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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Pressen nur noch ein kleiner Theil hervorging, und zwar druckte sie Michael
Lotter allein; alles andre druckt ein domo rwvuZ, der völlig unerwartet an der
Seite der beiden Lotter erscheint: Hans Luft.

Wer den Thatsachen bis hierher gefolgt ist, der wird sich mit Erstaunen
fragen, was wohl der Grund gewesen sein mag, daß der Familie Lotter eine
so ehrenvolle und gewinnbringende Arbeit, der sie nun drittehalb Jahre lang
fast ausschließlich ihre Kräfte gewidmet und die sie in untadliger Weise bisher
ausgeführt hatte, so nahe der Vollendung uoch entzogen und in andere Hände
gelegt wurde. Leider ist die Frage nicht endgiltig zu beantworten. Die Ursachen
des plötzlichen Wechsels werden sich schwerlich jemals ganz nachweisen lassen.
Einige Anhaltepunkte dafür gewähren aber doch auch hier wieder die Briefe
Luther's und außerdem eine umfängliche Bittschrift, die der alte Melchior
Lotter am 11. September 1524 an den Kurfürsten Friedrich richtete und deren
Original im Ernestinischen Hausarchiv in Weimar aufbewahrt wird.*)

Schon am 13. Juni 1520, also kaum ein halbes Jahr nachdem Lotter
seine Druckerei in Wittenberg in Gang gebracht hatte, schreibt Luther an Spalatin:
"Wegen Lotter's glaubet den Angebern nichts, mein Spalatin; es ist Menschen¬
wort, was zu euch gedrungen ist: ich weiß es anders." Vier Jahre später,
im Mai 1524, schreibt er an ebendenselben: "Um Christi willen bitte ich
Euch, sehet zu, daß Lotter nicht in so bösem Leumund stehe beim Fürsten. Ihr
glaubet nicht, wie sehr der Manu sich ängstiget, weil er gehört, daß er so
schlimm angegeben worden. Er ist gewißlich ein guter Mann und schon mehr
als genug bestraft für sein Vergehen", und am 13. September 1524 abermals
an Spalatin: "Ich höre, daß es Melchior Lotter bei dem Fürsten schlecht er¬
gangen. Was ist es noth, ich bitte Euch, einem Betrübten noch mehr wehe
zu thun? Laßt uns seiner doch einmal schonen, er hat Strafe und Unglück
genug. Darum seid ein guter Mittler, und so es nöthig ist, daß ich selber für
ihn schreibe, will ich's gerne thun."

Zwei Tage vor diesem letzten Briefe ist Lotter's Bittschrift an den Kur¬
fürsten datirt. Folgendes ist ihr genauer Inhalt, mit Hinweglassung aller
unwesentlichen Stellen.

Vor allem vertheidigt sich Lotter gegen eine Anschuldigung, die nun schon
zum zweiten Male wider ihn erhoben worden sei. Es sei ihm glaubwürdig
hinterbracht worden und er spüre es ja auch deutlich genug an seinem Geschäft,
daß man ihn beim Kurfürsten angeschuldigt habe, daß er "mit feinem Sohne
zu Wittenberg stets auf flüchtigem Fuße stehe", kein Haus in Wittenberg kaufe"



') Die Vermittlung einer sorgfältig kollationirten Abschrift davon verdanke ich der
großen Güte des Herrn Archivdirektors Dr, Burkhardt in Weimar.

Pressen nur noch ein kleiner Theil hervorging, und zwar druckte sie Michael
Lotter allein; alles andre druckt ein domo rwvuZ, der völlig unerwartet an der
Seite der beiden Lotter erscheint: Hans Luft.

Wer den Thatsachen bis hierher gefolgt ist, der wird sich mit Erstaunen
fragen, was wohl der Grund gewesen sein mag, daß der Familie Lotter eine
so ehrenvolle und gewinnbringende Arbeit, der sie nun drittehalb Jahre lang
fast ausschließlich ihre Kräfte gewidmet und die sie in untadliger Weise bisher
ausgeführt hatte, so nahe der Vollendung uoch entzogen und in andere Hände
gelegt wurde. Leider ist die Frage nicht endgiltig zu beantworten. Die Ursachen
des plötzlichen Wechsels werden sich schwerlich jemals ganz nachweisen lassen.
Einige Anhaltepunkte dafür gewähren aber doch auch hier wieder die Briefe
Luther's und außerdem eine umfängliche Bittschrift, die der alte Melchior
Lotter am 11. September 1524 an den Kurfürsten Friedrich richtete und deren
Original im Ernestinischen Hausarchiv in Weimar aufbewahrt wird.*)

Schon am 13. Juni 1520, also kaum ein halbes Jahr nachdem Lotter
seine Druckerei in Wittenberg in Gang gebracht hatte, schreibt Luther an Spalatin:
„Wegen Lotter's glaubet den Angebern nichts, mein Spalatin; es ist Menschen¬
wort, was zu euch gedrungen ist: ich weiß es anders." Vier Jahre später,
im Mai 1524, schreibt er an ebendenselben: „Um Christi willen bitte ich
Euch, sehet zu, daß Lotter nicht in so bösem Leumund stehe beim Fürsten. Ihr
glaubet nicht, wie sehr der Manu sich ängstiget, weil er gehört, daß er so
schlimm angegeben worden. Er ist gewißlich ein guter Mann und schon mehr
als genug bestraft für sein Vergehen", und am 13. September 1524 abermals
an Spalatin: „Ich höre, daß es Melchior Lotter bei dem Fürsten schlecht er¬
gangen. Was ist es noth, ich bitte Euch, einem Betrübten noch mehr wehe
zu thun? Laßt uns seiner doch einmal schonen, er hat Strafe und Unglück
genug. Darum seid ein guter Mittler, und so es nöthig ist, daß ich selber für
ihn schreibe, will ich's gerne thun."

Zwei Tage vor diesem letzten Briefe ist Lotter's Bittschrift an den Kur¬
fürsten datirt. Folgendes ist ihr genauer Inhalt, mit Hinweglassung aller
unwesentlichen Stellen.

Vor allem vertheidigt sich Lotter gegen eine Anschuldigung, die nun schon
zum zweiten Male wider ihn erhoben worden sei. Es sei ihm glaubwürdig
hinterbracht worden und er spüre es ja auch deutlich genug an seinem Geschäft,
daß man ihn beim Kurfürsten angeschuldigt habe, daß er „mit feinem Sohne
zu Wittenberg stets auf flüchtigem Fuße stehe", kein Haus in Wittenberg kaufe»



') Die Vermittlung einer sorgfältig kollationirten Abschrift davon verdanke ich der
großen Güte des Herrn Archivdirektors Dr, Burkhardt in Weimar.
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[0299] Pressen nur noch ein kleiner Theil hervorging, und zwar druckte sie Michael Lotter allein; alles andre druckt ein domo rwvuZ, der völlig unerwartet an der Seite der beiden Lotter erscheint: Hans Luft. Wer den Thatsachen bis hierher gefolgt ist, der wird sich mit Erstaunen fragen, was wohl der Grund gewesen sein mag, daß der Familie Lotter eine so ehrenvolle und gewinnbringende Arbeit, der sie nun drittehalb Jahre lang fast ausschließlich ihre Kräfte gewidmet und die sie in untadliger Weise bisher ausgeführt hatte, so nahe der Vollendung uoch entzogen und in andere Hände gelegt wurde. Leider ist die Frage nicht endgiltig zu beantworten. Die Ursachen des plötzlichen Wechsels werden sich schwerlich jemals ganz nachweisen lassen. Einige Anhaltepunkte dafür gewähren aber doch auch hier wieder die Briefe Luther's und außerdem eine umfängliche Bittschrift, die der alte Melchior Lotter am 11. September 1524 an den Kurfürsten Friedrich richtete und deren Original im Ernestinischen Hausarchiv in Weimar aufbewahrt wird.*) Schon am 13. Juni 1520, also kaum ein halbes Jahr nachdem Lotter seine Druckerei in Wittenberg in Gang gebracht hatte, schreibt Luther an Spalatin: „Wegen Lotter's glaubet den Angebern nichts, mein Spalatin; es ist Menschen¬ wort, was zu euch gedrungen ist: ich weiß es anders." Vier Jahre später, im Mai 1524, schreibt er an ebendenselben: „Um Christi willen bitte ich Euch, sehet zu, daß Lotter nicht in so bösem Leumund stehe beim Fürsten. Ihr glaubet nicht, wie sehr der Manu sich ängstiget, weil er gehört, daß er so schlimm angegeben worden. Er ist gewißlich ein guter Mann und schon mehr als genug bestraft für sein Vergehen", und am 13. September 1524 abermals an Spalatin: „Ich höre, daß es Melchior Lotter bei dem Fürsten schlecht er¬ gangen. Was ist es noth, ich bitte Euch, einem Betrübten noch mehr wehe zu thun? Laßt uns seiner doch einmal schonen, er hat Strafe und Unglück genug. Darum seid ein guter Mittler, und so es nöthig ist, daß ich selber für ihn schreibe, will ich's gerne thun." Zwei Tage vor diesem letzten Briefe ist Lotter's Bittschrift an den Kur¬ fürsten datirt. Folgendes ist ihr genauer Inhalt, mit Hinweglassung aller unwesentlichen Stellen. Vor allem vertheidigt sich Lotter gegen eine Anschuldigung, die nun schon zum zweiten Male wider ihn erhoben worden sei. Es sei ihm glaubwürdig hinterbracht worden und er spüre es ja auch deutlich genug an seinem Geschäft, daß man ihn beim Kurfürsten angeschuldigt habe, daß er „mit feinem Sohne zu Wittenberg stets auf flüchtigem Fuße stehe", kein Haus in Wittenberg kaufe» ') Die Vermittlung einer sorgfältig kollationirten Abschrift davon verdanke ich der großen Güte des Herrn Archivdirektors Dr, Burkhardt in Weimar.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/299>, abgerufen am 22.07.2024.