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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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einen und Versammlungen gewonnen but. Er hat sich bei diesem Studium
an der Quelle nicht mit der Rolle eines stummen Zuhörers begnügt: nicht
selten hat er das Wort ergriffen und ist furchtlos dem Toben einer von
egoistischen Agitatoren irre geleiteten Menge entgegen getreten. Wolfs bietet
seinen Lesern nicht eine Darstellung des sozialistischen Lehrbegriffs, sondern
eine scharfe und authentische Charakteristik der heute an der Spitze der sozial¬
demokratischen Bewegung stehenden Männer, der Most, Hasenelever, Liebknecht,
Bracke u. s. w. und eine Quintessenz dessen, was diese Männer ihren ver¬
blendeten Zuhörern vorpredigen. Der Werth dieser kleinen Schrift liegt haupt¬
sächlich darin, daß sie die Geschichte des Sozialismus in lebendigen und lebens¬
wahren Schilderungen bis auf die Gegenwart fortführt, d. h. bis zur letzten
sozialdemokratischen Volksversammlung in Berlin, die am 2. Juni, eine Stunde
vor dem Nobiling'schen Attentate, abgehalten wurde. Ju diesem Sinne ist sie
eine werthvolle Ergänzung der Schriften von Schäffle und Mehring.




Eine rasch beliebt gewordene, lustige kleine Schrift, die schon in fünfter
Auflage vorliegt, betitelt sich "Aus dem Notizbuch des Onkel Jonas"
von I. Rolly. Sie bietet "Humoresken aus dem jüdischen Leben". (Berlin,
Verlag von Siegfried Croubach, 1878). Wohl ist der Boden, auf dem diese
Humoresken gewachsen sind, ein sehr begrenzter. Onkel Jonas ist ein "Schadche"
des auserwählten Volkes, ein Heirathsvermittler, der vom Kuppelpelzwerk lebt
und ungemein gering denkt von Allen, die seine Hilfe in Anspruch nehmen.
Er nimmt seine eigenen Sünden am Versöhnungstage sehr ernst, büßt sie su,
divo ab und arbeitet am nächsten-Tage ohne Saldovortrag auf neue Rechnung
los. Aber dennoch sind die Lebensbilder höchst mannigfaltig, die aus diesem
"Notizbuch" hervorwachsen. Alle sind mit so dramatischer Lebendigkeit hin¬
gemalt, daß sie wie ein lustiges Vvlksstück sich vor uns abspielen. Herzlich
lachen muß man von Anfang bis zu Ende. Und in all der konventionellen
geschäftlichen Kuppelei siegt doch der natürliche Zug des liebesnchenden Herzens.






Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
N-rlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel <ü- Herrmann in Leipzig.

einen und Versammlungen gewonnen but. Er hat sich bei diesem Studium
an der Quelle nicht mit der Rolle eines stummen Zuhörers begnügt: nicht
selten hat er das Wort ergriffen und ist furchtlos dem Toben einer von
egoistischen Agitatoren irre geleiteten Menge entgegen getreten. Wolfs bietet
seinen Lesern nicht eine Darstellung des sozialistischen Lehrbegriffs, sondern
eine scharfe und authentische Charakteristik der heute an der Spitze der sozial¬
demokratischen Bewegung stehenden Männer, der Most, Hasenelever, Liebknecht,
Bracke u. s. w. und eine Quintessenz dessen, was diese Männer ihren ver¬
blendeten Zuhörern vorpredigen. Der Werth dieser kleinen Schrift liegt haupt¬
sächlich darin, daß sie die Geschichte des Sozialismus in lebendigen und lebens¬
wahren Schilderungen bis auf die Gegenwart fortführt, d. h. bis zur letzten
sozialdemokratischen Volksversammlung in Berlin, die am 2. Juni, eine Stunde
vor dem Nobiling'schen Attentate, abgehalten wurde. Ju diesem Sinne ist sie
eine werthvolle Ergänzung der Schriften von Schäffle und Mehring.




Eine rasch beliebt gewordene, lustige kleine Schrift, die schon in fünfter
Auflage vorliegt, betitelt sich „Aus dem Notizbuch des Onkel Jonas"
von I. Rolly. Sie bietet „Humoresken aus dem jüdischen Leben". (Berlin,
Verlag von Siegfried Croubach, 1878). Wohl ist der Boden, auf dem diese
Humoresken gewachsen sind, ein sehr begrenzter. Onkel Jonas ist ein „Schadche"
des auserwählten Volkes, ein Heirathsvermittler, der vom Kuppelpelzwerk lebt
und ungemein gering denkt von Allen, die seine Hilfe in Anspruch nehmen.
Er nimmt seine eigenen Sünden am Versöhnungstage sehr ernst, büßt sie su,
divo ab und arbeitet am nächsten-Tage ohne Saldovortrag auf neue Rechnung
los. Aber dennoch sind die Lebensbilder höchst mannigfaltig, die aus diesem
„Notizbuch" hervorwachsen. Alle sind mit so dramatischer Lebendigkeit hin¬
gemalt, daß sie wie ein lustiges Vvlksstück sich vor uns abspielen. Herzlich
lachen muß man von Anfang bis zu Ende. Und in all der konventionellen
geschäftlichen Kuppelei siegt doch der natürliche Zug des liebesnchenden Herzens.






Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
N-rlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel <ü- Herrmann in Leipzig.
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[0248] einen und Versammlungen gewonnen but. Er hat sich bei diesem Studium an der Quelle nicht mit der Rolle eines stummen Zuhörers begnügt: nicht selten hat er das Wort ergriffen und ist furchtlos dem Toben einer von egoistischen Agitatoren irre geleiteten Menge entgegen getreten. Wolfs bietet seinen Lesern nicht eine Darstellung des sozialistischen Lehrbegriffs, sondern eine scharfe und authentische Charakteristik der heute an der Spitze der sozial¬ demokratischen Bewegung stehenden Männer, der Most, Hasenelever, Liebknecht, Bracke u. s. w. und eine Quintessenz dessen, was diese Männer ihren ver¬ blendeten Zuhörern vorpredigen. Der Werth dieser kleinen Schrift liegt haupt¬ sächlich darin, daß sie die Geschichte des Sozialismus in lebendigen und lebens¬ wahren Schilderungen bis auf die Gegenwart fortführt, d. h. bis zur letzten sozialdemokratischen Volksversammlung in Berlin, die am 2. Juni, eine Stunde vor dem Nobiling'schen Attentate, abgehalten wurde. Ju diesem Sinne ist sie eine werthvolle Ergänzung der Schriften von Schäffle und Mehring. Eine rasch beliebt gewordene, lustige kleine Schrift, die schon in fünfter Auflage vorliegt, betitelt sich „Aus dem Notizbuch des Onkel Jonas" von I. Rolly. Sie bietet „Humoresken aus dem jüdischen Leben". (Berlin, Verlag von Siegfried Croubach, 1878). Wohl ist der Boden, auf dem diese Humoresken gewachsen sind, ein sehr begrenzter. Onkel Jonas ist ein „Schadche" des auserwählten Volkes, ein Heirathsvermittler, der vom Kuppelpelzwerk lebt und ungemein gering denkt von Allen, die seine Hilfe in Anspruch nehmen. Er nimmt seine eigenen Sünden am Versöhnungstage sehr ernst, büßt sie su, divo ab und arbeitet am nächsten-Tage ohne Saldovortrag auf neue Rechnung los. Aber dennoch sind die Lebensbilder höchst mannigfaltig, die aus diesem „Notizbuch" hervorwachsen. Alle sind mit so dramatischer Lebendigkeit hin¬ gemalt, daß sie wie ein lustiges Vvlksstück sich vor uns abspielen. Herzlich lachen muß man von Anfang bis zu Ende. Und in all der konventionellen geschäftlichen Kuppelei siegt doch der natürliche Zug des liebesnchenden Herzens. Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Blum in Leipzig. N-rlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel <ü- Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/248>, abgerufen am 03.07.2024.