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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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redet er zunächst nicht) weit entfernt, die Verkörperung der durchschnittlichen
Intelligenz eines großen Volkes vermittelst des allgemeinen Wahlrechts zu
Stande zu bringen; und in seinem Unmuth ruft er aus: "Wenn wir einmal
unterdrückt werden sollen, so wünsche ich wenigstens einen ehrlichen Unterdrücker,
und wenn wir beraubt werden sollen, so verlange ich, daß es mit einigem
Anstand geschieht." Aber Parkman geht noch einen Schritt weiter; nicht nur
die Mißbräuche und Auswüchse des allgemeinen Stimmrechts sind ihm, wie
allen redlich denkenden Unionsbürgern, verhaßt, sondern er rüttelt auch an dem
Fundamente der amerikanischen Staatseinrichtung. Letztere gründet sich bekanntlich
auf dem Prinzip der "Gleichheit aller Menschen". Eine solche Gleichheit ist
aber, wie Porkman ausführt, weder in der Natur gegeben, noch wäre sie über¬
haupt wünschenswert!); selbstverständlich redet der Verfasser hier nicht von der
Gleichheit vor dem Gesetze, sondern von der vielfach behaupteten Gleichheit aller
Menschen im Allgemeinen. Mit scharfen Waffen bekämpft Parkman sodann
auch den Satz, daß das allgemeine Stimmrecht ein unverletzliches und unver¬
äußerliches Recht sei. Jedes freie Gemeinwesen, so führt er aus, hat das Recht
und die Pflicht, für sich selbst eine gute Regierung zu schaffen; wenn aber
irgend eine Stimme oder wenn ganze Stimmenklassen der Erreichung dieses
Zweckes hinderlich sind, so sollen sie aus Grund jenes Rechts und jener Pflicht
unschädlich gemacht werden können.

Parkman muß allerdings zugestehen, daß es ungemein schwer sein dürfte,
das einmal in den Vereinigten Staaten herrschende allgemeine Stimmrecht ab¬
zuschaffen, und so sucht er denn Mittel und Wege aufzufinden, die Mängel des
allgemeinen Stimmrechts möglichst zu vermeiden. Hier aber weiß er anch kein
besseres, als das schon oft in Amerika und anderwärts vorgeschlagene Mittel,
welches darin besteht, daß alle guten Bürger in ihrem eigenen Interesse und
im Interesse des Gemeinwohls sich zu einer gemeinsamen Anstrengung aufraffen
müssen, so oft es gilt, wichtige politische oder Kommnual-Wahlen vorzunehmen.
Den vereinten Anstrengungen aller guten Elemente im Staate werde und müsse
es gelingen, bei nationalen, Staats- und anderen Wahlen dem ruchlosen Treiben
der Demagogen und Volksverführer einen festen Damm entgegenzuwerfen, die
Gesetzgebung in fähige und ehrliche Hände zu legen und überhaupt einen besseren
Ton im öffentlichen Leben heraufzuführen. Von jeher, meint Parkman, ist es
der wahren Intelligenz und Tugend nicht allzuschwer geworden, die Massen,
wenn sie noch nicht von Grund aus verderbt sind, zu führen; nur wo jene
sich von dem öffentlichen Wirken ausschlossen oder die gehörige Kraft nicht ent¬
falteten, seien gewissenlose Agitatoren und corrupte Stellen- und Aemterjäger
zum Siege und zur Herrschaft gelangt. Auf diese Stelle des Parkman'schen
Artikels Bezug nehmend, läßt sich die zu Se. Louis im Staate Missouri er-


redet er zunächst nicht) weit entfernt, die Verkörperung der durchschnittlichen
Intelligenz eines großen Volkes vermittelst des allgemeinen Wahlrechts zu
Stande zu bringen; und in seinem Unmuth ruft er aus: „Wenn wir einmal
unterdrückt werden sollen, so wünsche ich wenigstens einen ehrlichen Unterdrücker,
und wenn wir beraubt werden sollen, so verlange ich, daß es mit einigem
Anstand geschieht." Aber Parkman geht noch einen Schritt weiter; nicht nur
die Mißbräuche und Auswüchse des allgemeinen Stimmrechts sind ihm, wie
allen redlich denkenden Unionsbürgern, verhaßt, sondern er rüttelt auch an dem
Fundamente der amerikanischen Staatseinrichtung. Letztere gründet sich bekanntlich
auf dem Prinzip der „Gleichheit aller Menschen". Eine solche Gleichheit ist
aber, wie Porkman ausführt, weder in der Natur gegeben, noch wäre sie über¬
haupt wünschenswert!); selbstverständlich redet der Verfasser hier nicht von der
Gleichheit vor dem Gesetze, sondern von der vielfach behaupteten Gleichheit aller
Menschen im Allgemeinen. Mit scharfen Waffen bekämpft Parkman sodann
auch den Satz, daß das allgemeine Stimmrecht ein unverletzliches und unver¬
äußerliches Recht sei. Jedes freie Gemeinwesen, so führt er aus, hat das Recht
und die Pflicht, für sich selbst eine gute Regierung zu schaffen; wenn aber
irgend eine Stimme oder wenn ganze Stimmenklassen der Erreichung dieses
Zweckes hinderlich sind, so sollen sie aus Grund jenes Rechts und jener Pflicht
unschädlich gemacht werden können.

Parkman muß allerdings zugestehen, daß es ungemein schwer sein dürfte,
das einmal in den Vereinigten Staaten herrschende allgemeine Stimmrecht ab¬
zuschaffen, und so sucht er denn Mittel und Wege aufzufinden, die Mängel des
allgemeinen Stimmrechts möglichst zu vermeiden. Hier aber weiß er anch kein
besseres, als das schon oft in Amerika und anderwärts vorgeschlagene Mittel,
welches darin besteht, daß alle guten Bürger in ihrem eigenen Interesse und
im Interesse des Gemeinwohls sich zu einer gemeinsamen Anstrengung aufraffen
müssen, so oft es gilt, wichtige politische oder Kommnual-Wahlen vorzunehmen.
Den vereinten Anstrengungen aller guten Elemente im Staate werde und müsse
es gelingen, bei nationalen, Staats- und anderen Wahlen dem ruchlosen Treiben
der Demagogen und Volksverführer einen festen Damm entgegenzuwerfen, die
Gesetzgebung in fähige und ehrliche Hände zu legen und überhaupt einen besseren
Ton im öffentlichen Leben heraufzuführen. Von jeher, meint Parkman, ist es
der wahren Intelligenz und Tugend nicht allzuschwer geworden, die Massen,
wenn sie noch nicht von Grund aus verderbt sind, zu führen; nur wo jene
sich von dem öffentlichen Wirken ausschlossen oder die gehörige Kraft nicht ent¬
falteten, seien gewissenlose Agitatoren und corrupte Stellen- und Aemterjäger
zum Siege und zur Herrschaft gelangt. Auf diese Stelle des Parkman'schen
Artikels Bezug nehmend, läßt sich die zu Se. Louis im Staate Missouri er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/279>, abgerufen am 25.08.2024.