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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Zeit grassirende Krankheit des Denkmälersetzens, sondern vor allem gegen die
Verkehrtheiten wendet, die in der Regel dabei begangen werden. Der Ver¬
fasser beginnt mit dem nicht eben schwer zu erbringenden Nachweis, daß eine
Art Denkmalsmanie in der That jetzt besteht. In einer Zeit, die im übrigen
doch wahrlich keine allzulebhafte Theilnahme für ideale Bestrebungen bekundet,
muß der Eifer, der für die Errichtung von Denkmälern herrscht, allerdings
befremden. Er erklärt sich aber leicht, wenn man bedenkt, daß wirklich lautere
sachliche Motive selten die einzigen sind, die bei diesem auffälligen Eifer mit¬
wirken, sondern daß der Reiz, der mit der "geschäftlichen Herstellung" der
Denkmäler verknüpft ist, die Massenproduktion derselben zum guten Theile ver¬
schuldet. Der Verfasser entwirft hier ein komisches, aber gewiß in den meisten
Fällen zutreffendes Bild von der Wirksamkeit eines sogen. "Deukmalkomite's".
Viel wichtiger aber ist, wie gesagt, der größere, zweite Theil des Schriftchens,
worin Schafter die unsern gebräuchlichen Denkmalsformen anhaftenden Fehler
aufdeckt, die ebenso dem ästhetischen wie dem patriotischen Zwecke des Denkmals
zuwiderlaufen. Abgesehen davon, daß der Skulptur an sich schon -- wie der
Verfasser in einer einleuchtenden Gegenüberstellung von Plastik und Malerei
in ihren Wesensseiten entwickelt -- weder die physiologisch noch psychologisch
charakteristischen Wirknngsmittel für prägnante Individualisirung in dem Grade
zu Gebote stehen, wie der Malerei, mangelt in der dekorativen Zuthat des
Piedestals unsern meisten Denkmälern die rechte Verständlichkeit und folglich
anch die rechte Popularität. Außerdem scheitern sie fast ausnahmslos an der
leidigen Kostümfrage, indem sie entweder zu den allerdings getreuen und
realistischen, aber geschmacklosen und total unplastischen Formen des Zeitkostüms
greifen oder aber zu der erlogenen sogen, "idealen Gewandung" ihre Zuflucht
nehmen. Dazu kommt endlich die unglückselige Aufstellung unserer Denkmäler
auf geräuschvolle!? Plätzen und in einer Höhe, die eine längere, ruhig genießende
Betrachtung geradezu unmöglich macht. Schafter plaioirt daher warm für
die häufigere Verwendung der Büstenform. Vor allem will er dieselbe da
angewendet wissen, wo es sich um die Darstellung von Männern der "theo¬
retischen Intelligenz" handelt (Gelehrte, Dichter, Künstler), während er für
Männer der "praktischen Intelligenz" (Fürsten, Feldherren, Staatsmänner,
Kanzelredner) an der statuarischen Darstellung festhält. Zwischenstufen und
Ausnahmen läßt er natürlich gelten und macht selbst auf solche aufmerksam.
Vor allem aber fordert er, damit die fortwährend begegnenden Jnkonvenienzen
in dein Verhältniß der Statue zum Piedestal und die willkürliche oder in
ihren Motiven zusammenhangslose Orncnuentirnng des letzteren vermieden werde,
wieder einen engeren Anschluß des Denkmals an die Architektur. An der
Hand der Kunstgeschichte weist er nach, wie, nachdem im Alterthum und in


Zeit grassirende Krankheit des Denkmälersetzens, sondern vor allem gegen die
Verkehrtheiten wendet, die in der Regel dabei begangen werden. Der Ver¬
fasser beginnt mit dem nicht eben schwer zu erbringenden Nachweis, daß eine
Art Denkmalsmanie in der That jetzt besteht. In einer Zeit, die im übrigen
doch wahrlich keine allzulebhafte Theilnahme für ideale Bestrebungen bekundet,
muß der Eifer, der für die Errichtung von Denkmälern herrscht, allerdings
befremden. Er erklärt sich aber leicht, wenn man bedenkt, daß wirklich lautere
sachliche Motive selten die einzigen sind, die bei diesem auffälligen Eifer mit¬
wirken, sondern daß der Reiz, der mit der „geschäftlichen Herstellung" der
Denkmäler verknüpft ist, die Massenproduktion derselben zum guten Theile ver¬
schuldet. Der Verfasser entwirft hier ein komisches, aber gewiß in den meisten
Fällen zutreffendes Bild von der Wirksamkeit eines sogen. „Deukmalkomite's".
Viel wichtiger aber ist, wie gesagt, der größere, zweite Theil des Schriftchens,
worin Schafter die unsern gebräuchlichen Denkmalsformen anhaftenden Fehler
aufdeckt, die ebenso dem ästhetischen wie dem patriotischen Zwecke des Denkmals
zuwiderlaufen. Abgesehen davon, daß der Skulptur an sich schon — wie der
Verfasser in einer einleuchtenden Gegenüberstellung von Plastik und Malerei
in ihren Wesensseiten entwickelt — weder die physiologisch noch psychologisch
charakteristischen Wirknngsmittel für prägnante Individualisirung in dem Grade
zu Gebote stehen, wie der Malerei, mangelt in der dekorativen Zuthat des
Piedestals unsern meisten Denkmälern die rechte Verständlichkeit und folglich
anch die rechte Popularität. Außerdem scheitern sie fast ausnahmslos an der
leidigen Kostümfrage, indem sie entweder zu den allerdings getreuen und
realistischen, aber geschmacklosen und total unplastischen Formen des Zeitkostüms
greifen oder aber zu der erlogenen sogen, „idealen Gewandung" ihre Zuflucht
nehmen. Dazu kommt endlich die unglückselige Aufstellung unserer Denkmäler
auf geräuschvolle!? Plätzen und in einer Höhe, die eine längere, ruhig genießende
Betrachtung geradezu unmöglich macht. Schafter plaioirt daher warm für
die häufigere Verwendung der Büstenform. Vor allem will er dieselbe da
angewendet wissen, wo es sich um die Darstellung von Männern der „theo¬
retischen Intelligenz" handelt (Gelehrte, Dichter, Künstler), während er für
Männer der „praktischen Intelligenz" (Fürsten, Feldherren, Staatsmänner,
Kanzelredner) an der statuarischen Darstellung festhält. Zwischenstufen und
Ausnahmen läßt er natürlich gelten und macht selbst auf solche aufmerksam.
Vor allem aber fordert er, damit die fortwährend begegnenden Jnkonvenienzen
in dein Verhältniß der Statue zum Piedestal und die willkürliche oder in
ihren Motiven zusammenhangslose Orncnuentirnng des letzteren vermieden werde,
wieder einen engeren Anschluß des Denkmals an die Architektur. An der
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[0447] Zeit grassirende Krankheit des Denkmälersetzens, sondern vor allem gegen die Verkehrtheiten wendet, die in der Regel dabei begangen werden. Der Ver¬ fasser beginnt mit dem nicht eben schwer zu erbringenden Nachweis, daß eine Art Denkmalsmanie in der That jetzt besteht. In einer Zeit, die im übrigen doch wahrlich keine allzulebhafte Theilnahme für ideale Bestrebungen bekundet, muß der Eifer, der für die Errichtung von Denkmälern herrscht, allerdings befremden. Er erklärt sich aber leicht, wenn man bedenkt, daß wirklich lautere sachliche Motive selten die einzigen sind, die bei diesem auffälligen Eifer mit¬ wirken, sondern daß der Reiz, der mit der „geschäftlichen Herstellung" der Denkmäler verknüpft ist, die Massenproduktion derselben zum guten Theile ver¬ schuldet. Der Verfasser entwirft hier ein komisches, aber gewiß in den meisten Fällen zutreffendes Bild von der Wirksamkeit eines sogen. „Deukmalkomite's". Viel wichtiger aber ist, wie gesagt, der größere, zweite Theil des Schriftchens, worin Schafter die unsern gebräuchlichen Denkmalsformen anhaftenden Fehler aufdeckt, die ebenso dem ästhetischen wie dem patriotischen Zwecke des Denkmals zuwiderlaufen. Abgesehen davon, daß der Skulptur an sich schon — wie der Verfasser in einer einleuchtenden Gegenüberstellung von Plastik und Malerei in ihren Wesensseiten entwickelt — weder die physiologisch noch psychologisch charakteristischen Wirknngsmittel für prägnante Individualisirung in dem Grade zu Gebote stehen, wie der Malerei, mangelt in der dekorativen Zuthat des Piedestals unsern meisten Denkmälern die rechte Verständlichkeit und folglich anch die rechte Popularität. Außerdem scheitern sie fast ausnahmslos an der leidigen Kostümfrage, indem sie entweder zu den allerdings getreuen und realistischen, aber geschmacklosen und total unplastischen Formen des Zeitkostüms greifen oder aber zu der erlogenen sogen, „idealen Gewandung" ihre Zuflucht nehmen. Dazu kommt endlich die unglückselige Aufstellung unserer Denkmäler auf geräuschvolle!? Plätzen und in einer Höhe, die eine längere, ruhig genießende Betrachtung geradezu unmöglich macht. Schafter plaioirt daher warm für die häufigere Verwendung der Büstenform. Vor allem will er dieselbe da angewendet wissen, wo es sich um die Darstellung von Männern der „theo¬ retischen Intelligenz" handelt (Gelehrte, Dichter, Künstler), während er für Männer der „praktischen Intelligenz" (Fürsten, Feldherren, Staatsmänner, Kanzelredner) an der statuarischen Darstellung festhält. Zwischenstufen und Ausnahmen läßt er natürlich gelten und macht selbst auf solche aufmerksam. Vor allem aber fordert er, damit die fortwährend begegnenden Jnkonvenienzen in dein Verhältniß der Statue zum Piedestal und die willkürliche oder in ihren Motiven zusammenhangslose Orncnuentirnng des letzteren vermieden werde, wieder einen engeren Anschluß des Denkmals an die Architektur. An der Hand der Kunstgeschichte weist er nach, wie, nachdem im Alterthum und in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/447>, abgerufen am 22.07.2024.