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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Nach dem zerstreuten Gefechte der Vorhut nehmen dann die Ka"tM die
eigentliche Schlacht auf. Die Manipel gehen rüstigen Schrittes oder selbst
im Laufe gegen die feindliche Linie vor; auf 10 Schritt machen sie einen
Augenblick Halt; die zwei vorderen Glieder schleudern die schweren Pita in
den Feind und brechen nun ein, indem sie das kurze Schwert ziehen und die Stiche
und Hiebe des Gegners mit dem Schilde Pariren. Eine zusammenhängende
feindliche Linie wie die Phalanx wird von dem in getrennten Manipeln aufgestellten
Hastateutreffen uicht auf allen Punkten zugleich angegriffen. Es liegt für sie
die Verführung nahe, ihrerseits in den Intervallen der Manipel vorzugehen,
diese zu umwickeln und einzuschließen. Aber wehe den Phalangiteu, wenn sie
dies unternehme"! Sie verlieren dann den einzigen Vorzug, den die Phalanx
vor der Legion hat, nämlich ihre unbedingte Geschlossenheit, und nun werden
sie von dem zweiten römischen Treffen, den Manipeln der Mnoipizs, welche
nur darauf gewartet haben, daß der Feind sich diese Bloße gebe, selbst in Flanke
und Rücken angegriffen.")

Trat ein solcher Moment nicht ein und vermochten die Hastaten des
Feindes nicht Herr zu werden, so gingen sie durch die Intervalle des zweiten
Treffens zurück und nahmen hinter diesem Stellung. Es fand also eine Ab¬
lösung der Treffen statt. Während hierauf die Mnoipss, nun als "Mts-
AAQ-M", den Kampf fortsetzten, vielleicht mit duplirten Gliedern, um die Kraft
der Pilumscilve zu verdoppeln, ließen sich die triarii auf das rechte Knie nieder
und bildeten, das linke Bein vorstreckend, dnrch ihre gegen die Schulter gelehnten
Schilde und ihre gefällten, gegen die Erde gestemmten Spieße eine Art von
Wall. Livius vergleicht diese Formation mit eingerammten Schanzpfählen.
Hinter den niedergekanerten Triariern hielt der Befehlshaber der Legion.
Erkannte er, daß auch die Prinzipes den Feind nicht zu werfen vermochten,
so hieß er sie sammt den Hastaten sich auf die Triarier zurückziehen. Letztere
sprangen auf das Kommando "fru'Akts!" auf, empfingen die beiden ersten
Treffen in ihren Intervallen und stürzten sich nun, vereint mit ihnen, in
dichtgedrängter Phalanx auf den Feind.**) Dieser, der bereits wähnte, Besiegte
zu verfolgen, sah plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, eine neue Schlacht¬
linie vor sich, stärker als die bisherigen, und wenn nun einige tüchtige Manipel
auf seine Flanken geworfen wurden, gelang es den Römern nicht selten, eine
Schlacht, die schon verloren schien, im letzten Augenblicke durch die Triarier
sich zum Glück zu wenden. "Rss aä triArios rscUit!" hieß sprichwörtlich
soviel als "die Sache ist aufs Aeußerste gekommen.***)





") Rüstow: Geschichte der Infanterie. Nordhausen 1364.
") Kio. 8, 8, 8 syn, u. a.
-) Kio. 8, 8, 10.

Nach dem zerstreuten Gefechte der Vorhut nehmen dann die Ka«tM die
eigentliche Schlacht auf. Die Manipel gehen rüstigen Schrittes oder selbst
im Laufe gegen die feindliche Linie vor; auf 10 Schritt machen sie einen
Augenblick Halt; die zwei vorderen Glieder schleudern die schweren Pita in
den Feind und brechen nun ein, indem sie das kurze Schwert ziehen und die Stiche
und Hiebe des Gegners mit dem Schilde Pariren. Eine zusammenhängende
feindliche Linie wie die Phalanx wird von dem in getrennten Manipeln aufgestellten
Hastateutreffen uicht auf allen Punkten zugleich angegriffen. Es liegt für sie
die Verführung nahe, ihrerseits in den Intervallen der Manipel vorzugehen,
diese zu umwickeln und einzuschließen. Aber wehe den Phalangiteu, wenn sie
dies unternehme»! Sie verlieren dann den einzigen Vorzug, den die Phalanx
vor der Legion hat, nämlich ihre unbedingte Geschlossenheit, und nun werden
sie von dem zweiten römischen Treffen, den Manipeln der Mnoipizs, welche
nur darauf gewartet haben, daß der Feind sich diese Bloße gebe, selbst in Flanke
und Rücken angegriffen.")

Trat ein solcher Moment nicht ein und vermochten die Hastaten des
Feindes nicht Herr zu werden, so gingen sie durch die Intervalle des zweiten
Treffens zurück und nahmen hinter diesem Stellung. Es fand also eine Ab¬
lösung der Treffen statt. Während hierauf die Mnoipss, nun als „Mts-
AAQ-M", den Kampf fortsetzten, vielleicht mit duplirten Gliedern, um die Kraft
der Pilumscilve zu verdoppeln, ließen sich die triarii auf das rechte Knie nieder
und bildeten, das linke Bein vorstreckend, dnrch ihre gegen die Schulter gelehnten
Schilde und ihre gefällten, gegen die Erde gestemmten Spieße eine Art von
Wall. Livius vergleicht diese Formation mit eingerammten Schanzpfählen.
Hinter den niedergekanerten Triariern hielt der Befehlshaber der Legion.
Erkannte er, daß auch die Prinzipes den Feind nicht zu werfen vermochten,
so hieß er sie sammt den Hastaten sich auf die Triarier zurückziehen. Letztere
sprangen auf das Kommando „fru'Akts!" auf, empfingen die beiden ersten
Treffen in ihren Intervallen und stürzten sich nun, vereint mit ihnen, in
dichtgedrängter Phalanx auf den Feind.**) Dieser, der bereits wähnte, Besiegte
zu verfolgen, sah plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, eine neue Schlacht¬
linie vor sich, stärker als die bisherigen, und wenn nun einige tüchtige Manipel
auf seine Flanken geworfen wurden, gelang es den Römern nicht selten, eine
Schlacht, die schon verloren schien, im letzten Augenblicke durch die Triarier
sich zum Glück zu wenden. „Rss aä triArios rscUit!" hieß sprichwörtlich
soviel als „die Sache ist aufs Aeußerste gekommen.***)





") Rüstow: Geschichte der Infanterie. Nordhausen 1364.
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[0174] Nach dem zerstreuten Gefechte der Vorhut nehmen dann die Ka«tM die eigentliche Schlacht auf. Die Manipel gehen rüstigen Schrittes oder selbst im Laufe gegen die feindliche Linie vor; auf 10 Schritt machen sie einen Augenblick Halt; die zwei vorderen Glieder schleudern die schweren Pita in den Feind und brechen nun ein, indem sie das kurze Schwert ziehen und die Stiche und Hiebe des Gegners mit dem Schilde Pariren. Eine zusammenhängende feindliche Linie wie die Phalanx wird von dem in getrennten Manipeln aufgestellten Hastateutreffen uicht auf allen Punkten zugleich angegriffen. Es liegt für sie die Verführung nahe, ihrerseits in den Intervallen der Manipel vorzugehen, diese zu umwickeln und einzuschließen. Aber wehe den Phalangiteu, wenn sie dies unternehme»! Sie verlieren dann den einzigen Vorzug, den die Phalanx vor der Legion hat, nämlich ihre unbedingte Geschlossenheit, und nun werden sie von dem zweiten römischen Treffen, den Manipeln der Mnoipizs, welche nur darauf gewartet haben, daß der Feind sich diese Bloße gebe, selbst in Flanke und Rücken angegriffen.") Trat ein solcher Moment nicht ein und vermochten die Hastaten des Feindes nicht Herr zu werden, so gingen sie durch die Intervalle des zweiten Treffens zurück und nahmen hinter diesem Stellung. Es fand also eine Ab¬ lösung der Treffen statt. Während hierauf die Mnoipss, nun als „Mts- AAQ-M", den Kampf fortsetzten, vielleicht mit duplirten Gliedern, um die Kraft der Pilumscilve zu verdoppeln, ließen sich die triarii auf das rechte Knie nieder und bildeten, das linke Bein vorstreckend, dnrch ihre gegen die Schulter gelehnten Schilde und ihre gefällten, gegen die Erde gestemmten Spieße eine Art von Wall. Livius vergleicht diese Formation mit eingerammten Schanzpfählen. Hinter den niedergekanerten Triariern hielt der Befehlshaber der Legion. Erkannte er, daß auch die Prinzipes den Feind nicht zu werfen vermochten, so hieß er sie sammt den Hastaten sich auf die Triarier zurückziehen. Letztere sprangen auf das Kommando „fru'Akts!" auf, empfingen die beiden ersten Treffen in ihren Intervallen und stürzten sich nun, vereint mit ihnen, in dichtgedrängter Phalanx auf den Feind.**) Dieser, der bereits wähnte, Besiegte zu verfolgen, sah plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, eine neue Schlacht¬ linie vor sich, stärker als die bisherigen, und wenn nun einige tüchtige Manipel auf seine Flanken geworfen wurden, gelang es den Römern nicht selten, eine Schlacht, die schon verloren schien, im letzten Augenblicke durch die Triarier sich zum Glück zu wenden. „Rss aä triArios rscUit!" hieß sprichwörtlich soviel als „die Sache ist aufs Aeußerste gekommen.***) ") Rüstow: Geschichte der Infanterie. Nordhausen 1364. ") Kio. 8, 8, 8 syn, u. a. -) Kio. 8, 8, 10.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/174>, abgerufen am 22.07.2024.