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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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IM 1520 an Spalatin, Lotter habe mit ihm wegen des Druckes der Postille
verhandelt; er wolle aber womöglich ein Reichsprivilegium dafür haben, damit
keiner in Deutschland sie ihm nachdrucken dürfe. Vielleicht könne ihm der
Kurfürst das vermitteln. Um dieselbe Zeit druckte Lotter an Luther's berühmter
Schrift: "An den christlichen Adel deutscher Nation." Wie Luther am
18. August 1520 an Lange berichtet, betrug die erste Auflage 4000 Exemplare.
Und da viel dagegen geeifert wurde und man Luther vorwarf, er hätte die
Schrift doch nicht ausgeben sollen, so entgegnet er, die Herausgabe habe nicht
in seiner Hand gelegen, Lotter hätte doch nicht einen so großen Verlust tragen
können. Am 23. August war bereits die zweite Auflage mit Zusätzen bei
Lotter unter der Presse. Alle diese Angaben beziehen sich natürlich auf Melchior
Lotter den Jüngeren.

Zwar beschäftigte Luther, wie er früher theilweise in Leipzig hatte drucken
lassen, jetzt neben der Lotter'schen Offizin auch ab und zu noch Grünberg.
War er doch sehr wohl im Staude, bei seiner unausgesetzten Thätigkeit und
bei dem reißenden Absatz, den seine Schriften fanden, zwei, drei Druckereien
gleichzeitig mit Arbeit zu versorgen. Die Drucker hatten Mühe, mit seiner
raschen Feder gleichen Schritt zu halten. Wie er zu derselben Zeit, wo Lotter
noch in Leipzig mit der Herstellung des Kommentars zum Galaterbriefe be¬
schäftigt war, Grünberg die berühmte Schrift: "Gegen den Bock Emser", zu
drucken gab, so schreibt er am 26. Januar 1520, wo also Lotter bereits in
Wittenberg war, an Lange, es werde jetzt eine neue Auflage seiner OxsiAtiones
in?s",1rQ08 erscheinen, weil sonst der Drucker Schaden habe, wenn ihm das
viele Papier liegen bleibe; daneben aber werde seiner Zeit eine Ausgabe mit
schönerem Druck aus Lotter's Offizin hervorgehen. Die gewöhnliche Ausgabe
kann also nur bei Grünberg gedruckt worden sein. Offenbar gab ihm Luther
dann und wann noch einmal aus Gnade und Barmherzigkeit ein Werk in
Arbeit, so unzufrieden er auch mit seinen Leistungen war. Dies geht deutlich
aus einem Briefe hervor, den er am 15. August 1521 von der Wartburg aus
an Spalatin richtet. Spalatin hat ihm den zweiten und dritten Aushänge¬
bogen seiner Schrift über die Beichte zugeschickt, und Luther ist sehr ärgerlich
über deu schlechten Druck. "Ich wollte -- schreibt er -- ich hätte nichts
deutsches geschickt, so abscheulich, so nachlässig, so unordentlich ist es gedruckt,
von der Abscheulichkeit der Typen und des Papiers ganz zu schweigen. Buch¬
drucker Hans bleibt doch ewig Hans. Ich bitte Euch inständigst, sorget dafür,
daß er ja nicht die deutsche Postille drücke, sondern daß lieber aufgehoben und
mir wiedergeschickt werde, was ich davon geschickt habe, damit ich es anders¬
wohin schicke. Denn was hilft es, so gearbeitet zu haben, wenn durch solche
abscheuliche Nachlässigkeit den andern Druckern Gelegenheit gegeben wird, die


IM 1520 an Spalatin, Lotter habe mit ihm wegen des Druckes der Postille
verhandelt; er wolle aber womöglich ein Reichsprivilegium dafür haben, damit
keiner in Deutschland sie ihm nachdrucken dürfe. Vielleicht könne ihm der
Kurfürst das vermitteln. Um dieselbe Zeit druckte Lotter an Luther's berühmter
Schrift: „An den christlichen Adel deutscher Nation." Wie Luther am
18. August 1520 an Lange berichtet, betrug die erste Auflage 4000 Exemplare.
Und da viel dagegen geeifert wurde und man Luther vorwarf, er hätte die
Schrift doch nicht ausgeben sollen, so entgegnet er, die Herausgabe habe nicht
in seiner Hand gelegen, Lotter hätte doch nicht einen so großen Verlust tragen
können. Am 23. August war bereits die zweite Auflage mit Zusätzen bei
Lotter unter der Presse. Alle diese Angaben beziehen sich natürlich auf Melchior
Lotter den Jüngeren.

Zwar beschäftigte Luther, wie er früher theilweise in Leipzig hatte drucken
lassen, jetzt neben der Lotter'schen Offizin auch ab und zu noch Grünberg.
War er doch sehr wohl im Staude, bei seiner unausgesetzten Thätigkeit und
bei dem reißenden Absatz, den seine Schriften fanden, zwei, drei Druckereien
gleichzeitig mit Arbeit zu versorgen. Die Drucker hatten Mühe, mit seiner
raschen Feder gleichen Schritt zu halten. Wie er zu derselben Zeit, wo Lotter
noch in Leipzig mit der Herstellung des Kommentars zum Galaterbriefe be¬
schäftigt war, Grünberg die berühmte Schrift: „Gegen den Bock Emser", zu
drucken gab, so schreibt er am 26. Januar 1520, wo also Lotter bereits in
Wittenberg war, an Lange, es werde jetzt eine neue Auflage seiner OxsiAtiones
in?s»,1rQ08 erscheinen, weil sonst der Drucker Schaden habe, wenn ihm das
viele Papier liegen bleibe; daneben aber werde seiner Zeit eine Ausgabe mit
schönerem Druck aus Lotter's Offizin hervorgehen. Die gewöhnliche Ausgabe
kann also nur bei Grünberg gedruckt worden sein. Offenbar gab ihm Luther
dann und wann noch einmal aus Gnade und Barmherzigkeit ein Werk in
Arbeit, so unzufrieden er auch mit seinen Leistungen war. Dies geht deutlich
aus einem Briefe hervor, den er am 15. August 1521 von der Wartburg aus
an Spalatin richtet. Spalatin hat ihm den zweiten und dritten Aushänge¬
bogen seiner Schrift über die Beichte zugeschickt, und Luther ist sehr ärgerlich
über deu schlechten Druck. „Ich wollte — schreibt er — ich hätte nichts
deutsches geschickt, so abscheulich, so nachlässig, so unordentlich ist es gedruckt,
von der Abscheulichkeit der Typen und des Papiers ganz zu schweigen. Buch¬
drucker Hans bleibt doch ewig Hans. Ich bitte Euch inständigst, sorget dafür,
daß er ja nicht die deutsche Postille drücke, sondern daß lieber aufgehoben und
mir wiedergeschickt werde, was ich davon geschickt habe, damit ich es anders¬
wohin schicke. Denn was hilft es, so gearbeitet zu haben, wenn durch solche
abscheuliche Nachlässigkeit den andern Druckern Gelegenheit gegeben wird, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/296>, abgerufen am 22.07.2024.