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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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bewilligungsrechts des Reichstags in anderer Weise vollgültig ausgeglichen
wird. Wie die Steuerreform in den Einzelstaaten zu bewerkstelligen, kann
natürlich uicht Sache der Reichsgesetzgebung, sondern ausschließlich der Parti¬
kulargesetzgebungen sein. Mit gutem Fug hat indeß Herr v. Bennigsen in seiner
Rede vom 10. Mai die Bürgschaften, welche die preußische Volksvertretung
würde fordern müssen, nämlich das Recht, die Klassen- und Einkommensteuer
für jedes Jahr quotenweise, je nach dem wechselnden Bedürfniß, zu be¬
willigen, kurz und bestimmt bezeichnet, damit der planmäßig verbreiteten Ver¬
leumdung, als ob die Natioualliberalen die Krone ihrer werthvollsten Präro¬
gative berauben wollten, endlich ein Ziel gesetzt wird. Dies in Parenthese!
Die uatioualliberale Partei ist ferner mit der Regierung einverstanden, daß
zu dem Zwecke einer ausgiebigeren Nutzbarmachung der indirekten Steuern der
Tabak vorzugsweise geeignet ist. Sie will anch ihrerseits eine beträchtlich
stärkere Belastung des Tabaks, als sie heute besteht, und als sie zu Anfang
der gegenwärtigen Reichstagssession mit einem Ertrage von 30 Millionen
vorgeschlagen war. Aber sie ist nicht der Ansicht, daß diese Belastung in
unseren deutschen Verhältnissen in einem Grade zulässig sei, der ein den Re¬
sultaten des französischen Monopols entsprechendes Ergebniß liefern würde.

Die Gründe, aus denen die Einführung des Tabaksmonopols in Deutsch¬
land unter dem Gesichtspunkte der Volkswirthschastspolitik als eine unverant¬
wortliche Maßregel bezeichnet werden müßte, sind dnrch die Reden v. Bennig-
sen's und v. Stauffeuberg's ebenso überzeugend wie erschöpfend dargelegt
worden. Eines schickt sich nicht für Alle! Nirgends, wo die Tabaksregie ein¬
geführt worden, stand man einer Privatindustrie von auch nur entfernt ähnli¬
cher Bedeutung gegenüber, wie wir sie heute in Deutschland besitzen. Ans
dieser Verschiedenheit ergibt sich von selbst die Unmöglichkeit der Nachahmung
des fremden Beispiels. 10,000 größere und kleinere Betriebe, wenn auch unter
Entschädigung, vernichten und die in ihnen Beschäftigten (noch dazu bei der
heutigen Lage des Arbeitsmarkts!) mindestens zur Hälfte auf die Suche nach
einem andern Verdienste schicken, würde ein Gewaltakt sein, der höchstens in¬
mitten einer ganz verzweifelten Finanzsituation berechtigt erscheinen könnte.
So weit aber sind wir denn doch noch lange nicht gekommen! -- Eine dem
Ertrage des Monopols gleichstehende Fabrikatsteuer ferner würde in ihren
wirthschaftlichen und sozialen Wirkungen noch verderblicher sein; denn sie
würde die größte Zahl der kleineren Betriebe, namentlich die weitverzweigte
Hausindustrie, ohne Entschädigung vernichten, die gesammte Tabaksfabrikation
in verhältnißmäßig wenigen Großbetrieben konzentriren.

Mit dieser Ablehnung des Monopols sowohl wie der entsprechend hohen
Fabrikatsteuer war auch das Schicksal der Enquetevorlage in ihrer gegenwäx-


bewilligungsrechts des Reichstags in anderer Weise vollgültig ausgeglichen
wird. Wie die Steuerreform in den Einzelstaaten zu bewerkstelligen, kann
natürlich uicht Sache der Reichsgesetzgebung, sondern ausschließlich der Parti¬
kulargesetzgebungen sein. Mit gutem Fug hat indeß Herr v. Bennigsen in seiner
Rede vom 10. Mai die Bürgschaften, welche die preußische Volksvertretung
würde fordern müssen, nämlich das Recht, die Klassen- und Einkommensteuer
für jedes Jahr quotenweise, je nach dem wechselnden Bedürfniß, zu be¬
willigen, kurz und bestimmt bezeichnet, damit der planmäßig verbreiteten Ver¬
leumdung, als ob die Natioualliberalen die Krone ihrer werthvollsten Präro¬
gative berauben wollten, endlich ein Ziel gesetzt wird. Dies in Parenthese!
Die uatioualliberale Partei ist ferner mit der Regierung einverstanden, daß
zu dem Zwecke einer ausgiebigeren Nutzbarmachung der indirekten Steuern der
Tabak vorzugsweise geeignet ist. Sie will anch ihrerseits eine beträchtlich
stärkere Belastung des Tabaks, als sie heute besteht, und als sie zu Anfang
der gegenwärtigen Reichstagssession mit einem Ertrage von 30 Millionen
vorgeschlagen war. Aber sie ist nicht der Ansicht, daß diese Belastung in
unseren deutschen Verhältnissen in einem Grade zulässig sei, der ein den Re¬
sultaten des französischen Monopols entsprechendes Ergebniß liefern würde.

Die Gründe, aus denen die Einführung des Tabaksmonopols in Deutsch¬
land unter dem Gesichtspunkte der Volkswirthschastspolitik als eine unverant¬
wortliche Maßregel bezeichnet werden müßte, sind dnrch die Reden v. Bennig-
sen's und v. Stauffeuberg's ebenso überzeugend wie erschöpfend dargelegt
worden. Eines schickt sich nicht für Alle! Nirgends, wo die Tabaksregie ein¬
geführt worden, stand man einer Privatindustrie von auch nur entfernt ähnli¬
cher Bedeutung gegenüber, wie wir sie heute in Deutschland besitzen. Ans
dieser Verschiedenheit ergibt sich von selbst die Unmöglichkeit der Nachahmung
des fremden Beispiels. 10,000 größere und kleinere Betriebe, wenn auch unter
Entschädigung, vernichten und die in ihnen Beschäftigten (noch dazu bei der
heutigen Lage des Arbeitsmarkts!) mindestens zur Hälfte auf die Suche nach
einem andern Verdienste schicken, würde ein Gewaltakt sein, der höchstens in¬
mitten einer ganz verzweifelten Finanzsituation berechtigt erscheinen könnte.
So weit aber sind wir denn doch noch lange nicht gekommen! — Eine dem
Ertrage des Monopols gleichstehende Fabrikatsteuer ferner würde in ihren
wirthschaftlichen und sozialen Wirkungen noch verderblicher sein; denn sie
würde die größte Zahl der kleineren Betriebe, namentlich die weitverzweigte
Hausindustrie, ohne Entschädigung vernichten, die gesammte Tabaksfabrikation
in verhältnißmäßig wenigen Großbetrieben konzentriren.

Mit dieser Ablehnung des Monopols sowohl wie der entsprechend hohen
Fabrikatsteuer war auch das Schicksal der Enquetevorlage in ihrer gegenwäx-


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[0321] bewilligungsrechts des Reichstags in anderer Weise vollgültig ausgeglichen wird. Wie die Steuerreform in den Einzelstaaten zu bewerkstelligen, kann natürlich uicht Sache der Reichsgesetzgebung, sondern ausschließlich der Parti¬ kulargesetzgebungen sein. Mit gutem Fug hat indeß Herr v. Bennigsen in seiner Rede vom 10. Mai die Bürgschaften, welche die preußische Volksvertretung würde fordern müssen, nämlich das Recht, die Klassen- und Einkommensteuer für jedes Jahr quotenweise, je nach dem wechselnden Bedürfniß, zu be¬ willigen, kurz und bestimmt bezeichnet, damit der planmäßig verbreiteten Ver¬ leumdung, als ob die Natioualliberalen die Krone ihrer werthvollsten Präro¬ gative berauben wollten, endlich ein Ziel gesetzt wird. Dies in Parenthese! Die uatioualliberale Partei ist ferner mit der Regierung einverstanden, daß zu dem Zwecke einer ausgiebigeren Nutzbarmachung der indirekten Steuern der Tabak vorzugsweise geeignet ist. Sie will anch ihrerseits eine beträchtlich stärkere Belastung des Tabaks, als sie heute besteht, und als sie zu Anfang der gegenwärtigen Reichstagssession mit einem Ertrage von 30 Millionen vorgeschlagen war. Aber sie ist nicht der Ansicht, daß diese Belastung in unseren deutschen Verhältnissen in einem Grade zulässig sei, der ein den Re¬ sultaten des französischen Monopols entsprechendes Ergebniß liefern würde. Die Gründe, aus denen die Einführung des Tabaksmonopols in Deutsch¬ land unter dem Gesichtspunkte der Volkswirthschastspolitik als eine unverant¬ wortliche Maßregel bezeichnet werden müßte, sind dnrch die Reden v. Bennig- sen's und v. Stauffeuberg's ebenso überzeugend wie erschöpfend dargelegt worden. Eines schickt sich nicht für Alle! Nirgends, wo die Tabaksregie ein¬ geführt worden, stand man einer Privatindustrie von auch nur entfernt ähnli¬ cher Bedeutung gegenüber, wie wir sie heute in Deutschland besitzen. Ans dieser Verschiedenheit ergibt sich von selbst die Unmöglichkeit der Nachahmung des fremden Beispiels. 10,000 größere und kleinere Betriebe, wenn auch unter Entschädigung, vernichten und die in ihnen Beschäftigten (noch dazu bei der heutigen Lage des Arbeitsmarkts!) mindestens zur Hälfte auf die Suche nach einem andern Verdienste schicken, würde ein Gewaltakt sein, der höchstens in¬ mitten einer ganz verzweifelten Finanzsituation berechtigt erscheinen könnte. So weit aber sind wir denn doch noch lange nicht gekommen! — Eine dem Ertrage des Monopols gleichstehende Fabrikatsteuer ferner würde in ihren wirthschaftlichen und sozialen Wirkungen noch verderblicher sein; denn sie würde die größte Zahl der kleineren Betriebe, namentlich die weitverzweigte Hausindustrie, ohne Entschädigung vernichten, die gesammte Tabaksfabrikation in verhältnißmäßig wenigen Großbetrieben konzentriren. Mit dieser Ablehnung des Monopols sowohl wie der entsprechend hohen Fabrikatsteuer war auch das Schicksal der Enquetevorlage in ihrer gegenwäx-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/321>, abgerufen am 01.01.2025.