserer Wohlfahrt, gewiß sie werden die traurige Ver¬<lb/> anlassung dieses traurigen Leichenzuges auf alle Weise auszubeuten bemüht<lb/> sein und Alles aufbieten, um das Vertrauen zwischen König und Volk zu er¬<lb/> schüttern, um Samen der Zwietracht auszustreuen, um wo möglich peinliche<lb/> und schreckliche Maßregeln hervorzurufen." Und später in der ersten Kammer<lb/> sagte er: „Ich habe die schauervolle Stunde erlebt, am 15. August vor den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0112]
eignissen, von welcher Seite es sei, betheiligt sind." In der Sitzung selbst
fielen Anklagen, die direkt auf den Prinzen zielten. In der vom Stadtrath
gleichzeitig beschlossenen Adresse heißt es: „Mit uns beklagen alle loyalen
Bürger Leipzig's die verhängnisvollen Ursachen dieses Unglücks, deren weitere
Ermittelung auf dem Wege des Rechts gewiß erfolgen wird." Die Adreß-
depntation des Rathes und der Stadtverordneten reiste am vierzehnten August
nach Dresden und kehrte bereits am Abend des nämlichen Tages nach Leipzig
zurück. Am Ausgang des Bahnhofes wurde sie erwartet von einer Deputation
der Schützenhausversammlung, die bereits Tags zuvor sich neben den legitimen
Behörden der Stadt gleichsam als Sicherheitsausschuß etablirt hatte. Die
städtische Deputation sand keine Demüthigung, keine Inkorrektheit darin, daß
sie, unmittelbar von den Stufen des Thrones zurückgekehrt, der Aufforderung
dieser Schtttzenhansdelegirten folgte und der mandatloser Volksmenge im Schützen¬
hause den Bescheid des Landesvaters verkündete. Dieser Bescheid war wenig
trostreich. Wohl war der König, wie die Deputation versicherte „bis zu
Thränen gerührt und tief ergriffen." Aber er erklärte auch: Er fühle sich um
so schmerzlicher berührt, als mit den in den Adressen enthaltenen Aeußerungen
sofort Anträge verbunden worden wären, aus welchen ein Mißtrauen (?) her¬
vorzugehen scheine." „Weiteren Resolutionen haben wir entgegen zu sehen,"
schloß die städtische Deputation ihren Bericht.
Die große Schützenhausversammlung war zu sehr mit den Vorbereitungen
zum feierlichen Leichenbegängniß der Erschossenen beschäftigt, das am 15. August
früh stattfinden sollte, um die zweideutige Antwort des Königs eingehend zu
erwägen. Daß der Stadt alle Gerechtigkeit versagt werden könne, mochte ohne¬
hin damals noch Niemand glauben. Das Begräbniß der Erschossenen wurde
begangen von der ganzen Stadt als der denkbar imposanteste Volkstrauerakt.
Selbst or. Großmann, der die Weihrede hielt, sprach an den offenen Gräbern
die bedeutungsvollen Worte: „Wer wagt's, den Empfindungen der Bewohner
einer Stadt Sprache zu leihen, die sich mitten im tiefsten Frieden in eine
Wahlstatt verwandelt sieht? Wer ist im Stande, den Abgrund der Gefahren
zu beschreiben, die über das ganze Vaterland aus den Ereignissen dieser Tage
Heraufziehen? Denn die Feinde unserer Kirche, unserer Verfassung, unserer
bürgerlichen Freiheit, unserer Wohlfahrt, gewiß sie werden die traurige Ver¬
anlassung dieses traurigen Leichenzuges auf alle Weise auszubeuten bemüht
sein und Alles aufbieten, um das Vertrauen zwischen König und Volk zu er¬
schüttern, um Samen der Zwietracht auszustreuen, um wo möglich peinliche
und schreckliche Maßregeln hervorzurufen." Und später in der ersten Kammer
sagte er: „Ich habe die schauervolle Stunde erlebt, am 15. August vor den
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