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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Gründe, aus denen mit diesem christlichen Italien die Kirche und der Papst
sich nicht versöhnen könnten; im Gegentheil sieht man einen gewichtigen Grund
der Liebe es thun, nämlich um es nicht in der Sitte und im Glauben durch
die Revolution zu Grunde richten zu lassen." Solche Aussöhnungen und
Concordate sind, wie Cnrei erinnert, in der Politik der Kirche etwas ganz
Gewöhnliches und zu allen Zeiten den verschiedensten auch feindlichen Mächten
gegenüber angewendet worden, weshalb es sinnlos ist, sie jetzt als etwas Un¬
zulässiges zu perhorresziren. -- Damit man jedoch keinen Augenblick glaube,
daß er die modernen Staatsgrundsätze anzuerkennen gewillt sei, und eingedenk
der Verfolgungen, die seine Versvhnnngspredigt ihm eingetragen hat, beeilt er
sich zu erklären, daß allerdings nicht mit der jetzigen Regierung Italiens und
ihren Prinzipien, die "antichristlich und zum großen Theil antirationell" siud,
sondern nur mit dem "wahren christlichen Italien", das unter der Landbe¬
völkerung und in Piemont uoch eine große Vertretung habe, eine Aussöhnung
möglich ist. Mit diesem Italien soll der Papst ein Concordat schließen, welches
seine souveränes und angeblich das Wohl des Landes für immer sicher stelle.
Die Entwerfung desselben überläßt er der höchsten kirchlichen Autorität; doch
giebt er selbst seine Hauptpunkte an, die wir im Folgenden betrachten werden.
Man wird mit Erstaunen sehen, was er dem "wahren christlichen Italien" zu
bieten wagt. Zuvor aber wollen wir seine Meinung über das "antichristliche
und antivernünftige" hören, zu dem in erster Linie die Regierung und die
Volksvertretung gehört.

Curci's Aeußerungen über diesen Punkt sind deutlich genug. "Wenn man,"
sagt er, "von den antichristlichen und großentheils antirationellen Prinzipien
spricht, auf denen die gegenwärtige Ordnung der Dinge errichtet ist und geleitet
wird, so ist unzweifelhaft von Seiten der Kirche eine Aussöhnung oder ein
Einverständnis? unmöglich, welches ihre Zulassung in der Theorie oder ihre
Anerkennung in der Praxis als an und für sich berechtigt mit sich brächte,____
und mau muß schnell einsehen, daß ein Ausgleich uicht möglicher ist als der
zwischen dem Licht und der Finsterniß, zwischen Christus und Belial.......
Ja ich will uoch mehr behaupten: Es wäre nicht blos absurd an eine Ver¬
söhnung der Kirche mit jenen Prinzipien zu denken, was bedeuten würde, daß
sie sich selbst verläugnet, sondern auch gerade so mit den Menschen, welche jene
Prinzipien bekennen, sofern sie durch solches Bekennen sich zu Urhebern wahr¬
haft verwerflicher Werke gemacht haben, (und zu glauben) daß jene Einigung
eine Akzeptirung jeuer (Menschen), wie sie sind, und eine Legitimirung dieser
(Prinzipien) mit sich brächte.*)



) Der mangelhafte Stil kommt ans Curei's Rechnung.

Gründe, aus denen mit diesem christlichen Italien die Kirche und der Papst
sich nicht versöhnen könnten; im Gegentheil sieht man einen gewichtigen Grund
der Liebe es thun, nämlich um es nicht in der Sitte und im Glauben durch
die Revolution zu Grunde richten zu lassen." Solche Aussöhnungen und
Concordate sind, wie Cnrei erinnert, in der Politik der Kirche etwas ganz
Gewöhnliches und zu allen Zeiten den verschiedensten auch feindlichen Mächten
gegenüber angewendet worden, weshalb es sinnlos ist, sie jetzt als etwas Un¬
zulässiges zu perhorresziren. — Damit man jedoch keinen Augenblick glaube,
daß er die modernen Staatsgrundsätze anzuerkennen gewillt sei, und eingedenk
der Verfolgungen, die seine Versvhnnngspredigt ihm eingetragen hat, beeilt er
sich zu erklären, daß allerdings nicht mit der jetzigen Regierung Italiens und
ihren Prinzipien, die „antichristlich und zum großen Theil antirationell" siud,
sondern nur mit dem „wahren christlichen Italien", das unter der Landbe¬
völkerung und in Piemont uoch eine große Vertretung habe, eine Aussöhnung
möglich ist. Mit diesem Italien soll der Papst ein Concordat schließen, welches
seine souveränes und angeblich das Wohl des Landes für immer sicher stelle.
Die Entwerfung desselben überläßt er der höchsten kirchlichen Autorität; doch
giebt er selbst seine Hauptpunkte an, die wir im Folgenden betrachten werden.
Man wird mit Erstaunen sehen, was er dem „wahren christlichen Italien" zu
bieten wagt. Zuvor aber wollen wir seine Meinung über das „antichristliche
und antivernünftige" hören, zu dem in erster Linie die Regierung und die
Volksvertretung gehört.

Curci's Aeußerungen über diesen Punkt sind deutlich genug. „Wenn man,"
sagt er, „von den antichristlichen und großentheils antirationellen Prinzipien
spricht, auf denen die gegenwärtige Ordnung der Dinge errichtet ist und geleitet
wird, so ist unzweifelhaft von Seiten der Kirche eine Aussöhnung oder ein
Einverständnis? unmöglich, welches ihre Zulassung in der Theorie oder ihre
Anerkennung in der Praxis als an und für sich berechtigt mit sich brächte,____
und mau muß schnell einsehen, daß ein Ausgleich uicht möglicher ist als der
zwischen dem Licht und der Finsterniß, zwischen Christus und Belial.......
Ja ich will uoch mehr behaupten: Es wäre nicht blos absurd an eine Ver¬
söhnung der Kirche mit jenen Prinzipien zu denken, was bedeuten würde, daß
sie sich selbst verläugnet, sondern auch gerade so mit den Menschen, welche jene
Prinzipien bekennen, sofern sie durch solches Bekennen sich zu Urhebern wahr¬
haft verwerflicher Werke gemacht haben, (und zu glauben) daß jene Einigung
eine Akzeptirung jeuer (Menschen), wie sie sind, und eine Legitimirung dieser
(Prinzipien) mit sich brächte.*)



) Der mangelhafte Stil kommt ans Curei's Rechnung.
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[0246] Gründe, aus denen mit diesem christlichen Italien die Kirche und der Papst sich nicht versöhnen könnten; im Gegentheil sieht man einen gewichtigen Grund der Liebe es thun, nämlich um es nicht in der Sitte und im Glauben durch die Revolution zu Grunde richten zu lassen." Solche Aussöhnungen und Concordate sind, wie Cnrei erinnert, in der Politik der Kirche etwas ganz Gewöhnliches und zu allen Zeiten den verschiedensten auch feindlichen Mächten gegenüber angewendet worden, weshalb es sinnlos ist, sie jetzt als etwas Un¬ zulässiges zu perhorresziren. — Damit man jedoch keinen Augenblick glaube, daß er die modernen Staatsgrundsätze anzuerkennen gewillt sei, und eingedenk der Verfolgungen, die seine Versvhnnngspredigt ihm eingetragen hat, beeilt er sich zu erklären, daß allerdings nicht mit der jetzigen Regierung Italiens und ihren Prinzipien, die „antichristlich und zum großen Theil antirationell" siud, sondern nur mit dem „wahren christlichen Italien", das unter der Landbe¬ völkerung und in Piemont uoch eine große Vertretung habe, eine Aussöhnung möglich ist. Mit diesem Italien soll der Papst ein Concordat schließen, welches seine souveränes und angeblich das Wohl des Landes für immer sicher stelle. Die Entwerfung desselben überläßt er der höchsten kirchlichen Autorität; doch giebt er selbst seine Hauptpunkte an, die wir im Folgenden betrachten werden. Man wird mit Erstaunen sehen, was er dem „wahren christlichen Italien" zu bieten wagt. Zuvor aber wollen wir seine Meinung über das „antichristliche und antivernünftige" hören, zu dem in erster Linie die Regierung und die Volksvertretung gehört. Curci's Aeußerungen über diesen Punkt sind deutlich genug. „Wenn man," sagt er, „von den antichristlichen und großentheils antirationellen Prinzipien spricht, auf denen die gegenwärtige Ordnung der Dinge errichtet ist und geleitet wird, so ist unzweifelhaft von Seiten der Kirche eine Aussöhnung oder ein Einverständnis? unmöglich, welches ihre Zulassung in der Theorie oder ihre Anerkennung in der Praxis als an und für sich berechtigt mit sich brächte,____ und mau muß schnell einsehen, daß ein Ausgleich uicht möglicher ist als der zwischen dem Licht und der Finsterniß, zwischen Christus und Belial....... Ja ich will uoch mehr behaupten: Es wäre nicht blos absurd an eine Ver¬ söhnung der Kirche mit jenen Prinzipien zu denken, was bedeuten würde, daß sie sich selbst verläugnet, sondern auch gerade so mit den Menschen, welche jene Prinzipien bekennen, sofern sie durch solches Bekennen sich zu Urhebern wahr¬ haft verwerflicher Werke gemacht haben, (und zu glauben) daß jene Einigung eine Akzeptirung jeuer (Menschen), wie sie sind, und eine Legitimirung dieser (Prinzipien) mit sich brächte.*) ) Der mangelhafte Stil kommt ans Curei's Rechnung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/246>, abgerufen am 27.07.2024.