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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Mal gleichzeitig mit Melanchthon. Aber jedenfalls verlangte Lotter Bürg¬
schaften für sein Fortkommen in Wittenberg und suchte sich vor allem des
kurfürstlichen Schutzes zu versichern. In einem Schreiben wenigstens, das
Luther in Gemeinschaft mit dem Rektor und einigen anderen Professoren der
Wittenberger Universität am 23. Februar 1519 an Kurfürst Friedrich richtete,
und worin sie den Vorschlag machen, einige scholastische Kollegien, da sie von
den Studenten doch nur spärlich besucht würden, durch Vorlesungen über
Aristoteles und Ovid's Metamorphosen zu ersetzen, heißt es am Schlüsse:
"Auch ists bei Vielen für gut angesehen, so wir mochten einen redlichen Drucker
hie zu Wittenberg haben, dann das sollt nit wenig der Universität Fürderung
und E. k. G. Ehr einlegen. Den Text ^ristowlis und ander Lection kunnt
man damit fürdern, die sonst ohne Bücher gehört nit so begreiflich und nützlich
sein mögen." Augenscheinlich ist es auch Melmichthon's Wunsch, der ans
diesen Zeilen spricht.

Aber noch ehe Kurfürst Friedrich auf die Wünsche der Wittenberger Pro¬
fessoren eingegangen war, müssen die Verhandlungen zwischen Luther und Lotter
zum Abschlüsse gelangt sein. Im Mai 1519 war die Errichtung einer Druckerei
in Wittenberg durch Lotter beschlossene Sache, und schon die bloße Aussicht
darauf war für Luther so hocherfrenlich, daß er sofort, am 8. Mai 1519, in
einem besonderen Briefe Spalatin von dem bevorstehenden freudigen Ereigmß
in Kenntniß setzt. "Melchior Lotter kommt -- schreibt er ihm -- mit treff¬
lichen Matrizen versehen, die er von Froben (dem berühmten Baseler Drucker)
bekommen hat, und ist bereit, bei uns eine Druckerei einzurichten, wenn unser
durchlauchtigster Fürst geruhen wird, seine Zustimmung dazu zu geben, wie
wir schon früher ihrer Durchlaucht zu wissen gethan haben. Nun ergeht an
Eure Dienstwilligkeit die Bitte, daß Ihr zum gemeinen Nutzen mit Rath und
Hilfe uns beistehet. Wir glauben, daß dies für uns, insonderheit für unsere
Universität eine Zierde sein werde, aber auch ein Vortheil für die Hörer, zumal
da Philippus zugegen ist, der die griechische Sprache gern treulich und reichlich
ausbreiten möchte."

Die thatsächliche Uebersiedlung Lotter's nach Wittenberg zog sich aber bis
Ende des Jahres 1519 hin. Die Vorbereitungen dazu waren wohl nicht so
schnell getroffen. Manches Bedenken mag zu erledigen, manche Arbeit zum
Abschluß zu bringen, mancherlei neues Material anzuschaffen, vor allem auch
ein passendes Lokal in Wittenberg zu suchen gewesen sein. Während der
Leipziger Disputation, im Sommer 1519, wo Luther, Melanchthon und andere
Wittenberger Gelehrte in Lotter's Herberge Wohnung nahmen, wird Luther
uicht unterlassen haben, seinen Wirth zur Eile zu mahnen. Aber noch Monate
lang mußte Luther seine Manuskripte nach Leipzig zum Druck senden. Am


Mal gleichzeitig mit Melanchthon. Aber jedenfalls verlangte Lotter Bürg¬
schaften für sein Fortkommen in Wittenberg und suchte sich vor allem des
kurfürstlichen Schutzes zu versichern. In einem Schreiben wenigstens, das
Luther in Gemeinschaft mit dem Rektor und einigen anderen Professoren der
Wittenberger Universität am 23. Februar 1519 an Kurfürst Friedrich richtete,
und worin sie den Vorschlag machen, einige scholastische Kollegien, da sie von
den Studenten doch nur spärlich besucht würden, durch Vorlesungen über
Aristoteles und Ovid's Metamorphosen zu ersetzen, heißt es am Schlüsse:
„Auch ists bei Vielen für gut angesehen, so wir mochten einen redlichen Drucker
hie zu Wittenberg haben, dann das sollt nit wenig der Universität Fürderung
und E. k. G. Ehr einlegen. Den Text ^ristowlis und ander Lection kunnt
man damit fürdern, die sonst ohne Bücher gehört nit so begreiflich und nützlich
sein mögen." Augenscheinlich ist es auch Melmichthon's Wunsch, der ans
diesen Zeilen spricht.

Aber noch ehe Kurfürst Friedrich auf die Wünsche der Wittenberger Pro¬
fessoren eingegangen war, müssen die Verhandlungen zwischen Luther und Lotter
zum Abschlüsse gelangt sein. Im Mai 1519 war die Errichtung einer Druckerei
in Wittenberg durch Lotter beschlossene Sache, und schon die bloße Aussicht
darauf war für Luther so hocherfrenlich, daß er sofort, am 8. Mai 1519, in
einem besonderen Briefe Spalatin von dem bevorstehenden freudigen Ereigmß
in Kenntniß setzt. „Melchior Lotter kommt — schreibt er ihm — mit treff¬
lichen Matrizen versehen, die er von Froben (dem berühmten Baseler Drucker)
bekommen hat, und ist bereit, bei uns eine Druckerei einzurichten, wenn unser
durchlauchtigster Fürst geruhen wird, seine Zustimmung dazu zu geben, wie
wir schon früher ihrer Durchlaucht zu wissen gethan haben. Nun ergeht an
Eure Dienstwilligkeit die Bitte, daß Ihr zum gemeinen Nutzen mit Rath und
Hilfe uns beistehet. Wir glauben, daß dies für uns, insonderheit für unsere
Universität eine Zierde sein werde, aber auch ein Vortheil für die Hörer, zumal
da Philippus zugegen ist, der die griechische Sprache gern treulich und reichlich
ausbreiten möchte."

Die thatsächliche Uebersiedlung Lotter's nach Wittenberg zog sich aber bis
Ende des Jahres 1519 hin. Die Vorbereitungen dazu waren wohl nicht so
schnell getroffen. Manches Bedenken mag zu erledigen, manche Arbeit zum
Abschluß zu bringen, mancherlei neues Material anzuschaffen, vor allem auch
ein passendes Lokal in Wittenberg zu suchen gewesen sein. Während der
Leipziger Disputation, im Sommer 1519, wo Luther, Melanchthon und andere
Wittenberger Gelehrte in Lotter's Herberge Wohnung nahmen, wird Luther
uicht unterlassen haben, seinen Wirth zur Eile zu mahnen. Aber noch Monate
lang mußte Luther seine Manuskripte nach Leipzig zum Druck senden. Am


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[0294] Mal gleichzeitig mit Melanchthon. Aber jedenfalls verlangte Lotter Bürg¬ schaften für sein Fortkommen in Wittenberg und suchte sich vor allem des kurfürstlichen Schutzes zu versichern. In einem Schreiben wenigstens, das Luther in Gemeinschaft mit dem Rektor und einigen anderen Professoren der Wittenberger Universität am 23. Februar 1519 an Kurfürst Friedrich richtete, und worin sie den Vorschlag machen, einige scholastische Kollegien, da sie von den Studenten doch nur spärlich besucht würden, durch Vorlesungen über Aristoteles und Ovid's Metamorphosen zu ersetzen, heißt es am Schlüsse: „Auch ists bei Vielen für gut angesehen, so wir mochten einen redlichen Drucker hie zu Wittenberg haben, dann das sollt nit wenig der Universität Fürderung und E. k. G. Ehr einlegen. Den Text ^ristowlis und ander Lection kunnt man damit fürdern, die sonst ohne Bücher gehört nit so begreiflich und nützlich sein mögen." Augenscheinlich ist es auch Melmichthon's Wunsch, der ans diesen Zeilen spricht. Aber noch ehe Kurfürst Friedrich auf die Wünsche der Wittenberger Pro¬ fessoren eingegangen war, müssen die Verhandlungen zwischen Luther und Lotter zum Abschlüsse gelangt sein. Im Mai 1519 war die Errichtung einer Druckerei in Wittenberg durch Lotter beschlossene Sache, und schon die bloße Aussicht darauf war für Luther so hocherfrenlich, daß er sofort, am 8. Mai 1519, in einem besonderen Briefe Spalatin von dem bevorstehenden freudigen Ereigmß in Kenntniß setzt. „Melchior Lotter kommt — schreibt er ihm — mit treff¬ lichen Matrizen versehen, die er von Froben (dem berühmten Baseler Drucker) bekommen hat, und ist bereit, bei uns eine Druckerei einzurichten, wenn unser durchlauchtigster Fürst geruhen wird, seine Zustimmung dazu zu geben, wie wir schon früher ihrer Durchlaucht zu wissen gethan haben. Nun ergeht an Eure Dienstwilligkeit die Bitte, daß Ihr zum gemeinen Nutzen mit Rath und Hilfe uns beistehet. Wir glauben, daß dies für uns, insonderheit für unsere Universität eine Zierde sein werde, aber auch ein Vortheil für die Hörer, zumal da Philippus zugegen ist, der die griechische Sprache gern treulich und reichlich ausbreiten möchte." Die thatsächliche Uebersiedlung Lotter's nach Wittenberg zog sich aber bis Ende des Jahres 1519 hin. Die Vorbereitungen dazu waren wohl nicht so schnell getroffen. Manches Bedenken mag zu erledigen, manche Arbeit zum Abschluß zu bringen, mancherlei neues Material anzuschaffen, vor allem auch ein passendes Lokal in Wittenberg zu suchen gewesen sein. Während der Leipziger Disputation, im Sommer 1519, wo Luther, Melanchthon und andere Wittenberger Gelehrte in Lotter's Herberge Wohnung nahmen, wird Luther uicht unterlassen haben, seinen Wirth zur Eile zu mahnen. Aber noch Monate lang mußte Luther seine Manuskripte nach Leipzig zum Druck senden. Am

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/294>, abgerufen am 22.07.2024.