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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Kikoka, dem ersten Halteplatze fortgesetzt. Aber noch ehe das Lager hier erreicht
ist, hat man eine klare Anschauung von der Leistungsfähigkeit sämmtlicher
Theilnehmer gewonnen. Der prächtige, preisgekrönte Bullenbeißer Kastor ver¬
endet zwei Meilen vor Kikoka infolge der Hitze am Schlagfluß, der andere
Bullenbeißer Kaptain scheint ihm bald nachfolgen zu wollen, und nur Nero,
Bull und Jack, obwohl ganz erschlafft und schwer athmend, geben noch Lebens¬
zeichen.

In Kikoka wird Rasttag gemacht. Zwei ernstlich erkrankte Leute werden
entlassen, neue während der Nacht und des Rasttages angekommene Rekruten
angeworben. Außer der tropischen Hitze und der Ungeübtheit haben noch andere
üble Gewohnheiten diese Verheerung unter den Wangwana am ersten Marsch¬
tage angerichtet. Die Meisten von ihnen führen auf der Insel ein sehr un¬
keusches Leben und sind zudem dem Laster des Opiumessens ergeben. Das
Kauen der Betelnuß mit Muschelkalk ist eine andere unreinliche und widrige
Gewohnheit, welche die moralische Haltung des Menschen untergräbt, und be¬
sonders verderblich für die physischen Kräfte ist die fast allgemeine Unsitte, den
Dcimps des wilden Hanfes (va-nuMs halloh,) mit Leidenschaft einzuathmen.
Bei einer Hitze von 48° R. in der Sonne, in einer sehr verdünnten Atmosphäre,
werden diese Leute, deren Lungen und edele Theile durch die unmäßige Be¬
friedigung ihrer verderblichen Gelüste Schaden gelitten haben, erst gewahr, daß
ihr ganzer Organismus nicht mehr im Stande ist, solche Hitzegrade auszuhalten,
wenn die starke Anstrengung eines solchen Marsches mit der vollen Ladung,
die ihnen zu Theil wird, hinzukommt. Dann kommt die Schwächung ihrer
Kraft an den Tag, und reihenweise fallen sie aus der Zugordnung und ver¬
rathen ihre Kraftlosigkeit und Gebrechlichkeit,

Am Nachmittage des Rasttages in Kikoka wurde Stanley durch den Be¬
such einer Abtheilung Belutschi-Soldaten überrascht, welche einen Brief des
Gouverneurs von Bagcnnoyo überbrachten, in welchem dieser sich beklagte, daß
die Wangwana etwa fünfzehn Weiber ihren Herren entführt hätten. Trotz
des heftigsten Sträubens der schwarzen Schönen und ihrer Entführer, und ob¬
wohl die letzteren und ihre Freunde zu den Waffen griffen und mit Meuterei
drohten, übte auch hier Stanley volle Gerechtigkeit und ließ die Sklavinnen
zu ihren Herren zurückführen.




Kikoka, dem ersten Halteplatze fortgesetzt. Aber noch ehe das Lager hier erreicht
ist, hat man eine klare Anschauung von der Leistungsfähigkeit sämmtlicher
Theilnehmer gewonnen. Der prächtige, preisgekrönte Bullenbeißer Kastor ver¬
endet zwei Meilen vor Kikoka infolge der Hitze am Schlagfluß, der andere
Bullenbeißer Kaptain scheint ihm bald nachfolgen zu wollen, und nur Nero,
Bull und Jack, obwohl ganz erschlafft und schwer athmend, geben noch Lebens¬
zeichen.

In Kikoka wird Rasttag gemacht. Zwei ernstlich erkrankte Leute werden
entlassen, neue während der Nacht und des Rasttages angekommene Rekruten
angeworben. Außer der tropischen Hitze und der Ungeübtheit haben noch andere
üble Gewohnheiten diese Verheerung unter den Wangwana am ersten Marsch¬
tage angerichtet. Die Meisten von ihnen führen auf der Insel ein sehr un¬
keusches Leben und sind zudem dem Laster des Opiumessens ergeben. Das
Kauen der Betelnuß mit Muschelkalk ist eine andere unreinliche und widrige
Gewohnheit, welche die moralische Haltung des Menschen untergräbt, und be¬
sonders verderblich für die physischen Kräfte ist die fast allgemeine Unsitte, den
Dcimps des wilden Hanfes (va-nuMs halloh,) mit Leidenschaft einzuathmen.
Bei einer Hitze von 48° R. in der Sonne, in einer sehr verdünnten Atmosphäre,
werden diese Leute, deren Lungen und edele Theile durch die unmäßige Be¬
friedigung ihrer verderblichen Gelüste Schaden gelitten haben, erst gewahr, daß
ihr ganzer Organismus nicht mehr im Stande ist, solche Hitzegrade auszuhalten,
wenn die starke Anstrengung eines solchen Marsches mit der vollen Ladung,
die ihnen zu Theil wird, hinzukommt. Dann kommt die Schwächung ihrer
Kraft an den Tag, und reihenweise fallen sie aus der Zugordnung und ver¬
rathen ihre Kraftlosigkeit und Gebrechlichkeit,

Am Nachmittage des Rasttages in Kikoka wurde Stanley durch den Be¬
such einer Abtheilung Belutschi-Soldaten überrascht, welche einen Brief des
Gouverneurs von Bagcnnoyo überbrachten, in welchem dieser sich beklagte, daß
die Wangwana etwa fünfzehn Weiber ihren Herren entführt hätten. Trotz
des heftigsten Sträubens der schwarzen Schönen und ihrer Entführer, und ob¬
wohl die letzteren und ihre Freunde zu den Waffen griffen und mit Meuterei
drohten, übte auch hier Stanley volle Gerechtigkeit und ließ die Sklavinnen
zu ihren Herren zurückführen.




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[0284] Kikoka, dem ersten Halteplatze fortgesetzt. Aber noch ehe das Lager hier erreicht ist, hat man eine klare Anschauung von der Leistungsfähigkeit sämmtlicher Theilnehmer gewonnen. Der prächtige, preisgekrönte Bullenbeißer Kastor ver¬ endet zwei Meilen vor Kikoka infolge der Hitze am Schlagfluß, der andere Bullenbeißer Kaptain scheint ihm bald nachfolgen zu wollen, und nur Nero, Bull und Jack, obwohl ganz erschlafft und schwer athmend, geben noch Lebens¬ zeichen. In Kikoka wird Rasttag gemacht. Zwei ernstlich erkrankte Leute werden entlassen, neue während der Nacht und des Rasttages angekommene Rekruten angeworben. Außer der tropischen Hitze und der Ungeübtheit haben noch andere üble Gewohnheiten diese Verheerung unter den Wangwana am ersten Marsch¬ tage angerichtet. Die Meisten von ihnen führen auf der Insel ein sehr un¬ keusches Leben und sind zudem dem Laster des Opiumessens ergeben. Das Kauen der Betelnuß mit Muschelkalk ist eine andere unreinliche und widrige Gewohnheit, welche die moralische Haltung des Menschen untergräbt, und be¬ sonders verderblich für die physischen Kräfte ist die fast allgemeine Unsitte, den Dcimps des wilden Hanfes (va-nuMs halloh,) mit Leidenschaft einzuathmen. Bei einer Hitze von 48° R. in der Sonne, in einer sehr verdünnten Atmosphäre, werden diese Leute, deren Lungen und edele Theile durch die unmäßige Be¬ friedigung ihrer verderblichen Gelüste Schaden gelitten haben, erst gewahr, daß ihr ganzer Organismus nicht mehr im Stande ist, solche Hitzegrade auszuhalten, wenn die starke Anstrengung eines solchen Marsches mit der vollen Ladung, die ihnen zu Theil wird, hinzukommt. Dann kommt die Schwächung ihrer Kraft an den Tag, und reihenweise fallen sie aus der Zugordnung und ver¬ rathen ihre Kraftlosigkeit und Gebrechlichkeit, Am Nachmittage des Rasttages in Kikoka wurde Stanley durch den Be¬ such einer Abtheilung Belutschi-Soldaten überrascht, welche einen Brief des Gouverneurs von Bagcnnoyo überbrachten, in welchem dieser sich beklagte, daß die Wangwana etwa fünfzehn Weiber ihren Herren entführt hätten. Trotz des heftigsten Sträubens der schwarzen Schönen und ihrer Entführer, und ob¬ wohl die letzteren und ihre Freunde zu den Waffen griffen und mit Meuterei drohten, übte auch hier Stanley volle Gerechtigkeit und ließ die Sklavinnen zu ihren Herren zurückführen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/284>, abgerufen am 25.08.2024.