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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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und still wie ein Leichenzug, denn es gelte ja eben die Sühne geliebter Todter,
nach dein Markte vor, und dort solle die ganze Versammlung die Antwort des
Stadtraths erwarten. Dieser Vorschlag wurde sofort angenommen, Herr Blum
durch Akklamation dem Ausschuß einverleibt und man setzte sich in Bewegung.
Der Zug war würdevoll und imposant, die Masse so gewachsen, daß der An¬
fang sich mitten ans dem Markte befand, als das Ende erst die Post erreicht
hatte, kein Laut störte denselben, und es ist unmöglich, Menschen in ruhigerer
Haltung zu einer so ernsten und aufregenden Mission wandern zu sehen. Ans
dein Wege sendete der Kommandant der Koinmmmlgarde einige Gardisten an
die Führer, die Mitwirkung (!) der Versammlung für die Erhaltung der Ruhe
in Anspruch zu nehmen und erhielt beruhigende Versicherungen. Als die Ver¬
sammlung auf dem Markte angelangt war, ermahnte Herr Blum nochmals zur
Ruhe und Ordnung und Aufrechterhaltung der wahrhaften Majestät dieser
Volksversammlung*), worauf sich der Ausschuß auf das Rathhaus begab."
Ruhig wartete drunten die ans etwa zehntausend Kopfe angewachsene Ver¬
sammlung.

Endlich erscheint Blum wieder an der Spitze der Deputation, umgeben
von den anwesenden Mitgliedern des Stadtrathes -- der Rath war in solcher
Stunde nicht einmal vollzählig beisammen! -- und verkündet den harrenden
Tausenden von dem Balkon des Rathhauses herab, daß der Rath die Beschlüsse
der Schützenhausversammlung genehmigt habe. Im Grunde hatte Blum diese
Beschlüsse den anwesenden Nathsmitgliedern einfach diktirt und die Versicherung
dieser Rathsherren, daß der Stadtrath "diese Anträge theilweise schon in den
Vormittagsstunden beschlossen habe" und daß der andere noch nicht beschlossene
Theil derselben "ohne Zweifel die Zustimmung des Rathskvllegiums erhalten
werde," ^) war ebenso bezeichnend für das Würdegefühl dieser Herren, als die
Thatsache, daß der Rath nun nicht einmal selbst diese erfreuliche Ueberein¬
stimmung mit den Wünschen des "Volkes" verkündete, sondern in seinem Namen
Blum dies thun ließ! Eine Lithographie hat uns ein Bild der merkwürdigen
Szene erhalten. Blum steht inmitten der Deputation und des Rathes ans dem
Balkon und redet. Unter jubelt die Menge. Die Rathhausuhr zeigt auf vier
Uhr Nachmittags. --

Die Bedingungen, welche der Rath der erregten Bürgerschaft zugestanden
hatte, waren: 1. Daß die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in der




") In dem Aufsatz "das Königreich Sachsen" 1830--49, Gegenwart, Band 5 S, 685
heißt der Ausdruck: Mum habe erklärt, dem Stadtrath "die Majestät des Bvlkes zeigen
zu wollen".
") "Die Opfer des 12. August" S. 8. Tageblatt v. Is. August 1845. D. Mg. Ztg.
a, a, O.

und still wie ein Leichenzug, denn es gelte ja eben die Sühne geliebter Todter,
nach dein Markte vor, und dort solle die ganze Versammlung die Antwort des
Stadtraths erwarten. Dieser Vorschlag wurde sofort angenommen, Herr Blum
durch Akklamation dem Ausschuß einverleibt und man setzte sich in Bewegung.
Der Zug war würdevoll und imposant, die Masse so gewachsen, daß der An¬
fang sich mitten ans dem Markte befand, als das Ende erst die Post erreicht
hatte, kein Laut störte denselben, und es ist unmöglich, Menschen in ruhigerer
Haltung zu einer so ernsten und aufregenden Mission wandern zu sehen. Ans
dein Wege sendete der Kommandant der Koinmmmlgarde einige Gardisten an
die Führer, die Mitwirkung (!) der Versammlung für die Erhaltung der Ruhe
in Anspruch zu nehmen und erhielt beruhigende Versicherungen. Als die Ver¬
sammlung auf dem Markte angelangt war, ermahnte Herr Blum nochmals zur
Ruhe und Ordnung und Aufrechterhaltung der wahrhaften Majestät dieser
Volksversammlung*), worauf sich der Ausschuß auf das Rathhaus begab."
Ruhig wartete drunten die ans etwa zehntausend Kopfe angewachsene Ver¬
sammlung.

Endlich erscheint Blum wieder an der Spitze der Deputation, umgeben
von den anwesenden Mitgliedern des Stadtrathes — der Rath war in solcher
Stunde nicht einmal vollzählig beisammen! — und verkündet den harrenden
Tausenden von dem Balkon des Rathhauses herab, daß der Rath die Beschlüsse
der Schützenhausversammlung genehmigt habe. Im Grunde hatte Blum diese
Beschlüsse den anwesenden Nathsmitgliedern einfach diktirt und die Versicherung
dieser Rathsherren, daß der Stadtrath „diese Anträge theilweise schon in den
Vormittagsstunden beschlossen habe" und daß der andere noch nicht beschlossene
Theil derselben „ohne Zweifel die Zustimmung des Rathskvllegiums erhalten
werde," ^) war ebenso bezeichnend für das Würdegefühl dieser Herren, als die
Thatsache, daß der Rath nun nicht einmal selbst diese erfreuliche Ueberein¬
stimmung mit den Wünschen des „Volkes" verkündete, sondern in seinem Namen
Blum dies thun ließ! Eine Lithographie hat uns ein Bild der merkwürdigen
Szene erhalten. Blum steht inmitten der Deputation und des Rathes ans dem
Balkon und redet. Unter jubelt die Menge. Die Rathhausuhr zeigt auf vier
Uhr Nachmittags. —

Die Bedingungen, welche der Rath der erregten Bürgerschaft zugestanden
hatte, waren: 1. Daß die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in der




") In dem Aufsatz „das Königreich Sachsen" 1830—49, Gegenwart, Band 5 S, 685
heißt der Ausdruck: Mum habe erklärt, dem Stadtrath „die Majestät des Bvlkes zeigen
zu wollen".
") „Die Opfer des 12. August" S. 8. Tageblatt v. Is. August 1845. D. Mg. Ztg.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/110>, abgerufen am 05.02.2025.