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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Silberstickerei, das Email, die Inkrustation mit Gold, Silber, Kupfer, Stahl,
Elfenbein und Perlmutter, die Ciselirkunst, die Lackarbeit -- alles wurzelt in
Traditionen, welche bis in die älteste Kultur der Gangesländer hinaufreichen.
Nur wenige der ausgestellten Objekte -- u. a. ein silbernes Theeservice zu
zwölf Tassen in einem Koffer von Ebenholz' -- haben zu ihrem Nachtheil
europäischen Einfluß erfahren, ein Einfluß, der nach und nach die nationalen
Industrien der hinterasiatischen Länder in ihrer durch Jahrhunderte bewahrten
Originalität zu vernichten droht.

Jagdgewehre, Säbel, Pistolen und Dolche bilden das Gros der Geschenke,
welche dem Prinzen gespendet worden sind. Damascirte Klingen von wunder¬
barer Arbeit, auf welche Zaubersprüche in arabischen und indischen Zeichen
eingegraben sind, stecken in Scheiden von grünem, lichtblauem oder karmoisin-
rothem Sammet, der mit breiter dicker Goldstickerei, mit weißen Perlen und
vielfarbigen Edelsteinen dekorirt ist. Perlen, Gold und Edelsteine vereinigen
sich zu phantastischen Bändern, welche die sammetnen Degenbehälter umschlingen.
Andere Säbelscheiden sind in durchbrochener Goldarbeit ausgeführt, so daß
der blitzende Stahl durch die schlangen- und drachenartigen Ornamente hin¬
durchschimmert. Sturmhauben mit goldenen Arabesken in tauschirter Arbeit,
Panzerhemden, Schilde, die mit Edelsteinen von der Größe eines Hühnereis
verziert sind, Jagdflinten, deren Schafte aus iukrustirtem Elfenbein bestehen,
Streithümmer, Köcher, Bogen und Lanzen -- das Alles zusammen bildet
eine Waffenscunmlnng, wie sie kein Museum der Welt besitzt.

Aber die Ausrüstung eines indischen Kriegers ist erst vervollständigt durch
das Reitzeug seines Rosses, das nicht minder prunkend und komplizirt ist als
seine eigene Equipirung. Mehrere Garnituren mit den prachtvollsten Sätteln,
Schnbraken, Kandaren, Brust- und Schwanzriemen, die mit Gold, Muscheln,
Perlen und Edelsteinen buchstäblich übersät sind, gehören zu den Prunkstücken
der Sammlung. Sättel und Schabrakcn sind aus purpurrothen, hellgrünem
oder lichtblauen Sammet gefertigt und mit dicker Goldstickerei auf das Ver¬
schwenderischeste dekorirt.

Doch der Glanz dieser Reitzeuge verbleicht neben einem angeblich massiv
silbernen, etwa sieben Fuß hohen Throne, dessen Füße von phantastischen
Thieren, halb Greif, halb Elephant, gebildet werden. Aehnliche Fabelthiere,
die in seltsamen Windungen emporsteigen, tragen auch die Armlehnen. Diese
bizarren Thierkombinationen, zu denen Schlangen, Löwen, Greife, Elephanten
und Drachen die Elemente beisteuern, spielen in der Grammatik des indischen
Ornaments, vornehmlich in der Seiden- und Brokatweberei, eine Hauptrolle.
Der Sessel und die Rücklehne des Thrones, welche in ihrer Mitte das silberne
Wappen der vereinigten Königreiche trägt, ist mit karmoisinrother Seide über-


Grenzboten IU. 1873. S

Silberstickerei, das Email, die Inkrustation mit Gold, Silber, Kupfer, Stahl,
Elfenbein und Perlmutter, die Ciselirkunst, die Lackarbeit — alles wurzelt in
Traditionen, welche bis in die älteste Kultur der Gangesländer hinaufreichen.
Nur wenige der ausgestellten Objekte — u. a. ein silbernes Theeservice zu
zwölf Tassen in einem Koffer von Ebenholz' — haben zu ihrem Nachtheil
europäischen Einfluß erfahren, ein Einfluß, der nach und nach die nationalen
Industrien der hinterasiatischen Länder in ihrer durch Jahrhunderte bewahrten
Originalität zu vernichten droht.

Jagdgewehre, Säbel, Pistolen und Dolche bilden das Gros der Geschenke,
welche dem Prinzen gespendet worden sind. Damascirte Klingen von wunder¬
barer Arbeit, auf welche Zaubersprüche in arabischen und indischen Zeichen
eingegraben sind, stecken in Scheiden von grünem, lichtblauem oder karmoisin-
rothem Sammet, der mit breiter dicker Goldstickerei, mit weißen Perlen und
vielfarbigen Edelsteinen dekorirt ist. Perlen, Gold und Edelsteine vereinigen
sich zu phantastischen Bändern, welche die sammetnen Degenbehälter umschlingen.
Andere Säbelscheiden sind in durchbrochener Goldarbeit ausgeführt, so daß
der blitzende Stahl durch die schlangen- und drachenartigen Ornamente hin¬
durchschimmert. Sturmhauben mit goldenen Arabesken in tauschirter Arbeit,
Panzerhemden, Schilde, die mit Edelsteinen von der Größe eines Hühnereis
verziert sind, Jagdflinten, deren Schafte aus iukrustirtem Elfenbein bestehen,
Streithümmer, Köcher, Bogen und Lanzen — das Alles zusammen bildet
eine Waffenscunmlnng, wie sie kein Museum der Welt besitzt.

Aber die Ausrüstung eines indischen Kriegers ist erst vervollständigt durch
das Reitzeug seines Rosses, das nicht minder prunkend und komplizirt ist als
seine eigene Equipirung. Mehrere Garnituren mit den prachtvollsten Sätteln,
Schnbraken, Kandaren, Brust- und Schwanzriemen, die mit Gold, Muscheln,
Perlen und Edelsteinen buchstäblich übersät sind, gehören zu den Prunkstücken
der Sammlung. Sättel und Schabrakcn sind aus purpurrothen, hellgrünem
oder lichtblauen Sammet gefertigt und mit dicker Goldstickerei auf das Ver¬
schwenderischeste dekorirt.

Doch der Glanz dieser Reitzeuge verbleicht neben einem angeblich massiv
silbernen, etwa sieben Fuß hohen Throne, dessen Füße von phantastischen
Thieren, halb Greif, halb Elephant, gebildet werden. Aehnliche Fabelthiere,
die in seltsamen Windungen emporsteigen, tragen auch die Armlehnen. Diese
bizarren Thierkombinationen, zu denen Schlangen, Löwen, Greife, Elephanten
und Drachen die Elemente beisteuern, spielen in der Grammatik des indischen
Ornaments, vornehmlich in der Seiden- und Brokatweberei, eine Hauptrolle.
Der Sessel und die Rücklehne des Thrones, welche in ihrer Mitte das silberne
Wappen der vereinigten Königreiche trägt, ist mit karmoisinrother Seide über-


Grenzboten IU. 1873. S
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[0073] Silberstickerei, das Email, die Inkrustation mit Gold, Silber, Kupfer, Stahl, Elfenbein und Perlmutter, die Ciselirkunst, die Lackarbeit — alles wurzelt in Traditionen, welche bis in die älteste Kultur der Gangesländer hinaufreichen. Nur wenige der ausgestellten Objekte — u. a. ein silbernes Theeservice zu zwölf Tassen in einem Koffer von Ebenholz' — haben zu ihrem Nachtheil europäischen Einfluß erfahren, ein Einfluß, der nach und nach die nationalen Industrien der hinterasiatischen Länder in ihrer durch Jahrhunderte bewahrten Originalität zu vernichten droht. Jagdgewehre, Säbel, Pistolen und Dolche bilden das Gros der Geschenke, welche dem Prinzen gespendet worden sind. Damascirte Klingen von wunder¬ barer Arbeit, auf welche Zaubersprüche in arabischen und indischen Zeichen eingegraben sind, stecken in Scheiden von grünem, lichtblauem oder karmoisin- rothem Sammet, der mit breiter dicker Goldstickerei, mit weißen Perlen und vielfarbigen Edelsteinen dekorirt ist. Perlen, Gold und Edelsteine vereinigen sich zu phantastischen Bändern, welche die sammetnen Degenbehälter umschlingen. Andere Säbelscheiden sind in durchbrochener Goldarbeit ausgeführt, so daß der blitzende Stahl durch die schlangen- und drachenartigen Ornamente hin¬ durchschimmert. Sturmhauben mit goldenen Arabesken in tauschirter Arbeit, Panzerhemden, Schilde, die mit Edelsteinen von der Größe eines Hühnereis verziert sind, Jagdflinten, deren Schafte aus iukrustirtem Elfenbein bestehen, Streithümmer, Köcher, Bogen und Lanzen — das Alles zusammen bildet eine Waffenscunmlnng, wie sie kein Museum der Welt besitzt. Aber die Ausrüstung eines indischen Kriegers ist erst vervollständigt durch das Reitzeug seines Rosses, das nicht minder prunkend und komplizirt ist als seine eigene Equipirung. Mehrere Garnituren mit den prachtvollsten Sätteln, Schnbraken, Kandaren, Brust- und Schwanzriemen, die mit Gold, Muscheln, Perlen und Edelsteinen buchstäblich übersät sind, gehören zu den Prunkstücken der Sammlung. Sättel und Schabrakcn sind aus purpurrothen, hellgrünem oder lichtblauen Sammet gefertigt und mit dicker Goldstickerei auf das Ver¬ schwenderischeste dekorirt. Doch der Glanz dieser Reitzeuge verbleicht neben einem angeblich massiv silbernen, etwa sieben Fuß hohen Throne, dessen Füße von phantastischen Thieren, halb Greif, halb Elephant, gebildet werden. Aehnliche Fabelthiere, die in seltsamen Windungen emporsteigen, tragen auch die Armlehnen. Diese bizarren Thierkombinationen, zu denen Schlangen, Löwen, Greife, Elephanten und Drachen die Elemente beisteuern, spielen in der Grammatik des indischen Ornaments, vornehmlich in der Seiden- und Brokatweberei, eine Hauptrolle. Der Sessel und die Rücklehne des Thrones, welche in ihrer Mitte das silberne Wappen der vereinigten Königreiche trägt, ist mit karmoisinrother Seide über- Grenzboten IU. 1873. S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/73>, abgerufen am 22.07.2024.