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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Literatur.
Dcis königliche Schloß in Dresden und seine Erbauer. Ein Beitrug zu Ge¬
schichte der Rmciisscmce in Sachsen von Cornelius Gurlitt. (Mittheilungendes
königlich sächsischen Alterthumsvereins. Hft. 28. S. 1--58.) Dresden, Bcieusch, 1878.

Das königliche Schloß in Dresden gehörte in seiner ursprünglichen Erschei¬
nung zu deu interessantesten Bauten der deutschen Renaissance. An dem großen
Gebändekomplex, den es bildet, ist länger als ein Jahrhundert, natürlich mit
Unterbrechungen, gebaut worden. An einer auf sicherem urkundlichen Material
beruhenden Darstellung seiner Baugeschichte fehlte es aber bisher gänzlich, und
die vorliegende Arbeit, die sich das Verdienst erwirbt, die weitaus wichtigste
Periode derselben zum ersten Male aktenmäßig zu schildern, ist demnach mit
großer Frende zu begrüßen.

Begreiflicherweise sind die Nachrichten, die der Verfasser über seinen Gegen¬
stand gesammelt hat, um so dürftiger, je weiter sie zurückreichen. Ueber die
der Erbauung des sogenannten Georgenschlosses (1530--1537) vorausgegan-
gene Bauperiode bringt er nur unzusammenhängende Notizen bei. Reicher
fließen die Quellen schon über den Georgenbau selbst. Wenigstens tritt aus
seiner Geschichte eine Gestalt mit deutlicheren Umrissen hervor, die des Bild¬
hauers Hans Schicketanz, von dessen Hand die figürliche Ausschmückung des
Georgenschlosses, insbesondere das "Georgenthor" und der jetzt auf dein Neu¬
städter Friedhof in Dresden befindliche Todtentanz, herrührt. Die eingehendste
Darstellung konnte der 1544--1556 errichtete Moritzbau finden. Ueber diesen
spendet der Verfasser eine Reihe von Notizen, mit deren Hilfe sich die Fort¬
schritte des Baues wenigstens einigermaßen verfolgen lassen, und gibt eine
sorgfältige, durch Pläne unterstützte Beschreibung desselben. Hieran knüpft er
-- wohl der wichtigste Theil der Schrift -- den Nachweis des Architekten und
der bei der Ausführung betheiligten künstlerischen Kräfte, und zwar schließt er
sich der bereits von steche wohlbegründeten Vermuthung an, daß nicht, wie
man früher allgemein glaubte, Hans von Dehn-Rothfelser, sondern Caspar
Vogt von Wiernndt, der kurfürstlich sächsische "oberste Zeug- und Baumeister",
der Erbauer des Moritzschlosfes gewesen ist. Dehn-Rothfelser hat, wie es be¬
reits steche richtig ausgesprochen, nur die Stelle eines "Ban-Intendanten" be¬
kleidet. Das neue Material, welches Gurlitt über das Leben und die Wirk¬
samkeit beider Männer beibringt, läßt über dieses ihr Verhältniß zu einander
nicht den geringsten Zweifel mehr. Von den am Baue betheiligten künstleri¬
schen Kräften ist es namentlich einer, über dessen Leben und Thätigkeit es
Gurlitt gelungen ist, interessante Aufschlüsse zu geben, der italienische Bildhauer


Literatur.
Dcis königliche Schloß in Dresden und seine Erbauer. Ein Beitrug zu Ge¬
schichte der Rmciisscmce in Sachsen von Cornelius Gurlitt. (Mittheilungendes
königlich sächsischen Alterthumsvereins. Hft. 28. S. 1—58.) Dresden, Bcieusch, 1878.

Das königliche Schloß in Dresden gehörte in seiner ursprünglichen Erschei¬
nung zu deu interessantesten Bauten der deutschen Renaissance. An dem großen
Gebändekomplex, den es bildet, ist länger als ein Jahrhundert, natürlich mit
Unterbrechungen, gebaut worden. An einer auf sicherem urkundlichen Material
beruhenden Darstellung seiner Baugeschichte fehlte es aber bisher gänzlich, und
die vorliegende Arbeit, die sich das Verdienst erwirbt, die weitaus wichtigste
Periode derselben zum ersten Male aktenmäßig zu schildern, ist demnach mit
großer Frende zu begrüßen.

Begreiflicherweise sind die Nachrichten, die der Verfasser über seinen Gegen¬
stand gesammelt hat, um so dürftiger, je weiter sie zurückreichen. Ueber die
der Erbauung des sogenannten Georgenschlosses (1530—1537) vorausgegan-
gene Bauperiode bringt er nur unzusammenhängende Notizen bei. Reicher
fließen die Quellen schon über den Georgenbau selbst. Wenigstens tritt aus
seiner Geschichte eine Gestalt mit deutlicheren Umrissen hervor, die des Bild¬
hauers Hans Schicketanz, von dessen Hand die figürliche Ausschmückung des
Georgenschlosses, insbesondere das „Georgenthor" und der jetzt auf dein Neu¬
städter Friedhof in Dresden befindliche Todtentanz, herrührt. Die eingehendste
Darstellung konnte der 1544—1556 errichtete Moritzbau finden. Ueber diesen
spendet der Verfasser eine Reihe von Notizen, mit deren Hilfe sich die Fort¬
schritte des Baues wenigstens einigermaßen verfolgen lassen, und gibt eine
sorgfältige, durch Pläne unterstützte Beschreibung desselben. Hieran knüpft er
— wohl der wichtigste Theil der Schrift — den Nachweis des Architekten und
der bei der Ausführung betheiligten künstlerischen Kräfte, und zwar schließt er
sich der bereits von steche wohlbegründeten Vermuthung an, daß nicht, wie
man früher allgemein glaubte, Hans von Dehn-Rothfelser, sondern Caspar
Vogt von Wiernndt, der kurfürstlich sächsische „oberste Zeug- und Baumeister",
der Erbauer des Moritzschlosfes gewesen ist. Dehn-Rothfelser hat, wie es be¬
reits steche richtig ausgesprochen, nur die Stelle eines „Ban-Intendanten" be¬
kleidet. Das neue Material, welches Gurlitt über das Leben und die Wirk¬
samkeit beider Männer beibringt, läßt über dieses ihr Verhältniß zu einander
nicht den geringsten Zweifel mehr. Von den am Baue betheiligten künstleri¬
schen Kräften ist es namentlich einer, über dessen Leben und Thätigkeit es
Gurlitt gelungen ist, interessante Aufschlüsse zu geben, der italienische Bildhauer


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[0445] Literatur. Dcis königliche Schloß in Dresden und seine Erbauer. Ein Beitrug zu Ge¬ schichte der Rmciisscmce in Sachsen von Cornelius Gurlitt. (Mittheilungendes königlich sächsischen Alterthumsvereins. Hft. 28. S. 1—58.) Dresden, Bcieusch, 1878. Das königliche Schloß in Dresden gehörte in seiner ursprünglichen Erschei¬ nung zu deu interessantesten Bauten der deutschen Renaissance. An dem großen Gebändekomplex, den es bildet, ist länger als ein Jahrhundert, natürlich mit Unterbrechungen, gebaut worden. An einer auf sicherem urkundlichen Material beruhenden Darstellung seiner Baugeschichte fehlte es aber bisher gänzlich, und die vorliegende Arbeit, die sich das Verdienst erwirbt, die weitaus wichtigste Periode derselben zum ersten Male aktenmäßig zu schildern, ist demnach mit großer Frende zu begrüßen. Begreiflicherweise sind die Nachrichten, die der Verfasser über seinen Gegen¬ stand gesammelt hat, um so dürftiger, je weiter sie zurückreichen. Ueber die der Erbauung des sogenannten Georgenschlosses (1530—1537) vorausgegan- gene Bauperiode bringt er nur unzusammenhängende Notizen bei. Reicher fließen die Quellen schon über den Georgenbau selbst. Wenigstens tritt aus seiner Geschichte eine Gestalt mit deutlicheren Umrissen hervor, die des Bild¬ hauers Hans Schicketanz, von dessen Hand die figürliche Ausschmückung des Georgenschlosses, insbesondere das „Georgenthor" und der jetzt auf dein Neu¬ städter Friedhof in Dresden befindliche Todtentanz, herrührt. Die eingehendste Darstellung konnte der 1544—1556 errichtete Moritzbau finden. Ueber diesen spendet der Verfasser eine Reihe von Notizen, mit deren Hilfe sich die Fort¬ schritte des Baues wenigstens einigermaßen verfolgen lassen, und gibt eine sorgfältige, durch Pläne unterstützte Beschreibung desselben. Hieran knüpft er — wohl der wichtigste Theil der Schrift — den Nachweis des Architekten und der bei der Ausführung betheiligten künstlerischen Kräfte, und zwar schließt er sich der bereits von steche wohlbegründeten Vermuthung an, daß nicht, wie man früher allgemein glaubte, Hans von Dehn-Rothfelser, sondern Caspar Vogt von Wiernndt, der kurfürstlich sächsische „oberste Zeug- und Baumeister", der Erbauer des Moritzschlosfes gewesen ist. Dehn-Rothfelser hat, wie es be¬ reits steche richtig ausgesprochen, nur die Stelle eines „Ban-Intendanten" be¬ kleidet. Das neue Material, welches Gurlitt über das Leben und die Wirk¬ samkeit beider Männer beibringt, läßt über dieses ihr Verhältniß zu einander nicht den geringsten Zweifel mehr. Von den am Baue betheiligten künstleri¬ schen Kräften ist es namentlich einer, über dessen Leben und Thätigkeit es Gurlitt gelungen ist, interessante Aufschlüsse zu geben, der italienische Bildhauer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/445>, abgerufen am 22.07.2024.