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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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durchschnittlich 25 Prozent gehen über die Niederlande und annähernd 5 Prozent
über andere Grenzen ein. Bremen ist in vielen Beziehungen sogar der her¬
vorragendste Tabaksmarkt der Welt; jedenfalls beruht seine Stellung als Welt¬
handelsplatz ganz und gar auf dem Tabak. Da auch dieser Gesichtspunkt
sehr wesentlicher Natur ist, mag er uoch mit ewigen Zahlen illustrirt
werden. Das Quantum Rohtabak, welches jährlich nach Bremen ein- und
ausgeführt wird, beträgt ca. 1,100,000 Zentner; der Werth dieser Ein- resp.
Ausfuhr bewegt sich durchschnittlich zwischen 60 und 70 Millionen Mk. Etwa
drei Fünftel des Gesammtguantums gehen in's deutsche Zollgebiet, der Rest
wird in unverarbeitetem Zustande nach außerdeutschen Ländern exportirt. Dieser
Theil der Ausfuhr aus Bremen hat ziemlich konstant einen Werth von 26--
27 Millionen Mark. Ein derartig ausgebildeter Import- und Exporthandel
setzt naturgemäß eine große Menge von Verbindungen in allen möglichen Ländern
voraus, und diese Verbindungen erweisen sich um so förderlicher, als es fast
ausschließlich deutsche Häuser find, welche in Nordamerika, in Brasilien, ans
Cuba, ans Portorico, in Venezuela, Neugranada, Mexico ?c. das Exportge¬
schäft voir Tabak nach Deutschland in den Händen haben.

Ueber die Tabaksfabrikatioit und den Tabakshandel im deutschen Reiche
selbst liegen nur erst ganz unvollständige Materialien vor; hierüber volles Licht
zu schaffe", ist der hauptsächliche Zweck der beabsichtigten Enquete. Was die
Fabrikation anlangt, so gab es uach der Gewerbezähluug vom 1. Dezember
1875 10,266 Hauptbetriebe mit 110,951 Arbeitern. Auch hier muß der ma߬
gebende Umstand hervorgehoben werden, daß es sich wesentlich um eine Klein¬
industrie handelt. Schon Delbrück wies vor zwanzig Jahren darauf hiu, daß
Rauchtabake und Cigarren ohne größeres Kapital, ohne eigentliche technische
Bildung, ohne besondere mechanische Hilfsmittel und ohne Arbeitstheilung in
einer für die große Masse genügenden Qualität hergestellt werden können, so
daß jeder gute Arbeiter, der nur einigen Kredit findet, selbst Fabrikant werden
kann. Daß sich die Dinge in Wirklichkeit fo gestaltet haben, ist auch aus den
Resultaten der Gewerbezähluug deutlich zu erkennen. Bei derselben wurden be¬
kanntlich die Betriebe geschieden in solche, welche mehr als fünf und solche,
welche fünf und weniger Gehilfen haben. Nun arbeiten beispielsweise in Preußen
von den 6509 Hauptbetrieben der Tabaksfabrikatiou nur 1352 mit mehr als
fünf Gehilfen, während ans die restirenden 5157 nicht mehr als 3795 Gehilfen
kommen, also entfernt nicht ein Gehilfe auf jeden Betrieb, so daß man in der
That sagen kann, daß wie der Tabaksbau, so auch die Tabaksindustrie wesentlich
auf den Schultern des Zwerggewerbes ruht. Mit dem Tabakshandel beschäftigen
sich uach der erwähnten Gewerbezähluug 8237 Personen; gegen diese Zahl
Wendet Felser wohl mit Recht ein, daß in ihr die vermuthlich uach Hundert-


durchschnittlich 25 Prozent gehen über die Niederlande und annähernd 5 Prozent
über andere Grenzen ein. Bremen ist in vielen Beziehungen sogar der her¬
vorragendste Tabaksmarkt der Welt; jedenfalls beruht seine Stellung als Welt¬
handelsplatz ganz und gar auf dem Tabak. Da auch dieser Gesichtspunkt
sehr wesentlicher Natur ist, mag er uoch mit ewigen Zahlen illustrirt
werden. Das Quantum Rohtabak, welches jährlich nach Bremen ein- und
ausgeführt wird, beträgt ca. 1,100,000 Zentner; der Werth dieser Ein- resp.
Ausfuhr bewegt sich durchschnittlich zwischen 60 und 70 Millionen Mk. Etwa
drei Fünftel des Gesammtguantums gehen in's deutsche Zollgebiet, der Rest
wird in unverarbeitetem Zustande nach außerdeutschen Ländern exportirt. Dieser
Theil der Ausfuhr aus Bremen hat ziemlich konstant einen Werth von 26—
27 Millionen Mark. Ein derartig ausgebildeter Import- und Exporthandel
setzt naturgemäß eine große Menge von Verbindungen in allen möglichen Ländern
voraus, und diese Verbindungen erweisen sich um so förderlicher, als es fast
ausschließlich deutsche Häuser find, welche in Nordamerika, in Brasilien, ans
Cuba, ans Portorico, in Venezuela, Neugranada, Mexico ?c. das Exportge¬
schäft voir Tabak nach Deutschland in den Händen haben.

Ueber die Tabaksfabrikatioit und den Tabakshandel im deutschen Reiche
selbst liegen nur erst ganz unvollständige Materialien vor; hierüber volles Licht
zu schaffe», ist der hauptsächliche Zweck der beabsichtigten Enquete. Was die
Fabrikation anlangt, so gab es uach der Gewerbezähluug vom 1. Dezember
1875 10,266 Hauptbetriebe mit 110,951 Arbeitern. Auch hier muß der ma߬
gebende Umstand hervorgehoben werden, daß es sich wesentlich um eine Klein¬
industrie handelt. Schon Delbrück wies vor zwanzig Jahren darauf hiu, daß
Rauchtabake und Cigarren ohne größeres Kapital, ohne eigentliche technische
Bildung, ohne besondere mechanische Hilfsmittel und ohne Arbeitstheilung in
einer für die große Masse genügenden Qualität hergestellt werden können, so
daß jeder gute Arbeiter, der nur einigen Kredit findet, selbst Fabrikant werden
kann. Daß sich die Dinge in Wirklichkeit fo gestaltet haben, ist auch aus den
Resultaten der Gewerbezähluug deutlich zu erkennen. Bei derselben wurden be¬
kanntlich die Betriebe geschieden in solche, welche mehr als fünf und solche,
welche fünf und weniger Gehilfen haben. Nun arbeiten beispielsweise in Preußen
von den 6509 Hauptbetrieben der Tabaksfabrikatiou nur 1352 mit mehr als
fünf Gehilfen, während ans die restirenden 5157 nicht mehr als 3795 Gehilfen
kommen, also entfernt nicht ein Gehilfe auf jeden Betrieb, so daß man in der
That sagen kann, daß wie der Tabaksbau, so auch die Tabaksindustrie wesentlich
auf den Schultern des Zwerggewerbes ruht. Mit dem Tabakshandel beschäftigen
sich uach der erwähnten Gewerbezähluug 8237 Personen; gegen diese Zahl
Wendet Felser wohl mit Recht ein, daß in ihr die vermuthlich uach Hundert-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/289>, abgerufen am 01.09.2024.