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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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"Ach Daler hätten fast, Acthwpicr
Jm Sturm der Bürgerkriege die Stcidt zerstört,
Des Meeres Schrecken die, die andern
Meister im schleudern der Pfeilgcschosse,"

Welch' verderblichen Einfluß die Bürgerkriege und die wüste Mischung der Mann¬
schaft auf die Haltung der Truppen ausllbeu mußte, liegt auf der Hand.
Gleich der erste Zusammenstoß legte den Verfall der militärischen Disziplin in
erschreckender Weise bloß, trug die politische Propaganda in das Soldatenzeit
so gut wie in die Hauptquartiere und löste die heiligen Bande der Ordnung
und Zucht: Der Befehlshaber des Manischen Belageruugskorps vor Pompeii
wurde von seinen Soldaten mit Steinen und Knitteln erschlagen, und Sulla
begnügte sich damit, die Truppen zu ernähren, durch tapferes Verhalten vor
dem Feinde die Erinnerung an diesen Vorgang auszulöschen. Die Urheber
jener That waren die Flottensoldaten, von jeher in Rom die am mindesten
achtbare Truppe: bald folgte eine, vorwiegend ans dem Stadtpöbel ausge¬
hobene Abtheilung der Legionare dem gegebenen Beispiel und vergriff sich an
dem^KonsMCcito. Nur ein Zufall rettete ihm das Leben. Der Rädelsführer
der meuterischen Truppe wurde zwar gefangen, doch nicht bestraft, und als
Cato bald darauf in einem Gefechte fiel, bezeichnete das Gerücht seine eigenen
Offiziere als die Urheber seines Todes.

Diese Haltung des Heeres dauert während der Bürgerkriege an; sechs
Feldherrn fielen während derselben von der Hand ihrer Soldaten; einzig
Sulla behielt unangefochten seine gebietende Stellung; an ihm hingen die
Truppen, unter ihm entwöhnten sie sich des Politisirens; aber er ließ ihren
wilden Begierden auch den Zügel schießen, wie vor ihm kein anderer Feld¬
herr; er ließ Alles zu: wüste Schwelgerei, Bestialität, sogar Meuterei gegen
die Offiziere und verlangte nur zweierlei: Tapferkeit und Treue gegen ihn
selbst. Wenn ihm deshalb der Verderb der alten Kriegszucht zugeschrieben
wird, so ist dies nicht unrichtig, aber doch ungerecht. Sulla war eben der erste
römische Staatsmann, der seiner politischen und militärischen Aufgabe nur
dann genügen konnte, wenn er auftrat wie ein Kondottiere.

Für den Sieg hatte Sulla stets verschwenderische Belohnungen, und so hing
denn die Mannschaft an ihm mit all' jenem soldatischen Enthusiasmus, der
so gewaltig ist, weil er oftmals die edelsten und die gemeinsten Leidenschaften
in ein und derselben Brust bewegt. Freiwillig schworen sich seine Soldaten
einander, nach altrömischer Sitte, feierlich zu, fest zusammenzuhalten, und bei
Sulla's Zuge von Asien nach Italien brachte die Mannschaft dem Feldherrn
ihre Sparpfennige als Beisteuer zu den Kriegskosten. War Sulla doch für sie
der Jubegriff alles dessen, was sonst dem römischen Krieger die Namen "Vater-


„Ach Daler hätten fast, Acthwpicr
Jm Sturm der Bürgerkriege die Stcidt zerstört,
Des Meeres Schrecken die, die andern
Meister im schleudern der Pfeilgcschosse,"

Welch' verderblichen Einfluß die Bürgerkriege und die wüste Mischung der Mann¬
schaft auf die Haltung der Truppen ausllbeu mußte, liegt auf der Hand.
Gleich der erste Zusammenstoß legte den Verfall der militärischen Disziplin in
erschreckender Weise bloß, trug die politische Propaganda in das Soldatenzeit
so gut wie in die Hauptquartiere und löste die heiligen Bande der Ordnung
und Zucht: Der Befehlshaber des Manischen Belageruugskorps vor Pompeii
wurde von seinen Soldaten mit Steinen und Knitteln erschlagen, und Sulla
begnügte sich damit, die Truppen zu ernähren, durch tapferes Verhalten vor
dem Feinde die Erinnerung an diesen Vorgang auszulöschen. Die Urheber
jener That waren die Flottensoldaten, von jeher in Rom die am mindesten
achtbare Truppe: bald folgte eine, vorwiegend ans dem Stadtpöbel ausge¬
hobene Abtheilung der Legionare dem gegebenen Beispiel und vergriff sich an
dem^KonsMCcito. Nur ein Zufall rettete ihm das Leben. Der Rädelsführer
der meuterischen Truppe wurde zwar gefangen, doch nicht bestraft, und als
Cato bald darauf in einem Gefechte fiel, bezeichnete das Gerücht seine eigenen
Offiziere als die Urheber seines Todes.

Diese Haltung des Heeres dauert während der Bürgerkriege an; sechs
Feldherrn fielen während derselben von der Hand ihrer Soldaten; einzig
Sulla behielt unangefochten seine gebietende Stellung; an ihm hingen die
Truppen, unter ihm entwöhnten sie sich des Politisirens; aber er ließ ihren
wilden Begierden auch den Zügel schießen, wie vor ihm kein anderer Feld¬
herr; er ließ Alles zu: wüste Schwelgerei, Bestialität, sogar Meuterei gegen
die Offiziere und verlangte nur zweierlei: Tapferkeit und Treue gegen ihn
selbst. Wenn ihm deshalb der Verderb der alten Kriegszucht zugeschrieben
wird, so ist dies nicht unrichtig, aber doch ungerecht. Sulla war eben der erste
römische Staatsmann, der seiner politischen und militärischen Aufgabe nur
dann genügen konnte, wenn er auftrat wie ein Kondottiere.

Für den Sieg hatte Sulla stets verschwenderische Belohnungen, und so hing
denn die Mannschaft an ihm mit all' jenem soldatischen Enthusiasmus, der
so gewaltig ist, weil er oftmals die edelsten und die gemeinsten Leidenschaften
in ein und derselben Brust bewegt. Freiwillig schworen sich seine Soldaten
einander, nach altrömischer Sitte, feierlich zu, fest zusammenzuhalten, und bei
Sulla's Zuge von Asien nach Italien brachte die Mannschaft dem Feldherrn
ihre Sparpfennige als Beisteuer zu den Kriegskosten. War Sulla doch für sie
der Jubegriff alles dessen, was sonst dem römischen Krieger die Namen „Vater-


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[0504] „Ach Daler hätten fast, Acthwpicr Jm Sturm der Bürgerkriege die Stcidt zerstört, Des Meeres Schrecken die, die andern Meister im schleudern der Pfeilgcschosse," Welch' verderblichen Einfluß die Bürgerkriege und die wüste Mischung der Mann¬ schaft auf die Haltung der Truppen ausllbeu mußte, liegt auf der Hand. Gleich der erste Zusammenstoß legte den Verfall der militärischen Disziplin in erschreckender Weise bloß, trug die politische Propaganda in das Soldatenzeit so gut wie in die Hauptquartiere und löste die heiligen Bande der Ordnung und Zucht: Der Befehlshaber des Manischen Belageruugskorps vor Pompeii wurde von seinen Soldaten mit Steinen und Knitteln erschlagen, und Sulla begnügte sich damit, die Truppen zu ernähren, durch tapferes Verhalten vor dem Feinde die Erinnerung an diesen Vorgang auszulöschen. Die Urheber jener That waren die Flottensoldaten, von jeher in Rom die am mindesten achtbare Truppe: bald folgte eine, vorwiegend ans dem Stadtpöbel ausge¬ hobene Abtheilung der Legionare dem gegebenen Beispiel und vergriff sich an dem^KonsMCcito. Nur ein Zufall rettete ihm das Leben. Der Rädelsführer der meuterischen Truppe wurde zwar gefangen, doch nicht bestraft, und als Cato bald darauf in einem Gefechte fiel, bezeichnete das Gerücht seine eigenen Offiziere als die Urheber seines Todes. Diese Haltung des Heeres dauert während der Bürgerkriege an; sechs Feldherrn fielen während derselben von der Hand ihrer Soldaten; einzig Sulla behielt unangefochten seine gebietende Stellung; an ihm hingen die Truppen, unter ihm entwöhnten sie sich des Politisirens; aber er ließ ihren wilden Begierden auch den Zügel schießen, wie vor ihm kein anderer Feld¬ herr; er ließ Alles zu: wüste Schwelgerei, Bestialität, sogar Meuterei gegen die Offiziere und verlangte nur zweierlei: Tapferkeit und Treue gegen ihn selbst. Wenn ihm deshalb der Verderb der alten Kriegszucht zugeschrieben wird, so ist dies nicht unrichtig, aber doch ungerecht. Sulla war eben der erste römische Staatsmann, der seiner politischen und militärischen Aufgabe nur dann genügen konnte, wenn er auftrat wie ein Kondottiere. Für den Sieg hatte Sulla stets verschwenderische Belohnungen, und so hing denn die Mannschaft an ihm mit all' jenem soldatischen Enthusiasmus, der so gewaltig ist, weil er oftmals die edelsten und die gemeinsten Leidenschaften in ein und derselben Brust bewegt. Freiwillig schworen sich seine Soldaten einander, nach altrömischer Sitte, feierlich zu, fest zusammenzuhalten, und bei Sulla's Zuge von Asien nach Italien brachte die Mannschaft dem Feldherrn ihre Sparpfennige als Beisteuer zu den Kriegskosten. War Sulla doch für sie der Jubegriff alles dessen, was sonst dem römischen Krieger die Namen „Vater-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/504>, abgerufen am 22.07.2024.