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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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die Budgetkommission oder der deutsche Reichstag kompetent, über eine derartige
Frage zu urtheilen, welche selbst Geographen und praktische Reisende nicht
immer einig findet? Wir glauben kaum. Ob die deutschen Unternehmungen
ihr Ziel, die Erforschung Afrika's, von Osten, Westen oder Norden her anzu¬
streben für richtig erachten, konnte und mußte dem Reichstage gleichbleiben und
war den Leitern jener Forschungsunternehmungen zu überlassen, deren Namen
für eine sorgfältige Verwendung einer Reichsunterstlltzung bürgen und deren
Kenntnisse eher als die des Reichstages die richtige Wahl treffen. -- Der Be¬
richterstatter meinte ferner, daß die Schwierigkeiten bei Afrikareisen große und
unberechenbare seien; die bewilligten Mittel könnten durch einen Unglücksfall
verschlungen werden. Wenn das wirklich der Fall wäre, so würde das
Unglück wohl kaum zwischen Staats- oder privatuntersttttzten Expeditionen, für
welche letztere der Redner plaidirte, einen Unterschied machen, denn die Chancen
stehen hier gleich. Uebrigens ist aber mit dem Scheitern eines Unternehmens
noch lange nicht alles verloren; abgesehen von den Erfahrungen, welche ver¬
unglückte Expeditionen mitbringen und welche späteren Reisen zugute kommen,
sie also verhältnißmäßig billiger stellen, wird auch der materielle Verlust noch
immer nicht total sein. Greifen wir nach dem nächstliegenden: nach den von
der deutschen Loangoexpedition gewonnenen Anschauungen würde ein weiteres
Unternehmen in demselben Gebiete nicht dieselben Summen verschlingen, wie
das erste sie verlangte, und trotzdem sind auch die Trümmer, welche die ge¬
nannte Expedition beim Scheitern rettete, nicht unbeträchtlich; wir erinnern
nur an die pekuniär recht hoch verwerthbaren Sammlungen und z. B. an den
Gorilla, welcher allein der afrikanischen Gesellschaft schon ein Fünftel der von
der Regierung beantragten Summe einbrachte.

Die praktischen Kultur- und Handelszwecke nebst der Anlage von Kolonien
durch die vereinigten afrikanischen Gesellschaften, welche der Berichterstatter als
Hauptmotiv seines Ablehnungsantrages anführte, sind nicht die direkten
Ziele der deutschen Forschungsbestrebungen in Afrika und können als solche
gar nicht in dem Programm geographischer Vereine liegen; in den Schrift¬
stücken, welche seitens jener Gesellschaften ihren Mitgliedern, die über die Pläne
derselben doch informire sein müssen, unterbreitet wurden, ist von Kolonie¬
anlagen keine Rede, wohl aber heißt es in den doch maßgebenden Satzun¬
gen der aus der Einigung der beiden deutschen afrikanischen Gesellschaften her¬
vorgegangenen "Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland" unter H. 1 klar und
deutlich genug: "Die Gesellschaft verfolgt... nachbenannte Zwecke: 1) die wissen¬
schaftliche Erforschung der unbekannten Gebiete Afrika's; 2) deren Er¬
schließung für Kultur, Handel und Verkehr; 3) in weiterer Folge die
friedliche Beseitigung des Sklavenhandels."


die Budgetkommission oder der deutsche Reichstag kompetent, über eine derartige
Frage zu urtheilen, welche selbst Geographen und praktische Reisende nicht
immer einig findet? Wir glauben kaum. Ob die deutschen Unternehmungen
ihr Ziel, die Erforschung Afrika's, von Osten, Westen oder Norden her anzu¬
streben für richtig erachten, konnte und mußte dem Reichstage gleichbleiben und
war den Leitern jener Forschungsunternehmungen zu überlassen, deren Namen
für eine sorgfältige Verwendung einer Reichsunterstlltzung bürgen und deren
Kenntnisse eher als die des Reichstages die richtige Wahl treffen. — Der Be¬
richterstatter meinte ferner, daß die Schwierigkeiten bei Afrikareisen große und
unberechenbare seien; die bewilligten Mittel könnten durch einen Unglücksfall
verschlungen werden. Wenn das wirklich der Fall wäre, so würde das
Unglück wohl kaum zwischen Staats- oder privatuntersttttzten Expeditionen, für
welche letztere der Redner plaidirte, einen Unterschied machen, denn die Chancen
stehen hier gleich. Uebrigens ist aber mit dem Scheitern eines Unternehmens
noch lange nicht alles verloren; abgesehen von den Erfahrungen, welche ver¬
unglückte Expeditionen mitbringen und welche späteren Reisen zugute kommen,
sie also verhältnißmäßig billiger stellen, wird auch der materielle Verlust noch
immer nicht total sein. Greifen wir nach dem nächstliegenden: nach den von
der deutschen Loangoexpedition gewonnenen Anschauungen würde ein weiteres
Unternehmen in demselben Gebiete nicht dieselben Summen verschlingen, wie
das erste sie verlangte, und trotzdem sind auch die Trümmer, welche die ge¬
nannte Expedition beim Scheitern rettete, nicht unbeträchtlich; wir erinnern
nur an die pekuniär recht hoch verwerthbaren Sammlungen und z. B. an den
Gorilla, welcher allein der afrikanischen Gesellschaft schon ein Fünftel der von
der Regierung beantragten Summe einbrachte.

Die praktischen Kultur- und Handelszwecke nebst der Anlage von Kolonien
durch die vereinigten afrikanischen Gesellschaften, welche der Berichterstatter als
Hauptmotiv seines Ablehnungsantrages anführte, sind nicht die direkten
Ziele der deutschen Forschungsbestrebungen in Afrika und können als solche
gar nicht in dem Programm geographischer Vereine liegen; in den Schrift¬
stücken, welche seitens jener Gesellschaften ihren Mitgliedern, die über die Pläne
derselben doch informire sein müssen, unterbreitet wurden, ist von Kolonie¬
anlagen keine Rede, wohl aber heißt es in den doch maßgebenden Satzun¬
gen der aus der Einigung der beiden deutschen afrikanischen Gesellschaften her¬
vorgegangenen „Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland" unter H. 1 klar und
deutlich genug: „Die Gesellschaft verfolgt... nachbenannte Zwecke: 1) die wissen¬
schaftliche Erforschung der unbekannten Gebiete Afrika's; 2) deren Er¬
schließung für Kultur, Handel und Verkehr; 3) in weiterer Folge die
friedliche Beseitigung des Sklavenhandels."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/218>, abgerufen am 06.10.2024.