Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.In Jsmid, dem eilten Nicomedia, wohin Burnaby Boten vorausgesandt, Nachdem Burnaby die Türken Jsmids besucht, ging es zu den Armeniern Von Jsmid machte sich unser Engländer auf den Weg nach Angora, wo¬ Burnaby überschritt den Sakaria, den alten Sangarins und gelangte so In Jsmid, dem eilten Nicomedia, wohin Burnaby Boten vorausgesandt, Nachdem Burnaby die Türken Jsmids besucht, ging es zu den Armeniern Von Jsmid machte sich unser Engländer auf den Weg nach Angora, wo¬ Burnaby überschritt den Sakaria, den alten Sangarins und gelangte so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0070" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139891"/> <p xml:id="ID_248"> In Jsmid, dem eilten Nicomedia, wohin Burnaby Boten vorausgesandt,<lb/> die den Polizeidirektor von seiner Ankunft in Kenntniß gesetzt, wurde er von<lb/> einem Zaptieh, einem Schutzmann, wie wir sagen würden, in Empfang ge¬<lb/> nommen und in eine gute Wohnung gebracht. Der nächste Besuch galt dem<lb/> Pascha. Der gewaltige Mann sprach fließend russisch und französisch und<lb/> ging — es war noch vor Ausbruch des Krieges — gleich auf die Tagesfragen<lb/> ein. „Gut, auf alle Fälle, wenn der Krieg ausbricht, werden die Türken und<lb/> Engländer Verbündete sein", sagte er, worauf Buruaby mit einem „So Gott<lb/> will" erwiderte. „Ihr wißt", fuhr der Pascha fort, „daß wir viel stärker sind,<lb/> als die Leute in Europa glauben. Wir können 700,000 Mann in's Feld<lb/> stellen." Bei diesem patriotischen Ergüsse ließ ein alter auf einem Teppiche<lb/> kauernder Türke ein „Lob sei Allah" erklingen und als der Pascha fortfuhr:<lb/> „allen Russen müssen die Kehlen abgeschnitten werden" ertönte ein „Allah<lb/> gebe, daß dies geschehe!" aus der gauzen Versammlung.</p><lb/> <p xml:id="ID_249"> Nachdem Burnaby die Türken Jsmids besucht, ging es zu den Armeniern<lb/> und deren Bischof, um deren Meinung kennen zu lernen. Der Prälat setzte<lb/> ihm ein paar Löffel Kompot und ein Glas Wasser vor. „Wie schmeckt Ihnen<lb/> das?" wurde er gefragt. „Wir regaliren unsre Gäste stets in dieser Weise,<lb/> das ist so armenischer Brauch." Burnaby dachte sich sein Theil, war aber<lb/> erfreut zu vernehmen, daß die Türkenherrschaft nicht gar so schlimm sei; ver¬<lb/> werflich sei nur, daß der Kadi das Zeugniß eines Christen nicht gelten lasse,<lb/> da dieses gegen den Koran sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_250"> Von Jsmid machte sich unser Engländer auf den Weg nach Angora, wo¬<lb/> bei ihm zwei Zaptiehs als Schutzmaunschaften beigegeben waren. Die Straße<lb/> war in einem fürchterlichen Zustande „degenerirt in einen Sumpf mit vier<lb/> Fuß tiefem Schlamm", wie Burnaby schreibt. Nichtsdestoweniger ging es<lb/> vorwärts und Sabandscha wurde am Abend erreicht. Hier traf mau auf<lb/> einige Baschi-Bozuks, die gerade aus Bulgarien heimkehrten. „Viele Weiber<lb/> umgebracht?" fragte der Engländer lakonisch. „Nur ein paar. Es war jam¬<lb/> merschade und that uns leid. Aber was sollten wir machen? Wir folgten<lb/> nur dem Beispiele" antworteten die Ehrenmänner.</p><lb/> <p xml:id="ID_251" next="#ID_252"> Burnaby überschritt den Sakaria, den alten Sangarins und gelangte so<lb/> nach Mudurlu, einem Städtchen von ein paar tausend Einwohnern, welche ihn<lb/> ungefähr so angafften, wie die Berliner den verstorbenen Gorilla. Interessante<lb/> Gespräche, welche uns einen tiefen Einblick in die Weltanschauungen der klein¬<lb/> asiatischen Türken gestatten, führte er in dem folgenden Städtchen, Nalidan<lb/> (auf unseren Karten Nalychan), wo im Hanse des Kaimakan Türken und Ar-<lb/> menier zusammenkamen, um Neuigkeiten von ihm zu hören. Ein eifriger<lb/> Imam erklärte, er wolle alle Moskowiter tödten. „Könnte es sich nicht er-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
In Jsmid, dem eilten Nicomedia, wohin Burnaby Boten vorausgesandt,
die den Polizeidirektor von seiner Ankunft in Kenntniß gesetzt, wurde er von
einem Zaptieh, einem Schutzmann, wie wir sagen würden, in Empfang ge¬
nommen und in eine gute Wohnung gebracht. Der nächste Besuch galt dem
Pascha. Der gewaltige Mann sprach fließend russisch und französisch und
ging — es war noch vor Ausbruch des Krieges — gleich auf die Tagesfragen
ein. „Gut, auf alle Fälle, wenn der Krieg ausbricht, werden die Türken und
Engländer Verbündete sein", sagte er, worauf Buruaby mit einem „So Gott
will" erwiderte. „Ihr wißt", fuhr der Pascha fort, „daß wir viel stärker sind,
als die Leute in Europa glauben. Wir können 700,000 Mann in's Feld
stellen." Bei diesem patriotischen Ergüsse ließ ein alter auf einem Teppiche
kauernder Türke ein „Lob sei Allah" erklingen und als der Pascha fortfuhr:
„allen Russen müssen die Kehlen abgeschnitten werden" ertönte ein „Allah
gebe, daß dies geschehe!" aus der gauzen Versammlung.
Nachdem Burnaby die Türken Jsmids besucht, ging es zu den Armeniern
und deren Bischof, um deren Meinung kennen zu lernen. Der Prälat setzte
ihm ein paar Löffel Kompot und ein Glas Wasser vor. „Wie schmeckt Ihnen
das?" wurde er gefragt. „Wir regaliren unsre Gäste stets in dieser Weise,
das ist so armenischer Brauch." Burnaby dachte sich sein Theil, war aber
erfreut zu vernehmen, daß die Türkenherrschaft nicht gar so schlimm sei; ver¬
werflich sei nur, daß der Kadi das Zeugniß eines Christen nicht gelten lasse,
da dieses gegen den Koran sei.
Von Jsmid machte sich unser Engländer auf den Weg nach Angora, wo¬
bei ihm zwei Zaptiehs als Schutzmaunschaften beigegeben waren. Die Straße
war in einem fürchterlichen Zustande „degenerirt in einen Sumpf mit vier
Fuß tiefem Schlamm", wie Burnaby schreibt. Nichtsdestoweniger ging es
vorwärts und Sabandscha wurde am Abend erreicht. Hier traf mau auf
einige Baschi-Bozuks, die gerade aus Bulgarien heimkehrten. „Viele Weiber
umgebracht?" fragte der Engländer lakonisch. „Nur ein paar. Es war jam¬
merschade und that uns leid. Aber was sollten wir machen? Wir folgten
nur dem Beispiele" antworteten die Ehrenmänner.
Burnaby überschritt den Sakaria, den alten Sangarins und gelangte so
nach Mudurlu, einem Städtchen von ein paar tausend Einwohnern, welche ihn
ungefähr so angafften, wie die Berliner den verstorbenen Gorilla. Interessante
Gespräche, welche uns einen tiefen Einblick in die Weltanschauungen der klein¬
asiatischen Türken gestatten, führte er in dem folgenden Städtchen, Nalidan
(auf unseren Karten Nalychan), wo im Hanse des Kaimakan Türken und Ar-
menier zusammenkamen, um Neuigkeiten von ihm zu hören. Ein eifriger
Imam erklärte, er wolle alle Moskowiter tödten. „Könnte es sich nicht er-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |