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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Anliegen des Kaisers, oder vielmehr eigentlich seines Beichtvaters, des Paters
Lamormain, daß diese wichtige Stadt, die einzige nnter den größeren Reichs¬
städten Süddeutschlands, in welcher noch eine einflußreiche, der römischen Kirche
anhängende Partei vorhanden war, möglichst rasch wieder ganz gewonnen
werde. Anfänglich stieß der Kaiser mit seinem Vorhaben auf erheblichen
Widerstand und zwar nicht allein bei der protestantischen Bürgerschaft, auch
bei dem Rathe, der in seiner überwiegenden Mehrheit zwar an dem alten
Glauben festhielt, denn im Rathe saßen 29 Katholiken, darunter die
beiden Stadtpfleger, gegen 16 Protestanten. Aber die katholischen Rathsherrn
waren wohl gute Christen und ihrer Kirche aufrichtig zugethan, sie erkannten
indessen auch, daß mit der geplanten Katholisirung der Stadt die gesetzliche
Grundlage verlassen werde, auf welcher die ganze Verfassung ihres Gemein¬
wesens beruhte. Und eine so abschüssige Bahn, von der Niemand sagen konnte,
wohin sie führen werde, war keiner Willens zu betreten. Am entschiedensten
wehrte sich Bernhard Rehlinger, der eine der beiden Stadtpfleger: er behaup¬
tete, der Eid, deu sie bei ihrem Amtsantritt geleistet, verbiete ihnen die Gewissen
ihrer evangelischen Mitbürger zu bedrängen.

Doch war gegen den bestimmten Willen des siegreichen Kaisers alles An¬
kämpfen vergebens, Allmählig fand sich der Rath, da bei allem Widerstreben
doch niemand an ernsthaften Widerstand gegen das Oberhaupt des Reiches,
dachte, vor die Alternative gestellt entweder selbst die Reformirung des Glaubens
in der Stadt zu übernehmen, oder dies Geschäft von besonders dazu vom
Kaiser ernannten Commissären besorgt zu sehen. Man entschloß sich daher,
wenn auch zögernd und mit schwerem Herzen zu dem Ersteren, als dem klei¬
neren Uebel. -- Damit fing nun eine systematische Unterdrückung der Protestan¬
ten an, die trotz aller Abgeneigtheit des Raths zu immer härteren und ge¬
waltsameren Maßregeln führte. Die protestantischen Kirchen und Schulen
wurden geschlossen und den Katholiken übergeben, einige Kirchen sogar abge¬
brochen; die protestantischen Pfarrer, wenn sie nicht Bürger waren, jagte man
einfach aus der Stadt, den einheimischen verbot man auf's Strengste irgend
welche gottesdienstlichen Handlungen vorzunehmen: sämmtliche Stadtbeamten
wurden entlassen, wenn sie sich nicht dazu bequemten den katholischen Gottes¬
dienst zu besuchen, wozu sich, beiläufig bemerkt, nur die wenigsten verstanden.
Die 16 protestantischen Mitglieder des Raths wurden abgesetzt und dafür eine
Reihe neuer katholischer Rathsherrn ernannt; dafür die leer gewordenen Aemter
im Rath und Stadtgericht die Zahl der katholischen Patrizier nicht ausreichte,
so creirte der Kaiser mehrere neue Patriziergeschlechter. Geheime religiöse Zu¬
sammenkünfte der bedrohten Lutheraner hatte man im Anfange noch still¬
schweigend geduldet, bald wurden auch diese verboten und die Theilnahme daran


Anliegen des Kaisers, oder vielmehr eigentlich seines Beichtvaters, des Paters
Lamormain, daß diese wichtige Stadt, die einzige nnter den größeren Reichs¬
städten Süddeutschlands, in welcher noch eine einflußreiche, der römischen Kirche
anhängende Partei vorhanden war, möglichst rasch wieder ganz gewonnen
werde. Anfänglich stieß der Kaiser mit seinem Vorhaben auf erheblichen
Widerstand und zwar nicht allein bei der protestantischen Bürgerschaft, auch
bei dem Rathe, der in seiner überwiegenden Mehrheit zwar an dem alten
Glauben festhielt, denn im Rathe saßen 29 Katholiken, darunter die
beiden Stadtpfleger, gegen 16 Protestanten. Aber die katholischen Rathsherrn
waren wohl gute Christen und ihrer Kirche aufrichtig zugethan, sie erkannten
indessen auch, daß mit der geplanten Katholisirung der Stadt die gesetzliche
Grundlage verlassen werde, auf welcher die ganze Verfassung ihres Gemein¬
wesens beruhte. Und eine so abschüssige Bahn, von der Niemand sagen konnte,
wohin sie führen werde, war keiner Willens zu betreten. Am entschiedensten
wehrte sich Bernhard Rehlinger, der eine der beiden Stadtpfleger: er behaup¬
tete, der Eid, deu sie bei ihrem Amtsantritt geleistet, verbiete ihnen die Gewissen
ihrer evangelischen Mitbürger zu bedrängen.

Doch war gegen den bestimmten Willen des siegreichen Kaisers alles An¬
kämpfen vergebens, Allmählig fand sich der Rath, da bei allem Widerstreben
doch niemand an ernsthaften Widerstand gegen das Oberhaupt des Reiches,
dachte, vor die Alternative gestellt entweder selbst die Reformirung des Glaubens
in der Stadt zu übernehmen, oder dies Geschäft von besonders dazu vom
Kaiser ernannten Commissären besorgt zu sehen. Man entschloß sich daher,
wenn auch zögernd und mit schwerem Herzen zu dem Ersteren, als dem klei¬
neren Uebel. — Damit fing nun eine systematische Unterdrückung der Protestan¬
ten an, die trotz aller Abgeneigtheit des Raths zu immer härteren und ge¬
waltsameren Maßregeln führte. Die protestantischen Kirchen und Schulen
wurden geschlossen und den Katholiken übergeben, einige Kirchen sogar abge¬
brochen; die protestantischen Pfarrer, wenn sie nicht Bürger waren, jagte man
einfach aus der Stadt, den einheimischen verbot man auf's Strengste irgend
welche gottesdienstlichen Handlungen vorzunehmen: sämmtliche Stadtbeamten
wurden entlassen, wenn sie sich nicht dazu bequemten den katholischen Gottes¬
dienst zu besuchen, wozu sich, beiläufig bemerkt, nur die wenigsten verstanden.
Die 16 protestantischen Mitglieder des Raths wurden abgesetzt und dafür eine
Reihe neuer katholischer Rathsherrn ernannt; dafür die leer gewordenen Aemter
im Rath und Stadtgericht die Zahl der katholischen Patrizier nicht ausreichte,
so creirte der Kaiser mehrere neue Patriziergeschlechter. Geheime religiöse Zu¬
sammenkünfte der bedrohten Lutheraner hatte man im Anfange noch still¬
schweigend geduldet, bald wurden auch diese verboten und die Theilnahme daran


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[0366] Anliegen des Kaisers, oder vielmehr eigentlich seines Beichtvaters, des Paters Lamormain, daß diese wichtige Stadt, die einzige nnter den größeren Reichs¬ städten Süddeutschlands, in welcher noch eine einflußreiche, der römischen Kirche anhängende Partei vorhanden war, möglichst rasch wieder ganz gewonnen werde. Anfänglich stieß der Kaiser mit seinem Vorhaben auf erheblichen Widerstand und zwar nicht allein bei der protestantischen Bürgerschaft, auch bei dem Rathe, der in seiner überwiegenden Mehrheit zwar an dem alten Glauben festhielt, denn im Rathe saßen 29 Katholiken, darunter die beiden Stadtpfleger, gegen 16 Protestanten. Aber die katholischen Rathsherrn waren wohl gute Christen und ihrer Kirche aufrichtig zugethan, sie erkannten indessen auch, daß mit der geplanten Katholisirung der Stadt die gesetzliche Grundlage verlassen werde, auf welcher die ganze Verfassung ihres Gemein¬ wesens beruhte. Und eine so abschüssige Bahn, von der Niemand sagen konnte, wohin sie führen werde, war keiner Willens zu betreten. Am entschiedensten wehrte sich Bernhard Rehlinger, der eine der beiden Stadtpfleger: er behaup¬ tete, der Eid, deu sie bei ihrem Amtsantritt geleistet, verbiete ihnen die Gewissen ihrer evangelischen Mitbürger zu bedrängen. Doch war gegen den bestimmten Willen des siegreichen Kaisers alles An¬ kämpfen vergebens, Allmählig fand sich der Rath, da bei allem Widerstreben doch niemand an ernsthaften Widerstand gegen das Oberhaupt des Reiches, dachte, vor die Alternative gestellt entweder selbst die Reformirung des Glaubens in der Stadt zu übernehmen, oder dies Geschäft von besonders dazu vom Kaiser ernannten Commissären besorgt zu sehen. Man entschloß sich daher, wenn auch zögernd und mit schwerem Herzen zu dem Ersteren, als dem klei¬ neren Uebel. — Damit fing nun eine systematische Unterdrückung der Protestan¬ ten an, die trotz aller Abgeneigtheit des Raths zu immer härteren und ge¬ waltsameren Maßregeln führte. Die protestantischen Kirchen und Schulen wurden geschlossen und den Katholiken übergeben, einige Kirchen sogar abge¬ brochen; die protestantischen Pfarrer, wenn sie nicht Bürger waren, jagte man einfach aus der Stadt, den einheimischen verbot man auf's Strengste irgend welche gottesdienstlichen Handlungen vorzunehmen: sämmtliche Stadtbeamten wurden entlassen, wenn sie sich nicht dazu bequemten den katholischen Gottes¬ dienst zu besuchen, wozu sich, beiläufig bemerkt, nur die wenigsten verstanden. Die 16 protestantischen Mitglieder des Raths wurden abgesetzt und dafür eine Reihe neuer katholischer Rathsherrn ernannt; dafür die leer gewordenen Aemter im Rath und Stadtgericht die Zahl der katholischen Patrizier nicht ausreichte, so creirte der Kaiser mehrere neue Patriziergeschlechter. Geheime religiöse Zu¬ sammenkünfte der bedrohten Lutheraner hatte man im Anfange noch still¬ schweigend geduldet, bald wurden auch diese verboten und die Theilnahme daran

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/366>, abgerufen am 28.12.2024.