Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nahm der berühmte Professor diese untergeordnete Stellung
an. Von meinem Irrthum bald geheilt, bat ich diese chirurgische Koryphäe
die Leitung sämmtlicher Lazarethe zu überwachen, worauf er sehr gern einging
und unschätzbare Dienste leistete." -- So der Verfasser, der hier mit wenigen
Worten den Schlüssel zu den schwierigsten Problemen der freiwilligen Kranken¬
pflege giebt.

Auf der einen Seite ein Paar unwissende Wesen, deren Hilfeleistung nicht
über den Werth gutgeschulter Heilgehülfen hinausreicht, die in falschem Selbst¬
gefühl den sehr richtigen Rath des alten praktischen Soldaten mißachten, wo¬
nach dein Verwundeten, selbst dem Schwerverwundeten, gut zubereitete warme
Nahrung ein weit nöthigeres und mit noch innigerer Dankbarkeit von den Leidenden
empfangenes Geschenk ist, als ein Verband. Mann oder Frau, wer solchen
Dienst zu leisten vermag, ist im Lazarett) ebenso hochgeachtet als viel begehrt.
Auf der andern Seite der berühmte Arzt, dessen Name weit über seines Vater¬
landes Grenze geehrt und bekannt ist, der aber in richtiger Erkenntniß, daß
hier jedes Widersprechen, jeder Rangstreit die Hülfe für die schmerzlich Lei-
denden verzögert, die Stellung ruhig ausfüllt, die der Drang der Ereignisse
ihm anweist. Da rief ein neuer Befehl den Verfasser nach Nancy, wo die
Opfer der blutigen drei Tage von Metz seine Hülfe erforderten. Das lieb-
gewordene Werk mußte anderen Händen übergeben werden, und mit unsäg¬
licher Mühe, theilweise mit Gefahr, mußte aus bösartig tückischem lothringer
Bauernvolk, von dem selbst der Franzose sagt: I^in-ralQ-Vaurlön, eine Wagen¬
kolonne gebildet werden. Wer als aktiver Offizier, von seiner Schwadron oder
seiner Kompagnie begleitet, einmal den Auftrag ausgeführt hat, einen Wagen¬
park in Feindes Land zu bilden und zu dirigiren, der allein kann die Aufgabe
ermessen und die Arbeit beurtheilen, welche hier von der Abtheilung des Ver¬
fassers gelöst worden ist.

So verführerisch auch die Schilderung des Verfassers von seinen und
seiner Abtheilung Bestrebungen in Nancy ist, so müssen wir den Leser doch
auf das Werk selbst verweisen. Nur zwei Momente sollen hier daraus her¬
vorgehoben werden. Geradezu mustergültig sind die Anordnungen, welche
der Verfasser getroffen hat, und für die Zukunft empfiehlt, um das zahlreiche
Gesindel,'welches das rothe Kreuz mißbraucht, vom Kriegsschauplatz abzuhalten,
oder loszuwerden. Es wäre sehr zu beklagen, wenn die Regierung diese Seite
der Arbeit nicht ernstlich in Erwägung zöge. Sodann mögen kurz die Erfolge
der Delegation zu Nancy angeführt werden. Außer der Betheiligung an elf
neuerrichteten Lazarethen mit durchschnittlich täglich zu evaenirenden Kranken
in der Zahl von 2000, wurden auf der Erfrischnngsstativn im Monat Sep¬
tember allein auf dem Bahnhof Nancy verpflegt: 29,640 durchpassireude Kranke


nahm der berühmte Professor diese untergeordnete Stellung
an. Von meinem Irrthum bald geheilt, bat ich diese chirurgische Koryphäe
die Leitung sämmtlicher Lazarethe zu überwachen, worauf er sehr gern einging
und unschätzbare Dienste leistete." — So der Verfasser, der hier mit wenigen
Worten den Schlüssel zu den schwierigsten Problemen der freiwilligen Kranken¬
pflege giebt.

Auf der einen Seite ein Paar unwissende Wesen, deren Hilfeleistung nicht
über den Werth gutgeschulter Heilgehülfen hinausreicht, die in falschem Selbst¬
gefühl den sehr richtigen Rath des alten praktischen Soldaten mißachten, wo¬
nach dein Verwundeten, selbst dem Schwerverwundeten, gut zubereitete warme
Nahrung ein weit nöthigeres und mit noch innigerer Dankbarkeit von den Leidenden
empfangenes Geschenk ist, als ein Verband. Mann oder Frau, wer solchen
Dienst zu leisten vermag, ist im Lazarett) ebenso hochgeachtet als viel begehrt.
Auf der andern Seite der berühmte Arzt, dessen Name weit über seines Vater¬
landes Grenze geehrt und bekannt ist, der aber in richtiger Erkenntniß, daß
hier jedes Widersprechen, jeder Rangstreit die Hülfe für die schmerzlich Lei-
denden verzögert, die Stellung ruhig ausfüllt, die der Drang der Ereignisse
ihm anweist. Da rief ein neuer Befehl den Verfasser nach Nancy, wo die
Opfer der blutigen drei Tage von Metz seine Hülfe erforderten. Das lieb-
gewordene Werk mußte anderen Händen übergeben werden, und mit unsäg¬
licher Mühe, theilweise mit Gefahr, mußte aus bösartig tückischem lothringer
Bauernvolk, von dem selbst der Franzose sagt: I^in-ralQ-Vaurlön, eine Wagen¬
kolonne gebildet werden. Wer als aktiver Offizier, von seiner Schwadron oder
seiner Kompagnie begleitet, einmal den Auftrag ausgeführt hat, einen Wagen¬
park in Feindes Land zu bilden und zu dirigiren, der allein kann die Aufgabe
ermessen und die Arbeit beurtheilen, welche hier von der Abtheilung des Ver¬
fassers gelöst worden ist.

So verführerisch auch die Schilderung des Verfassers von seinen und
seiner Abtheilung Bestrebungen in Nancy ist, so müssen wir den Leser doch
auf das Werk selbst verweisen. Nur zwei Momente sollen hier daraus her¬
vorgehoben werden. Geradezu mustergültig sind die Anordnungen, welche
der Verfasser getroffen hat, und für die Zukunft empfiehlt, um das zahlreiche
Gesindel,'welches das rothe Kreuz mißbraucht, vom Kriegsschauplatz abzuhalten,
oder loszuwerden. Es wäre sehr zu beklagen, wenn die Regierung diese Seite
der Arbeit nicht ernstlich in Erwägung zöge. Sodann mögen kurz die Erfolge
der Delegation zu Nancy angeführt werden. Außer der Betheiligung an elf
neuerrichteten Lazarethen mit durchschnittlich täglich zu evaenirenden Kranken
in der Zahl von 2000, wurden auf der Erfrischnngsstativn im Monat Sep¬
tember allein auf dem Bahnhof Nancy verpflegt: 29,640 durchpassireude Kranke


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139902"/>
          <p xml:id="ID_288" prev="#ID_287"> nahm der berühmte Professor diese untergeordnete Stellung<lb/>
an. Von meinem Irrthum bald geheilt, bat ich diese chirurgische Koryphäe<lb/>
die Leitung sämmtlicher Lazarethe zu überwachen, worauf er sehr gern einging<lb/>
und unschätzbare Dienste leistete." &#x2014; So der Verfasser, der hier mit wenigen<lb/>
Worten den Schlüssel zu den schwierigsten Problemen der freiwilligen Kranken¬<lb/>
pflege giebt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_289"> Auf der einen Seite ein Paar unwissende Wesen, deren Hilfeleistung nicht<lb/>
über den Werth gutgeschulter Heilgehülfen hinausreicht, die in falschem Selbst¬<lb/>
gefühl den sehr richtigen Rath des alten praktischen Soldaten mißachten, wo¬<lb/>
nach dein Verwundeten, selbst dem Schwerverwundeten, gut zubereitete warme<lb/>
Nahrung ein weit nöthigeres und mit noch innigerer Dankbarkeit von den Leidenden<lb/>
empfangenes Geschenk ist, als ein Verband. Mann oder Frau, wer solchen<lb/>
Dienst zu leisten vermag, ist im Lazarett) ebenso hochgeachtet als viel begehrt.<lb/>
Auf der andern Seite der berühmte Arzt, dessen Name weit über seines Vater¬<lb/>
landes Grenze geehrt und bekannt ist, der aber in richtiger Erkenntniß, daß<lb/>
hier jedes Widersprechen, jeder Rangstreit die Hülfe für die schmerzlich Lei-<lb/>
denden verzögert, die Stellung ruhig ausfüllt, die der Drang der Ereignisse<lb/>
ihm anweist. Da rief ein neuer Befehl den Verfasser nach Nancy, wo die<lb/>
Opfer der blutigen drei Tage von Metz seine Hülfe erforderten. Das lieb-<lb/>
gewordene Werk mußte anderen Händen übergeben werden, und mit unsäg¬<lb/>
licher Mühe, theilweise mit Gefahr, mußte aus bösartig tückischem lothringer<lb/>
Bauernvolk, von dem selbst der Franzose sagt: I^in-ralQ-Vaurlön, eine Wagen¬<lb/>
kolonne gebildet werden. Wer als aktiver Offizier, von seiner Schwadron oder<lb/>
seiner Kompagnie begleitet, einmal den Auftrag ausgeführt hat, einen Wagen¬<lb/>
park in Feindes Land zu bilden und zu dirigiren, der allein kann die Aufgabe<lb/>
ermessen und die Arbeit beurtheilen, welche hier von der Abtheilung des Ver¬<lb/>
fassers gelöst worden ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_290" next="#ID_291"> So verführerisch auch die Schilderung des Verfassers von seinen und<lb/>
seiner Abtheilung Bestrebungen in Nancy ist, so müssen wir den Leser doch<lb/>
auf das Werk selbst verweisen. Nur zwei Momente sollen hier daraus her¬<lb/>
vorgehoben werden. Geradezu mustergültig sind die Anordnungen, welche<lb/>
der Verfasser getroffen hat, und für die Zukunft empfiehlt, um das zahlreiche<lb/>
Gesindel,'welches das rothe Kreuz mißbraucht, vom Kriegsschauplatz abzuhalten,<lb/>
oder loszuwerden. Es wäre sehr zu beklagen, wenn die Regierung diese Seite<lb/>
der Arbeit nicht ernstlich in Erwägung zöge. Sodann mögen kurz die Erfolge<lb/>
der Delegation zu Nancy angeführt werden. Außer der Betheiligung an elf<lb/>
neuerrichteten Lazarethen mit durchschnittlich täglich zu evaenirenden Kranken<lb/>
in der Zahl von 2000, wurden auf der Erfrischnngsstativn im Monat Sep¬<lb/>
tember allein auf dem Bahnhof Nancy verpflegt: 29,640 durchpassireude Kranke</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] nahm der berühmte Professor diese untergeordnete Stellung an. Von meinem Irrthum bald geheilt, bat ich diese chirurgische Koryphäe die Leitung sämmtlicher Lazarethe zu überwachen, worauf er sehr gern einging und unschätzbare Dienste leistete." — So der Verfasser, der hier mit wenigen Worten den Schlüssel zu den schwierigsten Problemen der freiwilligen Kranken¬ pflege giebt. Auf der einen Seite ein Paar unwissende Wesen, deren Hilfeleistung nicht über den Werth gutgeschulter Heilgehülfen hinausreicht, die in falschem Selbst¬ gefühl den sehr richtigen Rath des alten praktischen Soldaten mißachten, wo¬ nach dein Verwundeten, selbst dem Schwerverwundeten, gut zubereitete warme Nahrung ein weit nöthigeres und mit noch innigerer Dankbarkeit von den Leidenden empfangenes Geschenk ist, als ein Verband. Mann oder Frau, wer solchen Dienst zu leisten vermag, ist im Lazarett) ebenso hochgeachtet als viel begehrt. Auf der andern Seite der berühmte Arzt, dessen Name weit über seines Vater¬ landes Grenze geehrt und bekannt ist, der aber in richtiger Erkenntniß, daß hier jedes Widersprechen, jeder Rangstreit die Hülfe für die schmerzlich Lei- denden verzögert, die Stellung ruhig ausfüllt, die der Drang der Ereignisse ihm anweist. Da rief ein neuer Befehl den Verfasser nach Nancy, wo die Opfer der blutigen drei Tage von Metz seine Hülfe erforderten. Das lieb- gewordene Werk mußte anderen Händen übergeben werden, und mit unsäg¬ licher Mühe, theilweise mit Gefahr, mußte aus bösartig tückischem lothringer Bauernvolk, von dem selbst der Franzose sagt: I^in-ralQ-Vaurlön, eine Wagen¬ kolonne gebildet werden. Wer als aktiver Offizier, von seiner Schwadron oder seiner Kompagnie begleitet, einmal den Auftrag ausgeführt hat, einen Wagen¬ park in Feindes Land zu bilden und zu dirigiren, der allein kann die Aufgabe ermessen und die Arbeit beurtheilen, welche hier von der Abtheilung des Ver¬ fassers gelöst worden ist. So verführerisch auch die Schilderung des Verfassers von seinen und seiner Abtheilung Bestrebungen in Nancy ist, so müssen wir den Leser doch auf das Werk selbst verweisen. Nur zwei Momente sollen hier daraus her¬ vorgehoben werden. Geradezu mustergültig sind die Anordnungen, welche der Verfasser getroffen hat, und für die Zukunft empfiehlt, um das zahlreiche Gesindel,'welches das rothe Kreuz mißbraucht, vom Kriegsschauplatz abzuhalten, oder loszuwerden. Es wäre sehr zu beklagen, wenn die Regierung diese Seite der Arbeit nicht ernstlich in Erwägung zöge. Sodann mögen kurz die Erfolge der Delegation zu Nancy angeführt werden. Außer der Betheiligung an elf neuerrichteten Lazarethen mit durchschnittlich täglich zu evaenirenden Kranken in der Zahl von 2000, wurden auf der Erfrischnngsstativn im Monat Sep¬ tember allein auf dem Bahnhof Nancy verpflegt: 29,640 durchpassireude Kranke

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/81
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/81>, abgerufen am 06.10.2024.