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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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kann, steht am Ziele seiner irdischen Wünsche. Dieses ganze Besitzthum mit
allen seinen Gerathen und Werkzeuge", wird mit dreihundert Dollars bezahlt
sein: es bringt hervor ein Dutzend Kokosbäume, ebensoviel Mamokstauden, halb
soviel Bananen und ein halb Dutzend Beete süßer Kartoffeln und Erdnuß-
bänine. Aber auf diesem Gute, auf welchen etwa sechs Hühner und eine Ziege
gedeihen, lebt der schwarze Besitzer mit zwei Frauen, vier oder fünf Kindern
und ein paar Haussklaven wie ein König -- wenn er nämlich zu solcher Glück¬
seligkeit gelangt. Denn bei seiner offenherzigen Natur bereitet ihm der große
Anhang guter Freunde, die, wie er selbst, das Bier aus gegohrenen Mais
und den Branntwein zu 25 Ces. die Flasche leidenschaftlich lieben, Ehren¬
pflichten, welche in den meisten Fällen ein unübersichtliches Hinderniß zur
Erwerbung eines solchen zanzibarischen Rittergutes bilden.

Gleichwohl wäre ohne die Wangwana's bisher jede Afrika-Reise von
Zanzibar aus unmöglich gewesen. Sie mögen sehr abergläubisch sein, leicht
verzagen und den Einflüsterungen einer vagen Furcht in unvernünftigster
Weise ihr Ohr bieten, dennoch genügt eine verständige und vorsichtige Behand-
lung und Leitung, um sie über ihre eigene Leichtgläubigkeit lachen zu machen, sie
in eine herzhafte, muthige Stimmung zu versetzen, so daß sie Leiden so ruhig
wie Stoiker ertragen und wie Helden kämpfen. "Es hängt meist ganz und
gar von dem Führer einer Schacir von solchen Männern ab, ob ihre schlech¬
testen oder ihre besten Eigenschaften die Oberhand gewinnen sollen."

Eine andere Menschenklasse aus dem Innern Afrika's, die schon heute für
Afrilaforschuugen wesentlich in Betracht kommt, sind die Wcmyamwczi oder
die Eingeborenen von Uniamwezi und die Wasukuma oder das Volk von
Usukuma. Sie sind von ernsterem und rauheren Charakter, als die Wangwana,
stehen noch eine Stufe niedriger in der Zivilisation als diese, und sind deshalb
weniger leicht an Zucht und Gehorsam zu gewöhnen als die Wangwana. Und
dennoch meint Stanley, daß diese rauhen Volksstämme später unsere Gunst
noch in weit höherem Grade erwerben werden, als die Wangwana jetzt. Schon
jetzt werden die Wanyamwezi als Lastträger allen übrigen Eingeborenen vor¬
gezogen, während die leichtere Dienstleistung der Eskortirung von Forschnngs-
Reisegesellschafteu den Wangwana übertragen wird. Die den Krankheiten
weniger ausgesetzte Leibesbeschaffenheit der Wanyamwezi, ihre größere Stärke
und Ausdauer, der Stolz, mit dem sie ihre Dienste als Lastträger verrichten,
alles dies beweist, daß sie geborene Reisende, von unberechenbarem Nutzen und
Gewinn für Afrika sind. Aber die Disziplin darf nicht allzu straff und streug
sein, ehe sie nicht Gelegenheit gefunden haben, den Charakter und die Gewohn¬
heiten des ihre Dienste benutzenden Herrn zu verstehen, und einzusehen, daß
Disziplin etwas ganz anderes ist, als Mißhandlung oder Mißbrauch ihrer


kann, steht am Ziele seiner irdischen Wünsche. Dieses ganze Besitzthum mit
allen seinen Gerathen und Werkzeuge», wird mit dreihundert Dollars bezahlt
sein: es bringt hervor ein Dutzend Kokosbäume, ebensoviel Mamokstauden, halb
soviel Bananen und ein halb Dutzend Beete süßer Kartoffeln und Erdnuß-
bänine. Aber auf diesem Gute, auf welchen etwa sechs Hühner und eine Ziege
gedeihen, lebt der schwarze Besitzer mit zwei Frauen, vier oder fünf Kindern
und ein paar Haussklaven wie ein König — wenn er nämlich zu solcher Glück¬
seligkeit gelangt. Denn bei seiner offenherzigen Natur bereitet ihm der große
Anhang guter Freunde, die, wie er selbst, das Bier aus gegohrenen Mais
und den Branntwein zu 25 Ces. die Flasche leidenschaftlich lieben, Ehren¬
pflichten, welche in den meisten Fällen ein unübersichtliches Hinderniß zur
Erwerbung eines solchen zanzibarischen Rittergutes bilden.

Gleichwohl wäre ohne die Wangwana's bisher jede Afrika-Reise von
Zanzibar aus unmöglich gewesen. Sie mögen sehr abergläubisch sein, leicht
verzagen und den Einflüsterungen einer vagen Furcht in unvernünftigster
Weise ihr Ohr bieten, dennoch genügt eine verständige und vorsichtige Behand-
lung und Leitung, um sie über ihre eigene Leichtgläubigkeit lachen zu machen, sie
in eine herzhafte, muthige Stimmung zu versetzen, so daß sie Leiden so ruhig
wie Stoiker ertragen und wie Helden kämpfen. „Es hängt meist ganz und
gar von dem Führer einer Schacir von solchen Männern ab, ob ihre schlech¬
testen oder ihre besten Eigenschaften die Oberhand gewinnen sollen."

Eine andere Menschenklasse aus dem Innern Afrika's, die schon heute für
Afrilaforschuugen wesentlich in Betracht kommt, sind die Wcmyamwczi oder
die Eingeborenen von Uniamwezi und die Wasukuma oder das Volk von
Usukuma. Sie sind von ernsterem und rauheren Charakter, als die Wangwana,
stehen noch eine Stufe niedriger in der Zivilisation als diese, und sind deshalb
weniger leicht an Zucht und Gehorsam zu gewöhnen als die Wangwana. Und
dennoch meint Stanley, daß diese rauhen Volksstämme später unsere Gunst
noch in weit höherem Grade erwerben werden, als die Wangwana jetzt. Schon
jetzt werden die Wanyamwezi als Lastträger allen übrigen Eingeborenen vor¬
gezogen, während die leichtere Dienstleistung der Eskortirung von Forschnngs-
Reisegesellschafteu den Wangwana übertragen wird. Die den Krankheiten
weniger ausgesetzte Leibesbeschaffenheit der Wanyamwezi, ihre größere Stärke
und Ausdauer, der Stolz, mit dem sie ihre Dienste als Lastträger verrichten,
alles dies beweist, daß sie geborene Reisende, von unberechenbarem Nutzen und
Gewinn für Afrika sind. Aber die Disziplin darf nicht allzu straff und streug
sein, ehe sie nicht Gelegenheit gefunden haben, den Charakter und die Gewohn¬
heiten des ihre Dienste benutzenden Herrn zu verstehen, und einzusehen, daß
Disziplin etwas ganz anderes ist, als Mißhandlung oder Mißbrauch ihrer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/237>, abgerufen am 22.07.2024.