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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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mitgetheilt,*) und außerdem manche einzelne Stelle. Die rein militärischen
Schriften des Polybios sind leider verloren gegangen, namentlich würde sein
taktisches Lehrbuch, in welchem er von Gliederung und Einübung der Truppen
handelte, gewiß von hohem Werthe für uus sein. Aus vielen Stellen geht
übrigens hervor, daß er großen Nachdruck auf die geometrischen Kenntnisse
legte, zumal in ihrer Anwendung ans die Einrichtung fester Plätze und Lager'
auf den Belagerungskrieg und auf Rekognoszirungen. Auch astronomische
Kenntnisse verlangte er von dem Feldherrn, schon im Interesse der Pünktlich¬
keit des Dienstes.

Den Zweck, welchen Polybios seinem Leben gegeben, zwischen dem helle¬
nischen und dem römischen Wesen zu vermitteln und die Vereinigung beider
als "klassisch" dem Barbarenthum aller anderen Völker entgegenzustellen, hat
er in hohem Maße erreicht. In den drohendsten Konflikten, wie nach der
Zerstörung von Korinth, ist sein persönliches Einschreiten von großem Nutzen
gewesen. Ein leidenschaftlicher Reiter, starb er, 82 Jahr alt, an den Folgen
eines Sturzes vom Pferde. Seine Geburtsstadt, das arkadische Megalopolis,
setzte ihm ein Denkmal, welches die Inschrift trug: "Alles, worin der Römer
dem Rathe des Polybios folgte, ist ihm gelungen; alles, worin er nach eigenem
Kopfe gehandelt, schlug fehl."

Genau das entgegengesetzte Bestreben wie Polybios erfüllte den M.
Poreius Cato. Aufrechterhaltung des alten Römerthums war der mit
Leidenschaft verfolgte Lebensgedanke des gefürchteten Censors. Er wollte den
Römern eine selbsteigene, volkstümliche Literatur gründen, frei von jedem
fremden, d. h. jedem griechischen Einflüsse.

Dem entsprechend hat er selbst über alle möglichen Dinge, namentlich des
praktischen Lebens, wie Landbau, Kindererziehung und natürlich auch über das
wichtigste Anliegen der Römer, über Kriegswesen, geschrieben. Doch ist sein
Buch O<Z cliscixlina militari oder Os rs militari nur bruchstückweise erhalten.
Bis auf die Sprache hin sind diese Fragmente Kennzeichen starrster, alterthüm¬
licher Latinität. Gewisse militärische Ausdrücke sind nur noch in ihnen erhalten.
Daß Cato aber auch Neuerungen nicht unzugänglich war, wenn er sie für
wahrhaft gut erkannt, zeigt unter anderem der Eifer, mit welchem er den
Bogenschützen das Wort redete. In der Vorrede seines Buches hebt er mit
derbem Selbstbewußtsein das eigene Verdienst eindringlich hervor und fertigt
etwaige Tadler im voraus kräftig ab. Er scheint dabei auch gegen solche
Verächter der Wissenschaft loszuziehen, welche das Kriegswesen für eine Sache



Vergl. die mit kritischen Anmerkungen versehene Uebersetzung von Köchly und
Rüstow: Griechische Kricgsschriftstcller, Die Taktiker.

mitgetheilt,*) und außerdem manche einzelne Stelle. Die rein militärischen
Schriften des Polybios sind leider verloren gegangen, namentlich würde sein
taktisches Lehrbuch, in welchem er von Gliederung und Einübung der Truppen
handelte, gewiß von hohem Werthe für uus sein. Aus vielen Stellen geht
übrigens hervor, daß er großen Nachdruck auf die geometrischen Kenntnisse
legte, zumal in ihrer Anwendung ans die Einrichtung fester Plätze und Lager'
auf den Belagerungskrieg und auf Rekognoszirungen. Auch astronomische
Kenntnisse verlangte er von dem Feldherrn, schon im Interesse der Pünktlich¬
keit des Dienstes.

Den Zweck, welchen Polybios seinem Leben gegeben, zwischen dem helle¬
nischen und dem römischen Wesen zu vermitteln und die Vereinigung beider
als „klassisch" dem Barbarenthum aller anderen Völker entgegenzustellen, hat
er in hohem Maße erreicht. In den drohendsten Konflikten, wie nach der
Zerstörung von Korinth, ist sein persönliches Einschreiten von großem Nutzen
gewesen. Ein leidenschaftlicher Reiter, starb er, 82 Jahr alt, an den Folgen
eines Sturzes vom Pferde. Seine Geburtsstadt, das arkadische Megalopolis,
setzte ihm ein Denkmal, welches die Inschrift trug: „Alles, worin der Römer
dem Rathe des Polybios folgte, ist ihm gelungen; alles, worin er nach eigenem
Kopfe gehandelt, schlug fehl."

Genau das entgegengesetzte Bestreben wie Polybios erfüllte den M.
Poreius Cato. Aufrechterhaltung des alten Römerthums war der mit
Leidenschaft verfolgte Lebensgedanke des gefürchteten Censors. Er wollte den
Römern eine selbsteigene, volkstümliche Literatur gründen, frei von jedem
fremden, d. h. jedem griechischen Einflüsse.

Dem entsprechend hat er selbst über alle möglichen Dinge, namentlich des
praktischen Lebens, wie Landbau, Kindererziehung und natürlich auch über das
wichtigste Anliegen der Römer, über Kriegswesen, geschrieben. Doch ist sein
Buch O<Z cliscixlina militari oder Os rs militari nur bruchstückweise erhalten.
Bis auf die Sprache hin sind diese Fragmente Kennzeichen starrster, alterthüm¬
licher Latinität. Gewisse militärische Ausdrücke sind nur noch in ihnen erhalten.
Daß Cato aber auch Neuerungen nicht unzugänglich war, wenn er sie für
wahrhaft gut erkannt, zeigt unter anderem der Eifer, mit welchem er den
Bogenschützen das Wort redete. In der Vorrede seines Buches hebt er mit
derbem Selbstbewußtsein das eigene Verdienst eindringlich hervor und fertigt
etwaige Tadler im voraus kräftig ab. Er scheint dabei auch gegen solche
Verächter der Wissenschaft loszuziehen, welche das Kriegswesen für eine Sache



Vergl. die mit kritischen Anmerkungen versehene Uebersetzung von Köchly und
Rüstow: Griechische Kricgsschriftstcller, Die Taktiker.
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[0451] mitgetheilt,*) und außerdem manche einzelne Stelle. Die rein militärischen Schriften des Polybios sind leider verloren gegangen, namentlich würde sein taktisches Lehrbuch, in welchem er von Gliederung und Einübung der Truppen handelte, gewiß von hohem Werthe für uus sein. Aus vielen Stellen geht übrigens hervor, daß er großen Nachdruck auf die geometrischen Kenntnisse legte, zumal in ihrer Anwendung ans die Einrichtung fester Plätze und Lager' auf den Belagerungskrieg und auf Rekognoszirungen. Auch astronomische Kenntnisse verlangte er von dem Feldherrn, schon im Interesse der Pünktlich¬ keit des Dienstes. Den Zweck, welchen Polybios seinem Leben gegeben, zwischen dem helle¬ nischen und dem römischen Wesen zu vermitteln und die Vereinigung beider als „klassisch" dem Barbarenthum aller anderen Völker entgegenzustellen, hat er in hohem Maße erreicht. In den drohendsten Konflikten, wie nach der Zerstörung von Korinth, ist sein persönliches Einschreiten von großem Nutzen gewesen. Ein leidenschaftlicher Reiter, starb er, 82 Jahr alt, an den Folgen eines Sturzes vom Pferde. Seine Geburtsstadt, das arkadische Megalopolis, setzte ihm ein Denkmal, welches die Inschrift trug: „Alles, worin der Römer dem Rathe des Polybios folgte, ist ihm gelungen; alles, worin er nach eigenem Kopfe gehandelt, schlug fehl." Genau das entgegengesetzte Bestreben wie Polybios erfüllte den M. Poreius Cato. Aufrechterhaltung des alten Römerthums war der mit Leidenschaft verfolgte Lebensgedanke des gefürchteten Censors. Er wollte den Römern eine selbsteigene, volkstümliche Literatur gründen, frei von jedem fremden, d. h. jedem griechischen Einflüsse. Dem entsprechend hat er selbst über alle möglichen Dinge, namentlich des praktischen Lebens, wie Landbau, Kindererziehung und natürlich auch über das wichtigste Anliegen der Römer, über Kriegswesen, geschrieben. Doch ist sein Buch O<Z cliscixlina militari oder Os rs militari nur bruchstückweise erhalten. Bis auf die Sprache hin sind diese Fragmente Kennzeichen starrster, alterthüm¬ licher Latinität. Gewisse militärische Ausdrücke sind nur noch in ihnen erhalten. Daß Cato aber auch Neuerungen nicht unzugänglich war, wenn er sie für wahrhaft gut erkannt, zeigt unter anderem der Eifer, mit welchem er den Bogenschützen das Wort redete. In der Vorrede seines Buches hebt er mit derbem Selbstbewußtsein das eigene Verdienst eindringlich hervor und fertigt etwaige Tadler im voraus kräftig ab. Er scheint dabei auch gegen solche Verächter der Wissenschaft loszuziehen, welche das Kriegswesen für eine Sache Vergl. die mit kritischen Anmerkungen versehene Uebersetzung von Köchly und Rüstow: Griechische Kricgsschriftstcller, Die Taktiker.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/451>, abgerufen am 22.07.2024.