Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.auch da nicht zu Theil geworden, denn der Genuß, den befriedigte Eitelkeit Werfen wir schließlich einen Blick auf die Arbeit Gwinner's. Es erscheint Wir irren wohl nicht, wenn wir Gwinner's Sympathien sür Schopen¬ Ziehen wir endlich die Art und Weise in Betracht, wie Gwinner die H. Jacoby. auch da nicht zu Theil geworden, denn der Genuß, den befriedigte Eitelkeit Werfen wir schließlich einen Blick auf die Arbeit Gwinner's. Es erscheint Wir irren wohl nicht, wenn wir Gwinner's Sympathien sür Schopen¬ Ziehen wir endlich die Art und Weise in Betracht, wie Gwinner die H. Jacoby. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140037"/> <p xml:id="ID_686" prev="#ID_685"> auch da nicht zu Theil geworden, denn der Genuß, den befriedigte Eitelkeit<lb/> gewährt, ist doch nur eine karge Kost. Und so arm wie sein Leben, so arm<lb/> ist seine Philosophie. Ihr letztes Wort ist das Nichts. Und deshalb wird sie<lb/> auch nur in Zeiten genießbar gefunden werden, die an ihren Idealen Schiff¬<lb/> bruch gelitten haben. Strebende, hoffnungsfrohe Generationen werden sie ver¬<lb/> schmähen.</p><lb/> <p xml:id="ID_687"> Werfen wir schließlich einen Blick auf die Arbeit Gwinner's. Es erscheint<lb/> etwas räthselhaft, daß derselbe sich zu der Aufgabe entschlossen hat, eine Bio¬<lb/> graphie Schopenhauers zu verfassen. Gwinner ist kein Anhänger der Philo¬<lb/> sophie desselben, sondern ein Freund der Theosophie Franz von Baaders.<lb/> Gwinner ist überzeugt, daß die erstere an unheilbaren fundamentalen Gebrechen<lb/> leidet, und er ist nicht blind für die moralischen Schwächen seines Helden,<lb/> wenn er auch hier und dort zu mildern sucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_688"> Wir irren wohl nicht, wenn wir Gwinner's Sympathien sür Schopen¬<lb/> hauer's Philosophie aus dem mystischen Element, das dieser sowie der Theo¬<lb/> sophie Baaders eigen ist, und aus der Analogie zu erklären suchen, welche<lb/> zwischen dem relativen Pessimismus des Christenthums und dem absoluten<lb/> Pessimismus Schopenhauers besteht. Freilich liegt diese nur auf der Ober¬<lb/> fläche, denn das Christenthum verneint freilich den natürlichen Menschen und<lb/> die natürliche Welt, aber nur, um sie als erlöste in den geistigen Menschen<lb/> und das Reich Gottes zu verwandeln. Und sein letztes Wort ist nicht der<lb/> Tod, sondern das Leben.</p><lb/> <p xml:id="ID_689"> Ziehen wir endlich die Art und Weise in Betracht, wie Gwinner die<lb/> Aufgabe gelöst hat, so können wir im Wesentlichen uns zustimmend aussprechen.<lb/> Nur ein zwiefaches haben wir auszusetzen. Gwinner hat untergeordnete Vor¬<lb/> gänge im Leben Schopenhauers viel zu ausführlich behandelt und wenigstens<lb/> eine von uns oben erwähnte wichtige Angelegenheit nur sehr flüchtig berührt.<lb/> Wieweit hier die Schuld an dem Mangel der Quellen lag, die dem Verfasser<lb/> zur Verfügung standen, vermögen wir allerdings nicht zu beurtheilen. Sodann<lb/> vermissen wir eine zusammenhängende Darstellung des Systems Schopenhauers<lb/> statt dessen werden einzelne Momente desselben bei Gelegenheit der Besprechung<lb/> von Rezensionen über einzelne Schriften des Philosophen herausgehoben, die<lb/> in dieser Vereinzelung nur denen verständlich sind, welchen die Totalität der<lb/> Schopenhauer'schen Anschauungen in jedem Augenblicke gegenwärtig ist. Deren<lb/> dürften aber unter den Lesern nur wenige sein.</p><lb/> <note type="byline"> H. Jacoby.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0216]
auch da nicht zu Theil geworden, denn der Genuß, den befriedigte Eitelkeit
gewährt, ist doch nur eine karge Kost. Und so arm wie sein Leben, so arm
ist seine Philosophie. Ihr letztes Wort ist das Nichts. Und deshalb wird sie
auch nur in Zeiten genießbar gefunden werden, die an ihren Idealen Schiff¬
bruch gelitten haben. Strebende, hoffnungsfrohe Generationen werden sie ver¬
schmähen.
Werfen wir schließlich einen Blick auf die Arbeit Gwinner's. Es erscheint
etwas räthselhaft, daß derselbe sich zu der Aufgabe entschlossen hat, eine Bio¬
graphie Schopenhauers zu verfassen. Gwinner ist kein Anhänger der Philo¬
sophie desselben, sondern ein Freund der Theosophie Franz von Baaders.
Gwinner ist überzeugt, daß die erstere an unheilbaren fundamentalen Gebrechen
leidet, und er ist nicht blind für die moralischen Schwächen seines Helden,
wenn er auch hier und dort zu mildern sucht.
Wir irren wohl nicht, wenn wir Gwinner's Sympathien sür Schopen¬
hauer's Philosophie aus dem mystischen Element, das dieser sowie der Theo¬
sophie Baaders eigen ist, und aus der Analogie zu erklären suchen, welche
zwischen dem relativen Pessimismus des Christenthums und dem absoluten
Pessimismus Schopenhauers besteht. Freilich liegt diese nur auf der Ober¬
fläche, denn das Christenthum verneint freilich den natürlichen Menschen und
die natürliche Welt, aber nur, um sie als erlöste in den geistigen Menschen
und das Reich Gottes zu verwandeln. Und sein letztes Wort ist nicht der
Tod, sondern das Leben.
Ziehen wir endlich die Art und Weise in Betracht, wie Gwinner die
Aufgabe gelöst hat, so können wir im Wesentlichen uns zustimmend aussprechen.
Nur ein zwiefaches haben wir auszusetzen. Gwinner hat untergeordnete Vor¬
gänge im Leben Schopenhauers viel zu ausführlich behandelt und wenigstens
eine von uns oben erwähnte wichtige Angelegenheit nur sehr flüchtig berührt.
Wieweit hier die Schuld an dem Mangel der Quellen lag, die dem Verfasser
zur Verfügung standen, vermögen wir allerdings nicht zu beurtheilen. Sodann
vermissen wir eine zusammenhängende Darstellung des Systems Schopenhauers
statt dessen werden einzelne Momente desselben bei Gelegenheit der Besprechung
von Rezensionen über einzelne Schriften des Philosophen herausgehoben, die
in dieser Vereinzelung nur denen verständlich sind, welchen die Totalität der
Schopenhauer'schen Anschauungen in jedem Augenblicke gegenwärtig ist. Deren
dürften aber unter den Lesern nur wenige sein.
H. Jacoby.
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