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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Aus den Titeln der Bücher aber, die Münzer bei dieser Gelegenheit bezahlt
oder nach deren Preis er sich erkundigt, geht hervor, daß Lotter neben seinen
eigenen Verlagsartikeln auch ein Sortiment führte. nachweislich war er z. B.
der Kommissionär Ulrich von Hutten's. Dieser schickte im November 1518 von
Augsburg 200 Exemplare seiner soeben gedruckten "Epistel an Wilibald Pirck-
heimer", 60 Exemplare seines "Gesprächs vom Hofleben" und 50 von seiner
"Ermahnung an die Fürsten" an Pirckheimer nach Nürnberg, mit dem Auf¬
trage, sie theils an die Koburger'sche Buchhandlung in Nürnberg zum Verkauf
zu übergeben, theils sie an Lotter nach Leipzig zum Vertriebe zu übersenden.
Seinen offenen Laden hatte Lotter in Leipzig unterm Rathhause. Dort ver¬
kaufte er neben seinen Büchern auch Papier und Pergament. Der Rath be¬
zog, wie die Stadtkassenrechnungen ausweisen, von 1514 an bis Ende der
dreißiger Jahre einen beträchtlichen Theil seines gesammten Bedarfs an Schreib¬
papier von Lotter. Gewöhnlich besorgte dieser im Auftrage des Raths von
der Frankfurter Messe "einen Ballen Ravelspurger" im Ganzen, und kleinere
Quantitäten wurden nach Bedarf im Laden nachgetauft.

Außer seiner Buchdruckerei, seinem Buch- und Papierhandel hielt Lotter
aber auch -- nichts ungewöhnliches in jener Zeit -- eine Herberge mit Wein-
schank. Noch vor dem Jahre 1510 gelangte er, wie die Schlußschriften auf
feinen Drucken beweisen, in den Besitz eines Grundstückes auf der Hainstraße
in Leipzig. Wo es gelegen, ist nicht mehr zu sagen. Da sich auch das Be-
sitzthum seines Schwiegervaters Kachelofen auf der Hainstraße befand, dieser
aber nachweislich später ein Haus auf der Nikolaistraße besaß, so wäre es mög¬
lich, daß Kachelofen's und Lotter's Haus ein und dasselbe war, denn die An¬
nahme liegt nahe, daß Kachelofen, da er dem Schwiegersohn die Druckerei
überließ, ihm schließlich auch das Grundstück abgetreten habe. Auf jeden Fall
befand sich in Lotter's Hause außer der Druckerei auch die Herberge und der
Weinschank. Die Stadtkassenrechnungen verzeichnen, daß "Joannes leupolt von
konigsperg Melchior lotters Schengk" 1522 Bürger wurde, und wie die Summen
beweisen, die Lotter denselben Rechnungen zufolge alljährlich zum "Schlege-
schatz" zahlte, kann der Gewinn, den der Weinschank neben der Buchdrucker"
und dem Buchhandel abwarf, kein unbedeutender gewesen sein, so daß es nicht
Wunder nehmen darf, wenn Lotter im Jahre 1518 auf seinem Grundstücke
einen stattlichen Neubau aufzuführen begann.

Mitten aus seiner geregelten, gleichmäßigen und sichtlich vom Erfolge be¬
günstigten Geschäftsthätigkeit heraus ließ sich Lotter durch die Aussicht auf
Ehre und Gewinn zu einer Unternehmung verlocken, die verhängnißvoll für
ihn werden sollte. Seit dem Jahre 1518 hatte Lotter wiederholt kleinere Druck¬
aufträge von Luther in Wittenberg bekommen. Die junge Wittenberger Ani-


Aus den Titeln der Bücher aber, die Münzer bei dieser Gelegenheit bezahlt
oder nach deren Preis er sich erkundigt, geht hervor, daß Lotter neben seinen
eigenen Verlagsartikeln auch ein Sortiment führte. nachweislich war er z. B.
der Kommissionär Ulrich von Hutten's. Dieser schickte im November 1518 von
Augsburg 200 Exemplare seiner soeben gedruckten „Epistel an Wilibald Pirck-
heimer", 60 Exemplare seines „Gesprächs vom Hofleben" und 50 von seiner
„Ermahnung an die Fürsten" an Pirckheimer nach Nürnberg, mit dem Auf¬
trage, sie theils an die Koburger'sche Buchhandlung in Nürnberg zum Verkauf
zu übergeben, theils sie an Lotter nach Leipzig zum Vertriebe zu übersenden.
Seinen offenen Laden hatte Lotter in Leipzig unterm Rathhause. Dort ver¬
kaufte er neben seinen Büchern auch Papier und Pergament. Der Rath be¬
zog, wie die Stadtkassenrechnungen ausweisen, von 1514 an bis Ende der
dreißiger Jahre einen beträchtlichen Theil seines gesammten Bedarfs an Schreib¬
papier von Lotter. Gewöhnlich besorgte dieser im Auftrage des Raths von
der Frankfurter Messe „einen Ballen Ravelspurger" im Ganzen, und kleinere
Quantitäten wurden nach Bedarf im Laden nachgetauft.

Außer seiner Buchdruckerei, seinem Buch- und Papierhandel hielt Lotter
aber auch — nichts ungewöhnliches in jener Zeit — eine Herberge mit Wein-
schank. Noch vor dem Jahre 1510 gelangte er, wie die Schlußschriften auf
feinen Drucken beweisen, in den Besitz eines Grundstückes auf der Hainstraße
in Leipzig. Wo es gelegen, ist nicht mehr zu sagen. Da sich auch das Be-
sitzthum seines Schwiegervaters Kachelofen auf der Hainstraße befand, dieser
aber nachweislich später ein Haus auf der Nikolaistraße besaß, so wäre es mög¬
lich, daß Kachelofen's und Lotter's Haus ein und dasselbe war, denn die An¬
nahme liegt nahe, daß Kachelofen, da er dem Schwiegersohn die Druckerei
überließ, ihm schließlich auch das Grundstück abgetreten habe. Auf jeden Fall
befand sich in Lotter's Hause außer der Druckerei auch die Herberge und der
Weinschank. Die Stadtkassenrechnungen verzeichnen, daß „Joannes leupolt von
konigsperg Melchior lotters Schengk" 1522 Bürger wurde, und wie die Summen
beweisen, die Lotter denselben Rechnungen zufolge alljährlich zum „Schlege-
schatz" zahlte, kann der Gewinn, den der Weinschank neben der Buchdrucker«
und dem Buchhandel abwarf, kein unbedeutender gewesen sein, so daß es nicht
Wunder nehmen darf, wenn Lotter im Jahre 1518 auf seinem Grundstücke
einen stattlichen Neubau aufzuführen begann.

Mitten aus seiner geregelten, gleichmäßigen und sichtlich vom Erfolge be¬
günstigten Geschäftsthätigkeit heraus ließ sich Lotter durch die Aussicht auf
Ehre und Gewinn zu einer Unternehmung verlocken, die verhängnißvoll für
ihn werden sollte. Seit dem Jahre 1518 hatte Lotter wiederholt kleinere Druck¬
aufträge von Luther in Wittenberg bekommen. Die junge Wittenberger Ani-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/292>, abgerufen am 22.07.2024.