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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Sie sprachen allsogleich:
"Komm heran, Arm und Reich;
Wer essen will und trinken,
Der lasse sich nicht zweimal winken."

Der tapfere Kämpfer wird von der Königin mit einem Kuß empfangen,
nach abermaligen Siegen über die Heiden, welche gegen die Thore Jerusalem's
heranziehen, von ihr als Gemahl und König begrüßt und endlich, nachdem er
sich zum dritten Male gegen eine Ueberzahl vou Feinden als wackerer Streiter
ausgewiesen hat, auch von den Tempelherren, welche ihm anfangs wenig geneigt
sind, als Herr und Gebieter anerkannt. Den Neuvermählten verbietet aber ein
Engel, die Freuden der Ehe zu genießen. Bemerkenswerth ist noch, daß Frau
Breite den Helden mit "ihres Vaters David Schwert" ausrüstet und am letzten
Kampfe selbst in voller Rüstung theilnimmt und dem Gemahl zur Seite steht.

Kaum ist Orendel in den unbestrittenen Besitz der Königskrone gelangt,
da erscheint Meister Eise in Jerusalem und sucht seinen beurlaubten Knecht;
doch läßt er auf Bitten der Königin, welche ihn mit einer reichen Summe
Goldes beschenkt, seine Ansprüche fahren. Als Lohn dafür erhält er die
Würde eines Herzogs. Sofort zieht er im Bunde mit dem "Graurock" aus,
um eine heidnische Burg zu belagern; Orendel wird gefangen, aber von Fran
Breite mit Hülfe eines Engels, welcher dem verräterischen Zwerg Alban eine
derbe Züchtigung zu Theil werden läßt, aus der Hand der Feinde befreit.
Nach Jerusalem zurückgekehrt, erfährt Orendel, wiederum durch Vermittlung
eines Engels, daß seine Vaterstadt Trier von heidnischen Völkern belagert
werde. Sofort setzt er an seine Stelle einen Statthalter und eilt selbst mit
seiner Gemahlin und Meister Eise dem bedrängten Vater zu Hilfe. An der
italischen Küste bei Bari, wo sie landen, treibt Meister Eise die am Strande
weidenden Rosse, ohne die Besitzer zu fragen, zusammen und macht das ganze
Heer beritten. Als die vor Trier lagernden "Heiden" von der Ankunft Orendel's
hören, unterwerfen sie sich. "Da mußten all die Heiden Fürwahr die Taufe
leiden." Doch nicht lange darf der Held bei seinem Vater weilen: Ein nächt¬
liches Traumbild meldet der Fran Breite, daß das heilige Grab in der Heiden
Gewalt gefallen sei. Ans Gottes Befehl läßt Orendel den grauen Rock in
einen steinernen Sarg schließen und denselben in Trier aufstellen; er selbst
fährt mit seinen Mannen schleunigst nach dem heiligen Lande zurück. Zwei
Mal wird Frau Breite, welche von Ackers, wo sie landen, allein nach Jerusalem
eilt, von den treulosen Hütern des heiligen Grabes gefangen genommen; das
erste Mal wird sie einem heidnischen Könige übergeben, welcher ihre Minne
verlangt, aber von dem herbeieilenden Orendel mit Hülfe des treuen Pförtners
Unsitte getödtet wird. Das andere Mal will der untreue Statthalter von
Jerusalem selbst ihre Minne genießen; bei der Befreiung stellt sich Frau Breite


Sie sprachen allsogleich:
„Komm heran, Arm und Reich;
Wer essen will und trinken,
Der lasse sich nicht zweimal winken."

Der tapfere Kämpfer wird von der Königin mit einem Kuß empfangen,
nach abermaligen Siegen über die Heiden, welche gegen die Thore Jerusalem's
heranziehen, von ihr als Gemahl und König begrüßt und endlich, nachdem er
sich zum dritten Male gegen eine Ueberzahl vou Feinden als wackerer Streiter
ausgewiesen hat, auch von den Tempelherren, welche ihm anfangs wenig geneigt
sind, als Herr und Gebieter anerkannt. Den Neuvermählten verbietet aber ein
Engel, die Freuden der Ehe zu genießen. Bemerkenswerth ist noch, daß Frau
Breite den Helden mit „ihres Vaters David Schwert" ausrüstet und am letzten
Kampfe selbst in voller Rüstung theilnimmt und dem Gemahl zur Seite steht.

Kaum ist Orendel in den unbestrittenen Besitz der Königskrone gelangt,
da erscheint Meister Eise in Jerusalem und sucht seinen beurlaubten Knecht;
doch läßt er auf Bitten der Königin, welche ihn mit einer reichen Summe
Goldes beschenkt, seine Ansprüche fahren. Als Lohn dafür erhält er die
Würde eines Herzogs. Sofort zieht er im Bunde mit dem „Graurock" aus,
um eine heidnische Burg zu belagern; Orendel wird gefangen, aber von Fran
Breite mit Hülfe eines Engels, welcher dem verräterischen Zwerg Alban eine
derbe Züchtigung zu Theil werden läßt, aus der Hand der Feinde befreit.
Nach Jerusalem zurückgekehrt, erfährt Orendel, wiederum durch Vermittlung
eines Engels, daß seine Vaterstadt Trier von heidnischen Völkern belagert
werde. Sofort setzt er an seine Stelle einen Statthalter und eilt selbst mit
seiner Gemahlin und Meister Eise dem bedrängten Vater zu Hilfe. An der
italischen Küste bei Bari, wo sie landen, treibt Meister Eise die am Strande
weidenden Rosse, ohne die Besitzer zu fragen, zusammen und macht das ganze
Heer beritten. Als die vor Trier lagernden „Heiden" von der Ankunft Orendel's
hören, unterwerfen sie sich. „Da mußten all die Heiden Fürwahr die Taufe
leiden." Doch nicht lange darf der Held bei seinem Vater weilen: Ein nächt¬
liches Traumbild meldet der Fran Breite, daß das heilige Grab in der Heiden
Gewalt gefallen sei. Ans Gottes Befehl läßt Orendel den grauen Rock in
einen steinernen Sarg schließen und denselben in Trier aufstellen; er selbst
fährt mit seinen Mannen schleunigst nach dem heiligen Lande zurück. Zwei
Mal wird Frau Breite, welche von Ackers, wo sie landen, allein nach Jerusalem
eilt, von den treulosen Hütern des heiligen Grabes gefangen genommen; das
erste Mal wird sie einem heidnischen Könige übergeben, welcher ihre Minne
verlangt, aber von dem herbeieilenden Orendel mit Hülfe des treuen Pförtners
Unsitte getödtet wird. Das andere Mal will der untreue Statthalter von
Jerusalem selbst ihre Minne genießen; bei der Befreiung stellt sich Frau Breite


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/230>, abgerufen am 25.08.2024.