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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Silber, Dänemark für Thongeschirr und Silberfiligranschmnck, die Schweiz für
Spitzen, irdenes Geschirr, Uhren und Juwelierarbeiten. In der Spitzen¬
industrie hat, was die Feinheit des Fadens anlangt, Belgien immer noch die
Führung. Inmitten der belgischen Ausstellung ist diesem Industriezweige ein
Tempel errichtet worden, der die luftigen Gewebe von Brüssel, Mecheln und
Antwerpen aufgenommen hat: Spitzengardinen, ganze Roben, Handschuhe, die
den ganzen Arm bedecken, Strümpfe in schwarz und in weiß, Ueberzüge für
Stiefletten, Mantillen, Fächer und Sonnenschirmbezüge, die mit Schäferszenen
S, 1a Watteau oder mit italienischen Landschaften dekorirt sind. Im Ganzen
herrscht aber in der belgischen Spitzenindustrie, was den ornamentalen Theil
anlagt, ein ziemlich heilloser Naturalismus. Dasselbe gilt von den Se. Galterer
Spitzen. Hier steht Oesterreich obenan, besonders seit Professor Storck seinen
geläuterten Geschmack und sein Erfindungstalent der Spitzenindustrie dienstbar
gemacht hat. Wir finden Fächer und Sonnenschirme, die nach seinen Ent¬
würfen gewebt oder geklöppelt sind, von wahrhaft klassischer Schönheit.

Wie Brüssel die Vorschule von Paris, so ist Belgien in industrieller Be¬
ziehung die Filiale Frankreich's, aber eine Filiale, die selbständig denkt und
schafft und die drauf und dran ist, ihr Mutterland zu überflügeln. Hier fehlen
die Maßlosigkeiten, die Extravaganzen, die ein feingebildetes Auge verletzen.
Es scheint, als hätte die Nachbarschaft des zähen Holländers die Wildheit des
Romanen in wohlthätiger Weise temperirt. In der Zimmerdekoration, in der
Bronzewaarenindnstrie, welche immer die unbestrittene Domäne der Franzosen
war, kommen ihnen die Belgier fast schon gleich. In der Gobelinweberei
folgen sie heimischen Traditionen. Rubens und van Dyk find ihre vornehm¬
sten Vorbilder. Ihre Farbe ist nicht so glänzend wie die der französischen.
Sie ist absichtlich abgetönt, um an die klassischen Gobelins zu erinnern, und
dadurch ist ihre Wirkung gediegener, monumentaler. Einen besonderen Ruf
besitzt die belgische Spiegelfabrikation, die der französischen entschieden überlegen
ist. Die Manufaktur von Se. Oignies hat unter anderem eine Spiegelscheibe
ausgestellt, die sechszehn Fuß in der Breite und zweiundzwanzig in der Höhe
mißt. --

Wenn Japan --das ist das allgemeine Urtheil über dieses merkwürdige
Wunderland -- so fort arbeitet, wie es in den letzten fünf Jahren gearbeitet
hat, so hat es in einem Dezennium alle Völker des Abendlandes überflügelt.
In der That droht der europäischen Kunstindustrie von dorther eine große
Gefahr. Man schwankt schon, welchen Bronzearbeiten man den Vorzug geben
soll, den französischen oder den japanischen. Vergebens bemühen sich die Pariser
Bronzeindustriellen hinter die Geheimnisse der Japaner zu kommen. Hier ist
"och die alte Abgeschlossenheit maßgebend, während sich sonst die Produkte des


Silber, Dänemark für Thongeschirr und Silberfiligranschmnck, die Schweiz für
Spitzen, irdenes Geschirr, Uhren und Juwelierarbeiten. In der Spitzen¬
industrie hat, was die Feinheit des Fadens anlangt, Belgien immer noch die
Führung. Inmitten der belgischen Ausstellung ist diesem Industriezweige ein
Tempel errichtet worden, der die luftigen Gewebe von Brüssel, Mecheln und
Antwerpen aufgenommen hat: Spitzengardinen, ganze Roben, Handschuhe, die
den ganzen Arm bedecken, Strümpfe in schwarz und in weiß, Ueberzüge für
Stiefletten, Mantillen, Fächer und Sonnenschirmbezüge, die mit Schäferszenen
S, 1a Watteau oder mit italienischen Landschaften dekorirt sind. Im Ganzen
herrscht aber in der belgischen Spitzenindustrie, was den ornamentalen Theil
anlagt, ein ziemlich heilloser Naturalismus. Dasselbe gilt von den Se. Galterer
Spitzen. Hier steht Oesterreich obenan, besonders seit Professor Storck seinen
geläuterten Geschmack und sein Erfindungstalent der Spitzenindustrie dienstbar
gemacht hat. Wir finden Fächer und Sonnenschirme, die nach seinen Ent¬
würfen gewebt oder geklöppelt sind, von wahrhaft klassischer Schönheit.

Wie Brüssel die Vorschule von Paris, so ist Belgien in industrieller Be¬
ziehung die Filiale Frankreich's, aber eine Filiale, die selbständig denkt und
schafft und die drauf und dran ist, ihr Mutterland zu überflügeln. Hier fehlen
die Maßlosigkeiten, die Extravaganzen, die ein feingebildetes Auge verletzen.
Es scheint, als hätte die Nachbarschaft des zähen Holländers die Wildheit des
Romanen in wohlthätiger Weise temperirt. In der Zimmerdekoration, in der
Bronzewaarenindnstrie, welche immer die unbestrittene Domäne der Franzosen
war, kommen ihnen die Belgier fast schon gleich. In der Gobelinweberei
folgen sie heimischen Traditionen. Rubens und van Dyk find ihre vornehm¬
sten Vorbilder. Ihre Farbe ist nicht so glänzend wie die der französischen.
Sie ist absichtlich abgetönt, um an die klassischen Gobelins zu erinnern, und
dadurch ist ihre Wirkung gediegener, monumentaler. Einen besonderen Ruf
besitzt die belgische Spiegelfabrikation, die der französischen entschieden überlegen
ist. Die Manufaktur von Se. Oignies hat unter anderem eine Spiegelscheibe
ausgestellt, die sechszehn Fuß in der Breite und zweiundzwanzig in der Höhe
mißt. —

Wenn Japan —das ist das allgemeine Urtheil über dieses merkwürdige
Wunderland — so fort arbeitet, wie es in den letzten fünf Jahren gearbeitet
hat, so hat es in einem Dezennium alle Völker des Abendlandes überflügelt.
In der That droht der europäischen Kunstindustrie von dorther eine große
Gefahr. Man schwankt schon, welchen Bronzearbeiten man den Vorzug geben
soll, den französischen oder den japanischen. Vergebens bemühen sich die Pariser
Bronzeindustriellen hinter die Geheimnisse der Japaner zu kommen. Hier ist
»och die alte Abgeschlossenheit maßgebend, während sich sonst die Produkte des


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[0379] Silber, Dänemark für Thongeschirr und Silberfiligranschmnck, die Schweiz für Spitzen, irdenes Geschirr, Uhren und Juwelierarbeiten. In der Spitzen¬ industrie hat, was die Feinheit des Fadens anlangt, Belgien immer noch die Führung. Inmitten der belgischen Ausstellung ist diesem Industriezweige ein Tempel errichtet worden, der die luftigen Gewebe von Brüssel, Mecheln und Antwerpen aufgenommen hat: Spitzengardinen, ganze Roben, Handschuhe, die den ganzen Arm bedecken, Strümpfe in schwarz und in weiß, Ueberzüge für Stiefletten, Mantillen, Fächer und Sonnenschirmbezüge, die mit Schäferszenen S, 1a Watteau oder mit italienischen Landschaften dekorirt sind. Im Ganzen herrscht aber in der belgischen Spitzenindustrie, was den ornamentalen Theil anlagt, ein ziemlich heilloser Naturalismus. Dasselbe gilt von den Se. Galterer Spitzen. Hier steht Oesterreich obenan, besonders seit Professor Storck seinen geläuterten Geschmack und sein Erfindungstalent der Spitzenindustrie dienstbar gemacht hat. Wir finden Fächer und Sonnenschirme, die nach seinen Ent¬ würfen gewebt oder geklöppelt sind, von wahrhaft klassischer Schönheit. Wie Brüssel die Vorschule von Paris, so ist Belgien in industrieller Be¬ ziehung die Filiale Frankreich's, aber eine Filiale, die selbständig denkt und schafft und die drauf und dran ist, ihr Mutterland zu überflügeln. Hier fehlen die Maßlosigkeiten, die Extravaganzen, die ein feingebildetes Auge verletzen. Es scheint, als hätte die Nachbarschaft des zähen Holländers die Wildheit des Romanen in wohlthätiger Weise temperirt. In der Zimmerdekoration, in der Bronzewaarenindnstrie, welche immer die unbestrittene Domäne der Franzosen war, kommen ihnen die Belgier fast schon gleich. In der Gobelinweberei folgen sie heimischen Traditionen. Rubens und van Dyk find ihre vornehm¬ sten Vorbilder. Ihre Farbe ist nicht so glänzend wie die der französischen. Sie ist absichtlich abgetönt, um an die klassischen Gobelins zu erinnern, und dadurch ist ihre Wirkung gediegener, monumentaler. Einen besonderen Ruf besitzt die belgische Spiegelfabrikation, die der französischen entschieden überlegen ist. Die Manufaktur von Se. Oignies hat unter anderem eine Spiegelscheibe ausgestellt, die sechszehn Fuß in der Breite und zweiundzwanzig in der Höhe mißt. — Wenn Japan —das ist das allgemeine Urtheil über dieses merkwürdige Wunderland — so fort arbeitet, wie es in den letzten fünf Jahren gearbeitet hat, so hat es in einem Dezennium alle Völker des Abendlandes überflügelt. In der That droht der europäischen Kunstindustrie von dorther eine große Gefahr. Man schwankt schon, welchen Bronzearbeiten man den Vorzug geben soll, den französischen oder den japanischen. Vergebens bemühen sich die Pariser Bronzeindustriellen hinter die Geheimnisse der Japaner zu kommen. Hier ist »och die alte Abgeschlossenheit maßgebend, während sich sonst die Produkte des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/379>, abgerufen am 22.07.2024.