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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Nein, Männerwuchs ländlicher Krieger war's,
Der selbst das Erdreich mit dem Sabellerkarst
Zu lockern wußt' und auf der strengen
Mutter Geheiß die gefüllte Holzlast

Heimtrug vom Wald, wann scheidend der Sonnengott
Der Berge Schatten dehnt' und den lechzender
Pflugstier entjochte, vom gesenkten
Wagen die Stunde der Rast verkündend.

Was frißt die allzerstörendc Zeit nicht an!
Bon Vätern, die schon nimmer den Ahnen gleich,
Verderbter stammen wir, und uns wird
Mehr noch entartete Brut entsprossen.


Die Ansteckung mit allen Lastern Griechenland's, die vielfach bekannt gewordenen
Beispiele von Ungehorsam der Feldherrn und anderer hoher Staatsbeamten
gegen den Senat, die Gerüchte von häufiger Unlauterkeit in Fragen des Geld¬
interesses zerstörten den Nimbus der Nobilität. In Folge des beständig zu¬
nehmenden Stimmenkaufes begann die Masse ihre Theilnahme an den Volks¬
versammlungen als einen Erwerbszweig anzusehn, und bald kam sie aus den
Gedanken, ihre Stellung als "die souveräne Bürgerschaft" zu einer unmittel¬
baren Bereicherung des Proletariats durch Austheilung der Staatsdomänen zu
verwerthen. Als Führer dienten den Massen die beiden Gracchen, Tiberius
und Gajus, Sprößlinge einer der ersten Familien der plebejischen Nobilität.
Beide fielen als Opfer ihrer Reformpläne; aber der von ihnen gegebene An¬
stoß wirkte unaufhaltsam fort, und die ganze Zeit von ihnen bis zu Cäsar ist
erfüllt von den Kämpfen der Optimaten, d. h. der Nobilität und der Popu¬
lären d. h. der Demokraten.

Dennoch hätte dieser Gegensatz gewiß ebenso gut seine Versöhnung finden
können, wie der frühere zwischen den Patriziern und Plebejern, wenn nur
noch jener alte Einklang zwischen Heerwesen und Staatsleben bestanden hätte,
ans dem früher die Gesundheit des römischen Volkes beruht hatte. Dies aber
war nicht mehr der Fall. -- Die Nobilität, gemästet mit den Reichthümern
einer Welt, hatte sich gewöhnt, das Heer als ihr Werkzeug zu betrachten. Ihre
Mitglieder traten entweder als geborene Führer an die Spitze der Armee, in¬
dem sie gar nicht in Reih und Glied (w oräins) dienten, sondern als rwdllW
Ääolssvölltks ihre Laufbahn sogleich als Stabsoffiziere, als Tribunen begannen,*)
oder sie blieben in den hohen Stellungen der Zivilregierung dem Kriegsdienste
überhaupt fern. Ihr Beispiel wirkte weiter. Immer mehr lernten die Opti¬
maten ihr Waffenrecht als eine lästige Pflicht zu betrachten. Die wohlhabend¬
sten Zensusklassen, vor allem die Reiterei, zogen sich vom persönlichen Dienste



*) P. Cornelius Scipio war mit 20 Jahren, T. Fläminn,ins mit 18 Jahren triwnn"
nülitum. (Illo. 44, 1, 2 und ?we. ?Is.in. 2.)

Nein, Männerwuchs ländlicher Krieger war's,
Der selbst das Erdreich mit dem Sabellerkarst
Zu lockern wußt' und auf der strengen
Mutter Geheiß die gefüllte Holzlast

Heimtrug vom Wald, wann scheidend der Sonnengott
Der Berge Schatten dehnt' und den lechzender
Pflugstier entjochte, vom gesenkten
Wagen die Stunde der Rast verkündend.

Was frißt die allzerstörendc Zeit nicht an!
Bon Vätern, die schon nimmer den Ahnen gleich,
Verderbter stammen wir, und uns wird
Mehr noch entartete Brut entsprossen.


Die Ansteckung mit allen Lastern Griechenland's, die vielfach bekannt gewordenen
Beispiele von Ungehorsam der Feldherrn und anderer hoher Staatsbeamten
gegen den Senat, die Gerüchte von häufiger Unlauterkeit in Fragen des Geld¬
interesses zerstörten den Nimbus der Nobilität. In Folge des beständig zu¬
nehmenden Stimmenkaufes begann die Masse ihre Theilnahme an den Volks¬
versammlungen als einen Erwerbszweig anzusehn, und bald kam sie aus den
Gedanken, ihre Stellung als „die souveräne Bürgerschaft" zu einer unmittel¬
baren Bereicherung des Proletariats durch Austheilung der Staatsdomänen zu
verwerthen. Als Führer dienten den Massen die beiden Gracchen, Tiberius
und Gajus, Sprößlinge einer der ersten Familien der plebejischen Nobilität.
Beide fielen als Opfer ihrer Reformpläne; aber der von ihnen gegebene An¬
stoß wirkte unaufhaltsam fort, und die ganze Zeit von ihnen bis zu Cäsar ist
erfüllt von den Kämpfen der Optimaten, d. h. der Nobilität und der Popu¬
lären d. h. der Demokraten.

Dennoch hätte dieser Gegensatz gewiß ebenso gut seine Versöhnung finden
können, wie der frühere zwischen den Patriziern und Plebejern, wenn nur
noch jener alte Einklang zwischen Heerwesen und Staatsleben bestanden hätte,
ans dem früher die Gesundheit des römischen Volkes beruht hatte. Dies aber
war nicht mehr der Fall. — Die Nobilität, gemästet mit den Reichthümern
einer Welt, hatte sich gewöhnt, das Heer als ihr Werkzeug zu betrachten. Ihre
Mitglieder traten entweder als geborene Führer an die Spitze der Armee, in¬
dem sie gar nicht in Reih und Glied (w oräins) dienten, sondern als rwdllW
Ääolssvölltks ihre Laufbahn sogleich als Stabsoffiziere, als Tribunen begannen,*)
oder sie blieben in den hohen Stellungen der Zivilregierung dem Kriegsdienste
überhaupt fern. Ihr Beispiel wirkte weiter. Immer mehr lernten die Opti¬
maten ihr Waffenrecht als eine lästige Pflicht zu betrachten. Die wohlhabend¬
sten Zensusklassen, vor allem die Reiterei, zogen sich vom persönlichen Dienste



*) P. Cornelius Scipio war mit 20 Jahren, T. Fläminn,ins mit 18 Jahren triwnn«
nülitum. (Illo. 44, 1, 2 und ?we. ?Is.in. 2.)
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[0493] Nein, Männerwuchs ländlicher Krieger war's, Der selbst das Erdreich mit dem Sabellerkarst Zu lockern wußt' und auf der strengen Mutter Geheiß die gefüllte Holzlast Heimtrug vom Wald, wann scheidend der Sonnengott Der Berge Schatten dehnt' und den lechzender Pflugstier entjochte, vom gesenkten Wagen die Stunde der Rast verkündend. Was frißt die allzerstörendc Zeit nicht an! Bon Vätern, die schon nimmer den Ahnen gleich, Verderbter stammen wir, und uns wird Mehr noch entartete Brut entsprossen. Die Ansteckung mit allen Lastern Griechenland's, die vielfach bekannt gewordenen Beispiele von Ungehorsam der Feldherrn und anderer hoher Staatsbeamten gegen den Senat, die Gerüchte von häufiger Unlauterkeit in Fragen des Geld¬ interesses zerstörten den Nimbus der Nobilität. In Folge des beständig zu¬ nehmenden Stimmenkaufes begann die Masse ihre Theilnahme an den Volks¬ versammlungen als einen Erwerbszweig anzusehn, und bald kam sie aus den Gedanken, ihre Stellung als „die souveräne Bürgerschaft" zu einer unmittel¬ baren Bereicherung des Proletariats durch Austheilung der Staatsdomänen zu verwerthen. Als Führer dienten den Massen die beiden Gracchen, Tiberius und Gajus, Sprößlinge einer der ersten Familien der plebejischen Nobilität. Beide fielen als Opfer ihrer Reformpläne; aber der von ihnen gegebene An¬ stoß wirkte unaufhaltsam fort, und die ganze Zeit von ihnen bis zu Cäsar ist erfüllt von den Kämpfen der Optimaten, d. h. der Nobilität und der Popu¬ lären d. h. der Demokraten. Dennoch hätte dieser Gegensatz gewiß ebenso gut seine Versöhnung finden können, wie der frühere zwischen den Patriziern und Plebejern, wenn nur noch jener alte Einklang zwischen Heerwesen und Staatsleben bestanden hätte, ans dem früher die Gesundheit des römischen Volkes beruht hatte. Dies aber war nicht mehr der Fall. — Die Nobilität, gemästet mit den Reichthümern einer Welt, hatte sich gewöhnt, das Heer als ihr Werkzeug zu betrachten. Ihre Mitglieder traten entweder als geborene Führer an die Spitze der Armee, in¬ dem sie gar nicht in Reih und Glied (w oräins) dienten, sondern als rwdllW Ääolssvölltks ihre Laufbahn sogleich als Stabsoffiziere, als Tribunen begannen,*) oder sie blieben in den hohen Stellungen der Zivilregierung dem Kriegsdienste überhaupt fern. Ihr Beispiel wirkte weiter. Immer mehr lernten die Opti¬ maten ihr Waffenrecht als eine lästige Pflicht zu betrachten. Die wohlhabend¬ sten Zensusklassen, vor allem die Reiterei, zogen sich vom persönlichen Dienste *) P. Cornelius Scipio war mit 20 Jahren, T. Fläminn,ins mit 18 Jahren triwnn« nülitum. (Illo. 44, 1, 2 und ?we. ?Is.in. 2.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/493>, abgerufen am 22.07.2024.