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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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dem Marsfelde bietet. Die römischen Mosaicisteu Galandi, Rocheggiani und
Unsitte Falcini sind die Meister des Fachs; ihnen reiht sich dann noch der
Florentiner Scarselli ebenbürtig an. Selbständige Mosaikgemälde, die bild-
mäßig in Rahmen gefaßt sind, bilden die höhere, mehr künstlerische Stufe dieser
noblen Industrie, während Tischplatten aus schwarzem Marmor mit farbiger
Mosaikeinlage die mehr handwerkliche und dekorative Seite derselben repräsen-
tiren. Der Platz vor der Peterskirche in Rom und die Fa^abe der Kirche
selbst, die malerischen Ruinen des Foro Romano, das Kolosseum haben den
römischen Mosaieisten die hauptsächlichsten Stoffe für ihre Bilder gegeben, die
in ihrer kunstvollen und präzisen Zusammensetzung auf eine gewisse Entfernung
den Effekt von wirklichen Gemälden bis zur Täuschung erreichen. Die Preise
für diese ungemein sauberen und mühsamen Arbeiten sind nicht allzu hoch.
Ein Bild, das etwa 3^ Fuß Breite bei 2V2 Fuß Höhe hat, kostet 5000 Fras.
Es ist natürlich, daß die ernsten, gradlinigen Formen der klassischen Architektur
deu Mosaieisten ein bequemerer Vorwurf sind als ein figurenreiches Gemälde.
Aber die Geschicklichkeit der römischen Mosaikarbeiter weiß jetzt alle Schwierig¬
keiten zu überwinden. Die Umrisse einer raffaelischen Madonna büßen in der
Wiedergabe durch das Marmormosaik nichts von dem Rhythmus ihrer weichen
Linien ein. Die Madonna della Sedia ist ein sehr beliebtes, oft nachgeahmtes
Vorbild. Von besonderer Anmuth und köstlichem Farbenreiz ist eine Reihe
von Einzelfiguren, die in schwarze Marmortafeln eingelegt sind, von dem be¬
reits genannten Scarselli in Florenz. Es sind italienische Bauern und Bäuer¬
innen, die Masken der alten italienischen Komödie, moderne Ballettänzerinnen,
Debardenrs u. s. w., allerliebste Figürchen, zu deren Erfindung und Zeichnung
sich französische Koketterie und Grazie mit italienischer Verve vereinigt haben.

Aus schwarzem, glänzend polirtem Marmor bestehen auch die Tischplatten,
die mit farbigem Mosaik verziert sind. Blumen, Vasen, Vogel, Landschaften,
Figuren bilden den Schmuck dieser Tische, der keine bildmäßigen Prätensionen
macht, sondern sich in bescheidenen dekorativen Grenzen hält. Eine der schön¬
sten unter diesen Tischplatten ist dem Andenken Michelangelo's gewidmet. Der
Künstler, Goffredo Gherardi, hat die Attribute, die Werkzeuge und die Pro¬
dukte der vier Künste, in denen der seltene Genius exzellirte, in buntem, aber
graziösen Gemisch auf der Platte ausgestreut: eine Nachbildung der berühmten
Nacht vom Medizeergrabmal steht neben dem Tintenfasse des Dichters, darunter
liegt der Zirkel des Architekten und der Grundriß der Peterskirche, ein Buch
mit den Sonetten Michelangelo's, eine hellblaue Vase mit goldenen Ornamenten,
Meißel, Pinsel und Palette. Durch diese Geräthe und Kunstgegenstünde schlingt
sich noch ein buntes Blumengewirr.

Unter deu italienischen Goldschmieden nehmen Augusto und Alessandro


Grenzboten III. 1873. 47

dem Marsfelde bietet. Die römischen Mosaicisteu Galandi, Rocheggiani und
Unsitte Falcini sind die Meister des Fachs; ihnen reiht sich dann noch der
Florentiner Scarselli ebenbürtig an. Selbständige Mosaikgemälde, die bild-
mäßig in Rahmen gefaßt sind, bilden die höhere, mehr künstlerische Stufe dieser
noblen Industrie, während Tischplatten aus schwarzem Marmor mit farbiger
Mosaikeinlage die mehr handwerkliche und dekorative Seite derselben repräsen-
tiren. Der Platz vor der Peterskirche in Rom und die Fa^abe der Kirche
selbst, die malerischen Ruinen des Foro Romano, das Kolosseum haben den
römischen Mosaieisten die hauptsächlichsten Stoffe für ihre Bilder gegeben, die
in ihrer kunstvollen und präzisen Zusammensetzung auf eine gewisse Entfernung
den Effekt von wirklichen Gemälden bis zur Täuschung erreichen. Die Preise
für diese ungemein sauberen und mühsamen Arbeiten sind nicht allzu hoch.
Ein Bild, das etwa 3^ Fuß Breite bei 2V2 Fuß Höhe hat, kostet 5000 Fras.
Es ist natürlich, daß die ernsten, gradlinigen Formen der klassischen Architektur
deu Mosaieisten ein bequemerer Vorwurf sind als ein figurenreiches Gemälde.
Aber die Geschicklichkeit der römischen Mosaikarbeiter weiß jetzt alle Schwierig¬
keiten zu überwinden. Die Umrisse einer raffaelischen Madonna büßen in der
Wiedergabe durch das Marmormosaik nichts von dem Rhythmus ihrer weichen
Linien ein. Die Madonna della Sedia ist ein sehr beliebtes, oft nachgeahmtes
Vorbild. Von besonderer Anmuth und köstlichem Farbenreiz ist eine Reihe
von Einzelfiguren, die in schwarze Marmortafeln eingelegt sind, von dem be¬
reits genannten Scarselli in Florenz. Es sind italienische Bauern und Bäuer¬
innen, die Masken der alten italienischen Komödie, moderne Ballettänzerinnen,
Debardenrs u. s. w., allerliebste Figürchen, zu deren Erfindung und Zeichnung
sich französische Koketterie und Grazie mit italienischer Verve vereinigt haben.

Aus schwarzem, glänzend polirtem Marmor bestehen auch die Tischplatten,
die mit farbigem Mosaik verziert sind. Blumen, Vasen, Vogel, Landschaften,
Figuren bilden den Schmuck dieser Tische, der keine bildmäßigen Prätensionen
macht, sondern sich in bescheidenen dekorativen Grenzen hält. Eine der schön¬
sten unter diesen Tischplatten ist dem Andenken Michelangelo's gewidmet. Der
Künstler, Goffredo Gherardi, hat die Attribute, die Werkzeuge und die Pro¬
dukte der vier Künste, in denen der seltene Genius exzellirte, in buntem, aber
graziösen Gemisch auf der Platte ausgestreut: eine Nachbildung der berühmten
Nacht vom Medizeergrabmal steht neben dem Tintenfasse des Dichters, darunter
liegt der Zirkel des Architekten und der Grundriß der Peterskirche, ein Buch
mit den Sonetten Michelangelo's, eine hellblaue Vase mit goldenen Ornamenten,
Meißel, Pinsel und Palette. Durch diese Geräthe und Kunstgegenstünde schlingt
sich noch ein buntes Blumengewirr.

Unter deu italienischen Goldschmieden nehmen Augusto und Alessandro


Grenzboten III. 1873. 47
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[0377] dem Marsfelde bietet. Die römischen Mosaicisteu Galandi, Rocheggiani und Unsitte Falcini sind die Meister des Fachs; ihnen reiht sich dann noch der Florentiner Scarselli ebenbürtig an. Selbständige Mosaikgemälde, die bild- mäßig in Rahmen gefaßt sind, bilden die höhere, mehr künstlerische Stufe dieser noblen Industrie, während Tischplatten aus schwarzem Marmor mit farbiger Mosaikeinlage die mehr handwerkliche und dekorative Seite derselben repräsen- tiren. Der Platz vor der Peterskirche in Rom und die Fa^abe der Kirche selbst, die malerischen Ruinen des Foro Romano, das Kolosseum haben den römischen Mosaieisten die hauptsächlichsten Stoffe für ihre Bilder gegeben, die in ihrer kunstvollen und präzisen Zusammensetzung auf eine gewisse Entfernung den Effekt von wirklichen Gemälden bis zur Täuschung erreichen. Die Preise für diese ungemein sauberen und mühsamen Arbeiten sind nicht allzu hoch. Ein Bild, das etwa 3^ Fuß Breite bei 2V2 Fuß Höhe hat, kostet 5000 Fras. Es ist natürlich, daß die ernsten, gradlinigen Formen der klassischen Architektur deu Mosaieisten ein bequemerer Vorwurf sind als ein figurenreiches Gemälde. Aber die Geschicklichkeit der römischen Mosaikarbeiter weiß jetzt alle Schwierig¬ keiten zu überwinden. Die Umrisse einer raffaelischen Madonna büßen in der Wiedergabe durch das Marmormosaik nichts von dem Rhythmus ihrer weichen Linien ein. Die Madonna della Sedia ist ein sehr beliebtes, oft nachgeahmtes Vorbild. Von besonderer Anmuth und köstlichem Farbenreiz ist eine Reihe von Einzelfiguren, die in schwarze Marmortafeln eingelegt sind, von dem be¬ reits genannten Scarselli in Florenz. Es sind italienische Bauern und Bäuer¬ innen, die Masken der alten italienischen Komödie, moderne Ballettänzerinnen, Debardenrs u. s. w., allerliebste Figürchen, zu deren Erfindung und Zeichnung sich französische Koketterie und Grazie mit italienischer Verve vereinigt haben. Aus schwarzem, glänzend polirtem Marmor bestehen auch die Tischplatten, die mit farbigem Mosaik verziert sind. Blumen, Vasen, Vogel, Landschaften, Figuren bilden den Schmuck dieser Tische, der keine bildmäßigen Prätensionen macht, sondern sich in bescheidenen dekorativen Grenzen hält. Eine der schön¬ sten unter diesen Tischplatten ist dem Andenken Michelangelo's gewidmet. Der Künstler, Goffredo Gherardi, hat die Attribute, die Werkzeuge und die Pro¬ dukte der vier Künste, in denen der seltene Genius exzellirte, in buntem, aber graziösen Gemisch auf der Platte ausgestreut: eine Nachbildung der berühmten Nacht vom Medizeergrabmal steht neben dem Tintenfasse des Dichters, darunter liegt der Zirkel des Architekten und der Grundriß der Peterskirche, ein Buch mit den Sonetten Michelangelo's, eine hellblaue Vase mit goldenen Ornamenten, Meißel, Pinsel und Palette. Durch diese Geräthe und Kunstgegenstünde schlingt sich noch ein buntes Blumengewirr. Unter deu italienischen Goldschmieden nehmen Augusto und Alessandro Grenzboten III. 1873. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/377>, abgerufen am 22.07.2024.