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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Reichstag hatte Baden 11 Nationalliberale entsendet, 1 Deutschconservativen,
2 Ultramontane. Die Wahlen zweier Nationalliberalen waren für ungültig
erklärt und Neuwahlen noch nicht vollzogen wurden. Prophezeien ist schwer.
Freiburg ist ein national-liberales Sorgenkind. In Karlsruhe Werden's die
Dentschkvnservativen wieder mit aller Macht versuchen. Aber trotzdem hoffen
wir wieder elf Nationalliberale zu entsenden. Mat!


Hr.


Die nationaWeral'e Partei vor den Aeichstagswahlen.*)

Es erscheint uns als eine ernste Pflicht d. Bl., die stets zur nationalen
Partei gehalten haben, ohne im Dienste einer Fraktion zu stehen, offen zu
bekunden, daß der Wahlaufruf, welchen das noch von den bisherigen Abge¬
ordneten früher eingesetzte "Zentralwahlkomite der nationalliberalen Partei"
am 16. Juni dieses Jahres in Berlin erlassen, in weiten Kreisen wenig be¬
friedigt hat.

Jener Aufruf läßt es, und zwar höchst wahrscheinlich mit voller Absicht,
durchaus unklar, ob einer neuen, auf denselben Grundlagen wie die vorige
ruhenden Vorlage zur Abwehr sozialdemokratischer Bestrebungen entgegen ge¬
treten werden soll oder nicht. Die Wähler müssen aber, um sich zu ent¬
scheiden, unbedingt baldigst wissen, ob die Kandidaten für Ausnahmemaßnahmen
gegen die Sozialdemokratie oder ob sie nur für solche Maßnahmen zu stimmen
gewillt sind, welche sich auf dem Boden des gemeinen Rechts bewegen. Sie
müssen es schleunigst wissen, weil die Reichsregierung nun einmal an Aus-
uahmemaßregeln festhält, deren nochmalige Ablehnung also einem Scheitern
der gesetzlichen Abwehr gleichkäme, welche das aus seiner Ruhe aufgerüttelte
deutsche Volk entschieden verlangt. Die liberalen Wähler können sich auch
nicht befreunden mit der Ansicht, daß in erster Linie das ihrer Richtung
widerstreitende Verfahren stehe, die nothwendigen scharfen Maßnahmen blos
deshalb auf die ganze Bevölkerung auszudehnen, weil dnrch sie nur der ver¬
worfenste Theil derselben getroffen werden soll. Wird aber das gemeine Recht
nur accentuirt, weil man minder scharfe Maßregeln wünscht, so danken wir
erst recht dafür; denn unbeschadet des nebenher einzuleitenden Heilnngsprozesses



*) Nicht von der Redaktion, sondern von einem Manne, der schon von den Tagen des
Nationalvercms an treu zur Partei gehalten-

Reichstag hatte Baden 11 Nationalliberale entsendet, 1 Deutschconservativen,
2 Ultramontane. Die Wahlen zweier Nationalliberalen waren für ungültig
erklärt und Neuwahlen noch nicht vollzogen wurden. Prophezeien ist schwer.
Freiburg ist ein national-liberales Sorgenkind. In Karlsruhe Werden's die
Dentschkvnservativen wieder mit aller Macht versuchen. Aber trotzdem hoffen
wir wieder elf Nationalliberale zu entsenden. Mat!


Hr.


Die nationaWeral'e Partei vor den Aeichstagswahlen.*)

Es erscheint uns als eine ernste Pflicht d. Bl., die stets zur nationalen
Partei gehalten haben, ohne im Dienste einer Fraktion zu stehen, offen zu
bekunden, daß der Wahlaufruf, welchen das noch von den bisherigen Abge¬
ordneten früher eingesetzte „Zentralwahlkomite der nationalliberalen Partei"
am 16. Juni dieses Jahres in Berlin erlassen, in weiten Kreisen wenig be¬
friedigt hat.

Jener Aufruf läßt es, und zwar höchst wahrscheinlich mit voller Absicht,
durchaus unklar, ob einer neuen, auf denselben Grundlagen wie die vorige
ruhenden Vorlage zur Abwehr sozialdemokratischer Bestrebungen entgegen ge¬
treten werden soll oder nicht. Die Wähler müssen aber, um sich zu ent¬
scheiden, unbedingt baldigst wissen, ob die Kandidaten für Ausnahmemaßnahmen
gegen die Sozialdemokratie oder ob sie nur für solche Maßnahmen zu stimmen
gewillt sind, welche sich auf dem Boden des gemeinen Rechts bewegen. Sie
müssen es schleunigst wissen, weil die Reichsregierung nun einmal an Aus-
uahmemaßregeln festhält, deren nochmalige Ablehnung also einem Scheitern
der gesetzlichen Abwehr gleichkäme, welche das aus seiner Ruhe aufgerüttelte
deutsche Volk entschieden verlangt. Die liberalen Wähler können sich auch
nicht befreunden mit der Ansicht, daß in erster Linie das ihrer Richtung
widerstreitende Verfahren stehe, die nothwendigen scharfen Maßnahmen blos
deshalb auf die ganze Bevölkerung auszudehnen, weil dnrch sie nur der ver¬
worfenste Theil derselben getroffen werden soll. Wird aber das gemeine Recht
nur accentuirt, weil man minder scharfe Maßregeln wünscht, so danken wir
erst recht dafür; denn unbeschadet des nebenher einzuleitenden Heilnngsprozesses



*) Nicht von der Redaktion, sondern von einem Manne, der schon von den Tagen des
Nationalvercms an treu zur Partei gehalten-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/43>, abgerufen am 22.07.2024.