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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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44,S10 " " " " " 11,462 " " Gesunde
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Die Station passirten 14,722 Kranke und Verwundete. 16 Hänser und Eva-
kuntiouslazarethe nahmen 4941 Leidende ans.

Am 27. November mußte der Verfasser eine ähnliche Stellung in Lagny
übernehmen. Wieder war, mit wenigen getreuen Hilfsarbeitern nicht mehr
wie Alles neu zu schaffen, für einen Ort, der allmählich zum Einschiffungs¬
punkt der Evakuirten vou drei Armeen -- der Loire-, Maas- und Dritten
Armee bestimmt wurde. Eine kaum zu bewältigende Arbeitsmasse drängte sich,
bei immer rauher werdender Jahreszeit, den muthigen Helfern auf. Mau be-
denke nur das Eine, daß in der gauzeu Stadt keine Fensterscheibe ganz war.
Und hier sollten schwere Wunden und Krankheiten heilen! Weder Glaser noch
Material war damals in Stadt oder Umgegend zu finden. Erst nach Wochen
gelang es, Beides herbeizuschaffen. Da aber die Leidenden indessen vor der
Noth der Witterung geschützt werden mußten, so griff ein Jeder zu, und jedes
Material mußte recht sein; da arbeitete manche Hand mit Krummstroh und
trockenem Dünger, die bisher dergleichen Material nie berührt hatte, Alle
diese Häuser waren aber außerdem durch das französische Gesindel, welches in
der Zwischenzeit die herrenlosen Wohnungen plünderte, auf das Greulichste be¬
schmutzt und besudelt. Die Reinigung der für den Krankendienst bestimmten
Räumlichkeiten mußte mit der größten Sorgfalt und Sachkenntniß geschehen,
sollten uicht die schlimmsten Folgen für die Leidenden entstehen. Nach den
Schlachttagen des 1.--3. Dezember trafen viele leicht Verwundete direkt vom
Gefechtsfeld zu Fuß in Lagny ein, und mitunter waren 6--800 klagende, ver¬
hungerte Männer auf einmal zu speisen. Alles verlangte znerst Stärkung durch
Speise und Trank, wie Jeder aus Erfahrung weiß, der Gefechte mitgemacht
hat. Die starke Nervenreaktion in Verbindung mit der übermäßigen Körper-
anspannung bewirken dies, und nur sehr schwere Verwundungen drängen mo¬
mentan den Hunger zurück, während der Durst desto mehr quält. Die Anle¬
gung der Lazarethe in 16 einzelnen Häusern mit zum Theil sehr engen
Treppen erschwerte den unablässig, Tag und Nacht wie ein Uhrwerk arbeiten¬
den Evakuativnsdienst sehr. In einzelnen Häusern mußten die edelmüthigen
Helfer die Schwerkranken geradezu auf dem Rücken in die Zimmer der obern
Stockwerke tragen, der engen, winkligen Treppen wegen.

Ueber diesen Evaknativnsdienst mögen schließlich noch einige Worte gesagt
werden. Der Herr Verfasser erklärt ihn, auf Grund seiner vielseitigen, in
mehreren Feldzügen geschöpftem Erfahrungen, für den schwierigsten Zweig der
freiwilligen Krankenpflege, und sicherlich mit Recht. Vor allem gehört dazu
eine klare Ruhe des Geistes, die auch in dem Wirrwarr, welcher von der


18,487 Port, Suppe mit Fleisch und 0,023 Kaffee um Kante
44,S10 „ „ „ „ „ 11,462 „ „ Gesunde
62,997 „ „ „ „ „ 17,486 „

Die Station passirten 14,722 Kranke und Verwundete. 16 Hänser und Eva-
kuntiouslazarethe nahmen 4941 Leidende ans.

Am 27. November mußte der Verfasser eine ähnliche Stellung in Lagny
übernehmen. Wieder war, mit wenigen getreuen Hilfsarbeitern nicht mehr
wie Alles neu zu schaffen, für einen Ort, der allmählich zum Einschiffungs¬
punkt der Evakuirten vou drei Armeen — der Loire-, Maas- und Dritten
Armee bestimmt wurde. Eine kaum zu bewältigende Arbeitsmasse drängte sich,
bei immer rauher werdender Jahreszeit, den muthigen Helfern auf. Mau be-
denke nur das Eine, daß in der gauzeu Stadt keine Fensterscheibe ganz war.
Und hier sollten schwere Wunden und Krankheiten heilen! Weder Glaser noch
Material war damals in Stadt oder Umgegend zu finden. Erst nach Wochen
gelang es, Beides herbeizuschaffen. Da aber die Leidenden indessen vor der
Noth der Witterung geschützt werden mußten, so griff ein Jeder zu, und jedes
Material mußte recht sein; da arbeitete manche Hand mit Krummstroh und
trockenem Dünger, die bisher dergleichen Material nie berührt hatte, Alle
diese Häuser waren aber außerdem durch das französische Gesindel, welches in
der Zwischenzeit die herrenlosen Wohnungen plünderte, auf das Greulichste be¬
schmutzt und besudelt. Die Reinigung der für den Krankendienst bestimmten
Räumlichkeiten mußte mit der größten Sorgfalt und Sachkenntniß geschehen,
sollten uicht die schlimmsten Folgen für die Leidenden entstehen. Nach den
Schlachttagen des 1.—3. Dezember trafen viele leicht Verwundete direkt vom
Gefechtsfeld zu Fuß in Lagny ein, und mitunter waren 6—800 klagende, ver¬
hungerte Männer auf einmal zu speisen. Alles verlangte znerst Stärkung durch
Speise und Trank, wie Jeder aus Erfahrung weiß, der Gefechte mitgemacht
hat. Die starke Nervenreaktion in Verbindung mit der übermäßigen Körper-
anspannung bewirken dies, und nur sehr schwere Verwundungen drängen mo¬
mentan den Hunger zurück, während der Durst desto mehr quält. Die Anle¬
gung der Lazarethe in 16 einzelnen Häusern mit zum Theil sehr engen
Treppen erschwerte den unablässig, Tag und Nacht wie ein Uhrwerk arbeiten¬
den Evakuativnsdienst sehr. In einzelnen Häusern mußten die edelmüthigen
Helfer die Schwerkranken geradezu auf dem Rücken in die Zimmer der obern
Stockwerke tragen, der engen, winkligen Treppen wegen.

Ueber diesen Evaknativnsdienst mögen schließlich noch einige Worte gesagt
werden. Der Herr Verfasser erklärt ihn, auf Grund seiner vielseitigen, in
mehreren Feldzügen geschöpftem Erfahrungen, für den schwierigsten Zweig der
freiwilligen Krankenpflege, und sicherlich mit Recht. Vor allem gehört dazu
eine klare Ruhe des Geistes, die auch in dem Wirrwarr, welcher von der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/83>, abgerufen am 29.12.2024.